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Biometrische Goldgrube

Schon Ende Januar tauchten erste Gerüchte auf: Das Bundesinnenministerium plane, Biometrie- und persönliche Ausweisdaten des neuen digitalen Personalausweises zu verkaufen. Die Gesellschaft für Informatik warnt vor einem Ausverkauf von Ausweisdaten durch das Innenministerium.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 15.04.2006
    Manfred Kloiber: Bisher hat das Innenministerium bei den Gerüchten zum Verkauf von digitalen Ausweisdaten abgewiegelt. Doch nun liegen neue Fakten auf dem Tisch, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Ja, erstmalig hat Ministeriumssprecherin Annette Ziesig gegenüber dem Deutschlandfunk zugegeben, dass sich Pläne, die Daten des digitalen Personalausweises an Unternehmen und Organisationen zu verkaufen - ich zitiere - "in einem Vorstadium der Projektierung befinden". Und das hat dieselbe Ministeriumssprecherin auch gegenüber Professor Hartmut Pohl von der Gesellschaft für Informatik bestätigt. Professor Pohl fasst das so zusammen:

    Ich weiß aus dem Bundesinnenministerium, dass die biometrischen Daten auf dem Personalausweis gespeichert werden sollen - also ab 2008, in diesem neuen Personalausweis - und das Innenministerium hat bestätigt, das ist ebenfalls veröffentlicht, dass diese Daten zweckgebunden von Unternehmen erworben werden können und zweckgebunden ausgewertet werden können.

    Ganz konkret arbeitet die Planungsgruppe "O" unter Verantwortung von Staatssekretär Bernhard Beus an Entwürfen für Gesetzesvorlagen für das neue Personalausweisgesetz und an konkreten Geschäftmodellen, die den Verkauf von biometrischen Daten und weiteren Ausweisdaten, Namen, Vorname, Geburtsdatum an Private, also Banken, Versicherungen, Parteien, einzelne Privatpersonen und so weiter erlauben.

    Kloiber: Um welche biometrischen Daten handelt es sich denn da?

    Welchering: Da hält sich das Innenministerium sehr bedeckt. Aber in den Antiterrorgesetzen von 2001 wurde ja sehr weit reichend formuliert von biometrischen Daten wie Fingerabdruck, Iris oder Gesichtsbild. Experten wie Professor Pohl befürchten sogar, dass auch genetische Daten auf diesem digitalen Personalausweis gespeichert werden könnten. Das ist aber eine sehr weit reichende Annahme. Dagegen macht gerade die Bundestagsfraktion der FDP mobil. Es gibt einen Antrag, Biometrie-Pässe generell auszusetzen, und der baden-württembergische Justizminister und FDP-Politiker Professor Ulrich Goll will hier die biometrischen Daten weiter einschränken, keinesfalls aber einem Verkauf zustimmen. Zu den Plänen des Innenministeriums meinte Goll gegenüber dem Deutschlandfunk:

    Der Plan hört sich auf Anhieb etwas abenteuerlich an. Man muss zunächst schauen, was kommt überhaupt in den Ausweis rein. Ich bin zum Beispiel dafür, außer einem Fingerabdruck nichts an biometrischen Daten in den Ausweis zu nehmen. Und gerade dieser jetzt offensichtlich vorliegende Plan zeigt, wie heikel das Thema ist. Und wenn das dann noch biometrische Daten sein sollen, die weitergegeben werden, dann muss man dem frühzeitig einen Riegel vorschieben.

    Ganz anders sieht das der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Bernhard Beus, der unbedingt mehrere biometrische Merkmale auf dem digitalen Personalausweis haben will.

    Kloiber: Was lässt sich denn aus den biometrischen Daten des digitalen Personalausweises dann herauslesen?

    Welchering: Das Bundesinnenministerium sagt: Nur die Identität des Ausweisinhabers. Datenschützer sagen, je mehr biometrische Daten gespeichert werden, um so mehr intime Details, persönlichste Informationen kann ich über den Ausweisinhaber erfahren. Noch einmal Professor Pohl:

    Die Daten sind ja nicht unscheinbar. Das ist ja nicht einfach ein Fingerabdruck. Man kann sie interpretieren. Und das ist ganz entsetzlich, weil Untersuchungen belegen, dass man auf Erbkrankheiten schließen kann, dass man auf die relative Lebenserwartung schließen kann, die Gen-Daten können gespeichert werden. Das sind genauso biometrische Merkmale. Das sind schon entsetzlich intime Daten, die hier plötzlich auf dem Personalausweis gespeichert werden und dann von Dritten, an die sie verkauft worden sind, ausgewertet werden können.

    Und so befürchten Datenschützer, dass Krankenversicherungen die Prämien erhöhen, wenn sie den Gesundheitszustand des Ausweisinhabers anhand seiner biometrischen Daten erfahren. Banken verweigern Kredite, wenn sie anhand der biometrischen Daten die Lebenserwartung eines Kunden abschätzen können.

    Kloiber: Wie können denn diese biometrischen Daten und meine Ausweisdaten ohne meine Zustimmung verkauft werden?

    Welchering: Indem das in einem Gesetz so festgelegt wird. Dieses Gesetz gibt es noch nicht. Aber erste Modelle im Innenministerium sehen vor, dass alle Ausweisdaten, alle biometrischen Merkmale in den kommunalen Melderegistern gespeichert werden sollen. Und diese Datenbanken werden über das Internet verknüpft. Hier haben sich so genannte Datawarehouse-Spezialisten - genau genommen: Internet-Datenbankspezialisten - auch schon erste dezentrale Datenbankauswertemodelle für das Innenministerium überlegt.