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Biomoleküle für medizinische Materialien

Biochemie. - Am Max-Bergmann-Zentrum in Dresden erforschen rund 100 Werkstoffwissenschaftler, Physiker, Chemiker und Mediziner Biomaterialien und mögliche Anwendungen. Zu den Zielen gehört die Entwicklung von bioverträglichen Knochenersatzstoffen sowie Pflastern und OP-Materialien, die sich zu einem vorab bestimmten Zeitpunkt auflösen können.

    In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts befand sich auf dem Dresdner Gelände das Kaiser-Wilhelm-Institut für Lederforschung, dessen Direktor der Biochemiker Max Bergmann war. Auch in dem nach ihm benannten Zentrum sieht es teilweise noch aus wie in einer kleinen Schneiderei - so etwa im Labor von Konrad Gielscher. Mit Hilfe einer Stickmaschine mit vier Spulen überträgt der Wissenschaftler auf ein Vlies Strukturen, die er am Computer entworfen hat. Der Clou an den Stickereien aus dem Labor: Anstelle von Garn bestehen sie aus organischem Gewebe. Ein spezielles Kettenmolekül bildet den Bio-Garn: Polyhydroxybuttersäure (PHB). PHB ist auf natürliche Weise abbaubar und kann deshalb in der Medizin eingesetzt werden, erklärt Konrad Gielscher: "Bei großen Operationen am Bauch, da gibt es teilweise keinen richtigen Halt mehr, gerade bei älteren Leuten. Zurzeit wird dort mit nicht-abbaubaren Materialien vernäht. Wir wollen da PHB-Netze einsetzen, die mit eingenäht werden. Nach einem dreiviertel bis einem Jahr soll das mit verschwunden sein."

    Fäden ziehen oder eine zweite Operation, um ein Hilfsgewebe zu entfernen, wäre damit überflüssig. Auch den Zeitpunkt, an dem der organische Flicken zerfällt, könnten die Wissenschaftler bestimmen, indem sie unterschiedlich dicke Gewebesorten verwenden. Und schließlich könnte das Pflaster aus PHB auch spezielle Wirkstoffe tragen, um die Heilung zu fördern. Noch ist die Entwicklung aber nicht abgeschlossen.

    Anders als ein Produkt von Professor Hartmut Worch. Zusammen mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden hat er eine Verbindungsmöglichkeit zwischen menschlichen Knochenzellen und dem Metall Titan gefunden: "Wir brauchen einen Anheftungspunkt für die Zellen, und die brauchen letztendlich den Kontakt untereinander. Um die Stabilität auf diesem Wege herzustellen, muss erst einmal eine Trägerstruktur mit einer bestimmten geometrischen Gestalt hergestellt werden." Diese Trägerstruktur - auch Scaffold genannt - besteht aus Titanoxid und speziellen Makromolekülen, die knochenbildend wirken. Sie erhöhen die Lebensdauer von Implantaten und verkürzen die Zeit des Einwachsens. Eine amerikanische Firma setzt bereits Dresdner Scaffolds für Zahnprothesen ein. "In den anderen Bereichen, also vor allem im Hüftbereich und im Kniebereich, hoffen wir, im nächsten Jahr den Einstieg nehmen zu können", so Worch.

    [Quelle: André Hatting]