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Biosprit aus Algen

Algen könnten eine wirksame Waffe im Kampf gegen den Klimawandel werden: Einerseits könnten Mikroalgen das klimaschädliche Kohlendioxid vertilgen, zudem ließe sich der Fettanteil der Algen zur Biospritproduktion nutzen. In Hamburg diskutieren bei einem Bundes-Algenstammtisch Experten aus ganz Deutschland gemeinsam neue Energiekonzepte.

Von Maren Schibilsky | 17.01.2008
    Die Idee, aus Algen Treibstoff zu gewinnen, ist fast 70 Jahre alt. Bereits 1939 gab es erste Experimente in Deutschland und Japan dazu. Der Potsdamer Algenbiotechnologe Otto Pulz hat Mitte der 90er Jahre diese Idee wieder aufgegriffen. Seit langem erforschen er und sein Team am Institut für Getreideverarbeitung in Potsdam-Rehbrücke Mikroalgen. Nachdem sie die Wassergewächse für die Kosmetikindustrie und als Nahrungsergänzungsmittel interessant gemacht haben, wollen sie jetzt den Energiemarkt erobern. Denn Mikroalgen haben im Vergleich zu anderen nachwachsenden Rohstoffen entscheidende Vorteile - betont der Algenforscher Otto Pulz:

    " Erstens ist es ihre hohe Produktivität bezogen auf die Fläche. Diese Produktivität liegt bis zu 15 Mal höher als die von Raps beispielsweise. Zweitens kommt dazu, dass Algen keine landwirtschaftliche Nutzfläche brauchen. Diese Kulturen können auf jedem Boden aufgebaut werden. "

    Außerdem können Algenzuchtanlagen direkt neben Kraftwerken stehen. Dort nutzen sie die klimaschädlichen Abgase aus den Schornsteinen für die Algen. Die wachsen am besten mit viel Licht, Kohlendioxid und Stickoxiden als Nährstoffe. Hinzu kommt, dass die Ölausbeute der Algenbiomasse bis zu 30 Mal höher ist als bei Raps.

    In der Algenzuchtstation des Instituts erforscht Otto Pulz, welche Mikroalgen sich am besten für eine Treibstoffproduktion eignen. In meterhohen Glaskolben werden gelbe, grüne und rote Wassergewächse angezüchtet.

    " Vielleicht sollte man in Betracht ziehen, dass es mindestens 300.000 verschiedene Algenarten auf dieser Erde gibt, die in fast allen Ökosystemen vorkommen. Aus dieser Biodiversität diejenigen herauszufiltern, die interessant sind für die Ölproduktion, das ist eine unserer Aufgaben. Es geht also um schnell wachsende Algen, Algen, die dazu noch hohe Ölgehalte bilden, die man auch unter kontrollierten Bedingungen kultivieren kann. "

    Ungefähr 15 Algenarten haben Otto Pulz und sein Team in großem Maßstab erforscht. Die erfolgversprechendste Art ist eine einzellige Grünalge mit dem Namen Chlorella. Sie wächst sehr schnell. Nur ihr Ölgehalt muss noch optimiert werden, berichtet der Algenforscher.

    Otto Pulz geht davon aus, dass die Treibstoffproduktion aus Algenbiomasse bald wirtschaftlich sein wird. Diese Zuversicht gewinnt der Potsdamer Forscher aus einem Projekt mit der amerikanischen Firma "Start-up Greenfuel" in Arizona. Eigens dafür haben er und sein Team die produktivste Algenzuchtstation der Welt entwickelt. Mit einem sogenannten 3D-Matrix-System. Es nutzt die einfallende Lichtmenge effektiver aus.

    Im Vergleich zu bisherigen Glasreaktoren wachsen mithilfe des neuen Systems zwei bis drei Mal so viele Algen. 100 Gramm Biomasse pro Quadratmeter und Tag.

    " Der entscheidende Faktor ist das Licht, die Lichtversorgung, das heißt, wir müssen versuchen, in der Algenkultur ein möglichst homogenes Feld von Lichtquanten zu erzeugen, das den Algen als Energiequelle für die Photosynthese zur Verfügung steht. "

    19 Tage lang lief die Potsdamer Pilotanlage in Arizona erfolgreich neben einem Erdgaskraftwerk. Sie wird noch an anderen Standorten in den USA getestet . Doch das Prinzip ist überall gleich: Die schnell wachsenden Mikroalgen nutzen die Abgase der Kraftwerke. Das amerikanische Unternehmen verarbeitet den Fettanteil der Algen zu Diesel, die Kohlenhydrate zu Ethanol. Rund 20 Prozent der Algenbiomasse wird insgesamt zu Treibstoff. Der Rest ist Abfall. Er kann aber als Futtermittel genutzt werden.
    Am 1. Februar ist Baubeginn für die erste Industrieanlage in Europa.

    Die Potsdamer Algenforscher hoffen auf eine Signalwirkung- berichtet Antje Bobak.

    " Man kann natürlich aus Mikroalgen auch zum Beispiel Biowasserstoff herstellen. Da gibt es starke Forschungsbestrebungen, die noch in weiterer Ferne liegen. Man kann auch Biogas herstellen. Man kann die Bioalgenmasse auch direkt verbrennen. Das ist natürlich auch ein Ansatz, der von einigen verfolgt wird. Man könnte auch Synthesegas aus der Restmasse herstellen. "

    Deutsche Energieerzeuger sind bisher äußerst zurückhaltend. Vielleicht kann der Bundes-Algenstammtisch in Hamburg etwas ändern.