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Biosiegel - EU-Agrarpolitik - EU-Osterweiterung

Auf der Hochschultagung der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel, die heute zum 53. Mal stattfindet, werden die Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung der Öffentlichkeit präsentiert. Nicht nur die Land- und Ernährungswirtschaft, sondern auch die Forschung steht unter einem Globalisierungsdruck. Dieser Druck, der häufig als negativ empfunden wird, kann jedoch auch positiv sein, wenn ein größerer Markt zur Wettbewerbsfähigkeit alternativer Methoden in der Landwirtschaft führt. Auch die umweltgerechte Produktionsweise und die Anforderungen des globalen Marktes müssen nicht notwendigerweise auseinander klaffen, denn oftmals haben Umweltschutz und Ökonomie dasselbe Ziel. Wieweit sie sich allerdings vereinbaren lassen, das hängt nicht nur vom politischen Willen ab, sondern auch von den Ansprüchen der Gesellschaft. Wie es damit in Deutschland und Europa bestellt ist, damit haben sich Kieler Wissenschaftler in ihren vielfältigen Forschungsbereichen beschäftigt.

Autorin: Annette Eversberg | 14.02.2003
    Ökologie und Umwelt sind auf der diesjährigen Hochschultagung der Kieler Agrarwissenschaftlichen Fakultät wichtige Aspekte. Denn gerade die neuen Fischler-Vorschläge betonen die umweltgerechte Produktionsweise in Europa. Ein Verfahren, das den Landwirten helfen soll, die Anforderungen besser zu bewältigen, ist die Präzisionslandwirtschaft. Angepasst an die spezielle Beschaffenheit von Boden, Klima und Gewässern bestimmter Agrarstandorte kann das Verfahren dem Landwirt helfen, einerseits die Erträge zu steigern, und gleichzeitig umweltgerecht zu düngen, erläutert Dr. Ernst-Walter Reiche vom Ökologiezentrum der Universität Kiel:

    Das heißt, er kann präziser dosieren. Dort, wo viel Ertrag zu erwarten ist, lässt sich mehr düngen, dort wo aus Standortbedingungen heraus weniger zu erwarten ist, kann die Applikation geringer ausfallen. Das heißt, die Effizienz wird erhöht und dadurch werden die Kosten vermindert.

    Mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft liegt auch dem einheitlichen Bio-Siegel für Lebensmittel zugrunde, das Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast vor etwa einem Jahr auf den Weg gebracht hat. Bis 2010 sollen nach den Vorstellungen grüner Politik 20 Prozent der Anbaufläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet werden. Kieler Forscher wie Dr. Maike Bruhn vom Lehrstuhl für Agrarmarketing wollten deshalb wissen, ob die Rechnung aufgegangen ist:

    Was man eigentlich sagen kann ist, dass die Namenskenntnis innerhalb der Bevölkerung, das Bio-Siegel betreffend, noch sehr gering ist. Das lässt Rückschlüsse darauf, dass dort noch Handlungsbedarf besteht.

    Dennoch hat es sich in einem positiv ausgewirkt. Im Supermarkt wird immer mehr zu Bioprodukten gegriffen, wenn auch der Preis stimmt. Dabei ist es dem Kunden gleich, ob die Produkte aus Deutschland, Europa oder aus anderen Teilen der Welt kommen. Der Vorteil für den Verbraucher liegt auf der Hand, nicht jedoch für die deutschen Produzenten, die eigentlich die Ausweitung der deutschen Biolandwirtschaft tragen sollen. Denn hier stehen die EU-Ökorichtlinien den viel strengeren Richtlinien der Bioverbände wie Bioland, Demeter oder Naturland gegenüber. Maike Bruhn:

    In Deutschland ist es halt so, dass die meisten Betriebe nach Verbandsrichtlinien produzieren und dementsprechend auch teurer produzieren, als es gemäß der EU-Ökoverordnung wäre. Es geht also soweit, dass die Produzenten mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben.

    Das, was die Politiker wollen und das, was die Gesellschaft für Umwelt und Ökologie aufzubringen bereit ist, das klafft derzeit noch weit auseinander. Dabei bemüht sich die europäische Agrarpolitik intensiv darum zu zeigen, dass Landwirtschaft heute mehr ist, als nur Pflanzenanbau und Tierproduktion. Diese Definition der Landwirtschaft als multifunktional ist nicht ganz uneigennützig, denn die Legitimation von Subventionen für die Landwirtschaft steht auf dem Spiel. Subventionen lassen sich besser begründen, wenn nicht nur eine kleine Gruppe, sondern möglichst viele Menschen davon profitieren, wie es in der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik vorgesehen ist. Das kommt je nach EU-Land noch unterschiedlich an. In den Ländern Osteuropas, deren ökologische Präferenzen der Kieler Agrarökonom Professor Christian Henning untersucht hat, sieht es noch ganz anders aus:

    Das Wesentliche ist eine wettbewerbsfähige, intensive Produktion, die gefördert werden soll, und ökologische Leistung und ähnliche Dinge spielen eine deutlich untergeordnete Rolle.

    Das Umweltbewusstsein in den Beitrittsländern ist noch unterentwickelt. Dennoch werden sie sich – so Christian Henning- dem Prinzip der Subventionierung einer multifunktionalen Landwirtschaft letztlich nicht entziehen:

    Weil dem Ganzen ein Umverteilungsmechanismus unterliegt. Und natürlich ist es so, dass die Ostländer positive Transfers von den Westländern in ihre eigene Ökonomie erwarten, und wenn es am Ende dann nur – in Anführungsstrichen - über die Multifunktionalität geht, dass überhaupt Mittel fließen, dann werden sie auch diese Multifunktionalität für sich entdecken, wobei das nicht auf gesellschaftliche Grundhaltungen zurückzuführen sein muss, sondern auch natürlich strategische Gründe dann haben kann.