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Biologisches Pflanzenschutzmittel
Hummeln als Retter der Erdbeerernte

Wegen des feucht-kalten Wetters lag die diesjährige Erdbeerernte in einigen Bundesländern um mehr als 20 Prozent unter dem Durchschnitt. Mancherorts setzten auch Schimmelpilze dem Obst zu. Wie man den Ernteertrag erhöhen kann, ohne großflächig Pestizide einzusetzen, daran forscht eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern in Estland.

Von Michael Stang |
    Mehrere Schalen mit Erdbeeren stehen auf einem Marktstand
    Frische Erdbeeren auf dem Markt. Wegen des kalten Wetters war die Ernte dieses Jahr schlecht. (deutschlandradio.de / Daniela Kurz)
    Ein sonniger Tag am Stadtrand von Tartu. Hier an der Außenstelle der estnischen Universität für Lebenswissenschaften genießt Reet Karise die Sonne. Solche schönen Tage hat es dieses Jahr aber kaum gegeben. Das mache sich allein an den nackten Zahlen an der Erdbeerernte deutlich, so die Ökologin.
    "Das größte Problem ist ja der Rückgang der Hummeln und Bienen. Das liegt auch an der veränderten Landwirtschaft wo es kaum noch Wildpflanzen gibt, die die Insekten ernähren. Dann setzt die Varroamilbe den Tieren zu und natürlich sind Pestizide ein erheblicher Stressfaktor, die auch ihren Beitrag leisten."
    Graufäule kann die Ernte ruinieren
    Vor allem nasskaltes Wetter würde das Wachstum von Botrytis cinerea fördern. Diese sogenannte Botrytis-Fruchtfäule oder Graufäule genannte Erkrankung kann einen Großteil der Ernte ruinieren. Erdbeerbauern haben es da nicht leicht, obwohl das Geschäft eigentlich brummt, schließlich würden Erdbeeren immer beliebter und es gebe immer mehr Felder. Aber auch in Estland würden die Kunden zunehmend umweltbewusster und würden Produkte bevorzugen, die ohne den großflächigen Einsatz von Pestiziden erzeugt wurden.
    "Unsere Idee war einfach: Können wir synthetische Pestizide durch biologische Kontrollstoffe ersetzen, die direkt von den Hummeln und Honigbienen auf die Felder beziehungsweise auf die Pflanzen gebracht werden?
    Versuch: Hummeln bestäuben Felder mit biologischem Pestizid
    Die Idee entstand vor vier Jahren. Reet Karise und ihre Kollegen legten Versuchsfelder an, zwischen einem halben und zwei Hektar groß. Auf den Feldern pflanzten sie sechs Erdbeerpflanzen pro Meter der mittelspäten Sorte Sonata. An den Feldrändern standen Obstbäume und Obststräucher, damit die Insekten ausreichend Nahrung finden konnten. Kontrollfelder wurden ebenfalls angelegt. Zwölf Hummelvölker mit je rund einhundert Tieren sollten in den kommenden drei Jahren die Erdbeerfelder bestäuben.
    "Wir haben handelsübliche Bienenstöcke genommen und sie so präpariert, dass die Bienen am Ausgang durch eine Art Schleuse mussten, wo sie mit dem biologischen Pflanzenschutzmittel besprüht wurden, bevor sie zu den Blütenpflanzen fliegen konnten."
    Die Forscher brachten das Funzigzid (Handelsname: Prestop-Mix) mithilfe der Bestäuberinsekten zwei bis dreimal pro Saison auf die Felder. Nach drei Jahren mit unterschiedlichen Wetterbedingungen konnten Reet Karise und ihre Kollegen die Daten auswerten.
    "Bei normalem Wetter und geringem Schimmelpilzbefall funktionierte das System hervorragend. Wir konnten dann den Schimmelpilzbefall auf den Erdbeerfeldern deutlich reduzieren, von 20 auf höchstens sechs Prozent."
    Kein Erfolg bei schlechtem Wetter
    Bei langanhaltendem schlechtem Wetter haben sich die Pilzsporen, die sich bei niedrigen Temperaturen und Nässe wohlfühlen, aber dennoch gut verbreiten können. Bei dieser Witterung stieß die Methode an ihre Grenzen, aber dann hilft auch der großflächige Einsatz von Pestiziden nur noch bedingt, so Reet Karise. Für Kleinbauern und Biohöfe sei seine Methode aber eine billige und einfache Lösung.
    Denn man muss die Pflanzen nicht mit großen Maschinen besprühen, sondern kann sie mithilfe der Bienen und Hummeln direkt vor Schimmelpilzen schützen - mit einem Minimum an Pflanzenschutzmitteln. Rückblickend sei das Projekt auch in anderen Hinsicht ein Erfolg gewesen, verabschiedet sich die estnische Forscherin ausgenzwinkernd: "Es war schön in der Sonne zu arbeiten und hinterher Erbeeren zu essen."