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Biosprit soll nachhaltig werden

Der Einsatz von Biosprit ist umstritten - ob seiner Nachhaltigkeit. Die EU-Kommission fordert ab dem 1. Januar für jeden Liter Biosprit eine Nachhaltigkeitsbescheinigung. Doch nur Deutschland hat in der EU Regeln für die Zertifizierung verabschiedet.

Von Annegret Faber | 01.12.2010
    Schon jetzt werden Benzin und Diesel mit Ethanol und Palm- oder Rapsöl versetzt. Ab dem 1. Januar müssen Mineralölkonzerne jedoch mit Strafen rechnen, weil sie voraussichtlich nicht ausreichend Biosprit auftreiben können, der bereits zertifiziert ist. Ein bis zwei Jahre, so rechnet die Branche, wird es noch dauern, bis die EU-Forderung zu 100 Prozent umgesetzt werden kann. Parallel dazu könnten viele kleine Ölmühlenbetreiber dichtmachen, denn die Zertifizierung kostet einige tausend Euro, klagt Christian Bock, Ölmühlenbetreiber in Sachsen:

    "Ich fühle mich immer noch so ein bisschen als Spielball der Politik und man muss das manchmal als Spiel betrachten. Mit jährlich sich ändernden neuen Spielregeln, die uns immer wieder Steine in den Weg werfen. Das Neuste ist die Nachhaltigkeitsverordnung."

    7000 Euro muss Ölmühlenbetreiber Christian Bock für die Zertifizierung zahlen.Dabei sei der Rohstoff für Rapsöl aus Deutschland grundsätzlich nachhaltig angebaut:

    "Diese Rohstoffe sind ja per Gesetz von der EU nach Cross-Complains produziert, das heißt, sie sind nachhaltig produziert, das ist doppelt gemoppelt."

    Andererseits könnte sich die Investition in die Zertifizierung lohnen, denn Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle ein. Ingo Wenzel ist freier Auditor, er überprüft weltweit die Produktionsbedingungen bei Agrartreibstoffen und vergibt Zertifikate:

    "Also, ich sehe schon Wettbewerbsvorteile für die hiesige Pflanzenölwirtschaft, weil wir Anforderungen erfüllen, die EU-weit gelten, die in den andere EU-Mitgliedsstaaten noch gar nicht erfüllt sind, das heißt wir haben bei der Beimischung einen klaren Wettbewerbsvorteil zumindest über einen gewissen Zeitraum."

    Und zwar so lange, bis die anderen Staaten nachziehen. Michael Grunert vom sächsischen Landwirtschaftsministerium sieht jedoch nur Wettbewerbsvorteile für große Ölmühlen:

    "Also das hängt damit zusammen: Große Anlagen, 100.000 Tonnen Biodiesel im Jahr, sind für Mineralölindustrie und Beimischung ein relevanter Partner. Während, wenn ich eine Ölmühle habe, die 500 oder 1000 Tonnen Rapsöl im Jahr produziert, dann bin ich für so eine Raffinerie kein Partner."

    Die Bundesregierung kann nicht zwischen Groß- und Kleinölmühlen unterscheiden, klagt die UFOP, die gemeinnützige Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen. Auch Ölmühlenbetreiber Christian Bock fühlt sich ungerecht behandelt, denn 97 Prozent des weltweit erzeugten Pflanzenöls gehen in die chemische und Lebensmittelindustrie und brauchen keine Zertifizierung. Christian Bock selbst verkauft sein Öl an Speditionen und Blockheizkraftwerksbetreiber. Er presst im Jahr 9000 Tonnen Raps, die er aus Nachbarorten bezieht. Aus diesem Raps entstehen circa ein Drittel Pflanzenöl und zwei Drittel hochwertiges Viehfutter, dass er an Bauern in seiner Umgebung verkauft. Das sei mehr als nachhaltig und würde auch die Teller-versus-Tank-Diskussion erübrigen, sagt Bock.

    Anders sieht es bei importierter Ware aus. Hier wird in großen Mengen gehandelt, der Markt ist unübersichtlich, deshalb sei die Zertifizierung zwingend notwendig, sagt Michael Grunert vom sächsischen Landwirtschaftsministerium. Ab 1. Januar rechnet er mit Engpässen.

    "Es wird verschiedentlichst eingeschätzt, dass es dazu führen könnte, dass es zu Knappheiten auf dem Markt kommt. Sowohl für den Raps, als auch, wenn man in größere Schienen denkt, Palmöl oder solche Sachen."

    Ein entscheidender Grund: Nur Deutschland besitzt bisher Regeln für die Zertifizierung. Die Bundesregierung verabschiedete im März 2009 eine Biomassenachhaltigkeitsverordnung auf Basis der EU-Forderung. Zwei Zertifizierungssysteme wurden bisher eingeführt. Innerhalb der EU das "REDcert,, ein Siegel der deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung nachhaltig erzeugter Biomasse, die unter anderem vom Deutschen Bauernverband getragen wird. Geprüft werden der Beitrag zur Treibhausgasreduzierung, die nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen und der Schutz des natürlichen Lebensraums. Die soziale Nachhaltigkeit wird nicht berücksichtigt, was insbesondere entwicklungspolitische Gruppen kritisieren. Anders ist es beim ISCC-Siegel (International Sustainability & Carbon Certification). Dieses wird u.a. durch Töchterunternehmen von Multis wie Cargill, Bayer und ADM getragen. Auf dessen Mitgliederliste steht aber auch der WWF Deutschland - The World Wide Fund For Nature. Das ISCC Zertifizierungssystem greife weltweit und verlange auch soziale Nachhaltigkeit, wirbt Auditor Ingo Wenzel, der dieses Siegel vergibt.

    "Es geht eigentlich darum, dass man die Flächen schützt, dass man tatsächlich die Umwelt schützt, dass nicht Moore umgebrochen werden, Wälder, Grünland, das vorhandene Flächen genommen werden, dass der Warenfluss durchgehend ist, dass nicht aus 1000 Tonnen nachhaltiger Biomasse auf einmal 10.000 Tonnen werden. Das heißt, ordentliche Dokumentation machen, landwirtschaftliche Praxis garantieren, keine Kinder beschäftigen, und so weiter."

    Doch in wichtige Ethanol-Lieferländer wurden noch gar keine Zertifikate vergeben. Dazu gehören laut Statistik des Bundesverbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft Brasilien, die USA, Pakistan und Guatemala. Beim Agrardiesel sieht es besser aus. Sechs indonesische Palmölhersteller sind bereits zertifiziert. Unter den Herstellern innerhalb der EU ist Deutschland Vorreiter. Hier sind 80 Prozent des Biokraftstoffs bereits zertifiziert. Einer von ihnen ist Ölmühlenbetreiber Christian Bock.