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Bioterroristen haben es schwer

Biosicherheit. - Ein Killervirus, womöglich in Heimarbeit in der Garage gebaut, ist eine Biowaffe aus Science-fiction-Alpträumen. Nach Meinung von Experten auf der Jahrestagung der Europäischen Vereinigung für Biosicherheit in Manchester wird es das auch bleiben - die Risiken bei der Virenproduktion seien einfach zu hoch.

Von Michael Lange |
    Es gilt für Hanta-, Ebola oder Marburg-Viren, aber auch für einige hochinfektiöse Erreger der Virusgrippe Influenza. Wenn Wissenschaftler mit tödlichen und zugleich ansteckenden Viren arbeiten, dann erfordert das besondere Sicherheitsvorkehrungen. Dann braucht man mehrfach gesicherte Labors, aus denen kein Erreger herauskommt, erklärt Anton de Paiva, stellvertretender Direktor für Biosicherheit am Imperial College London und neuer Präsident der Europäischen Vereinigung für Biosicherheit.

    "Die Mitarbeiter müssen duschen, bevor sie den Hochsicherheitstrakt verlassen, und sie müssen ihre Kleidung vollständig wechseln. Im Labor tragen sie Druckanzüge mit mehreren Sicherheitsschichten, wie sie aus dem Kinofilm Outbreak bekannt sind. Noch wichtiger ist die Ausbildung. Die Leute müssen genau wissen, was sie tun, in ihrer Routine und vor allem dann, wenn etwas schief läuft."

    Wollten Bioterroristen an die Viren im Hochsicherheitslabor herankommen, müssten sie selbst gut ausgebildete Mitarbeiter des Labors werden oder mit einem Zugangsberechtigten zusammen arbeiten. Deshalb müssen die Betreiber dieser Labors den Zutritt beschränken, so Patrick Rüdelsheimer, Berater für Biosicherheit bei der belgischen Firma Perseus.

    "Das reicht bis zu einer Überprüfung durch die Geheimdienste. Der Arbeitgeber erfährt dann nur, wer die Zugangsberechtigung erhält und wer nicht. In weniger sensiblen Bereichen reichen freiwillig gegebene, persönliche Hintergrundinformationen aus, so dass eine gegenseitige Vertrauensbasis geschaffen wird. Jedenfalls brauchen wir viel Aufmerksamkeit, und jedem muss klar sein, dass einige Bereiche nicht frei zugänglich sein dürfen."

    Wie ein gefährliches Virus aufgebaut ist, lässt sich heute im Internet nachlesen. Dort stehen gewissermaßen Bauanleitungen, nach denen Bioterroristen ein Killervirus maßschneidern könnten. Experten für Biosicherheit geben auf jedoch ihrer Tagung Entwarnung. Die vorherrschende Einschätzung in Manchester: Der freie Informationsfluss führt zu mehr nicht zu weniger Sicherheit. Rüdelsheimer:

    "Diese Krankheitserreger kommen auch draußen in der Natur vor. Jeder, der die Fähigkeit besitzt sie zu isolieren kann damit arbeiten. Das ist auch heute schon möglich. Da braucht es keine neuen Veröffentlichungen. Es ist nicht so, dass wir neue Risiken schaffen. Das Risiko ist längst da, wenn Sie so wollen."

    Die Diskussion um angebliche Bioterroristen ist nach Meinung vieler Wissenschaftler übertrieben. Nach Ansicht des Virologen John Oxford von der Firma Retroscreen in London ist die Angst vor Bioterrorismus gefährlicher als der Bioterrorismus selbst.

    "Wir sollten bedenken, dass Mutter Natur selbst Bioterrorist ist und uns darauf konzentrieren. Drei große Seuchenausbrüche von Grippeviren hat es im 20. Jahrhundert gegeben. Eine Pandemie gab es bereits im 21. Jahrhundert und weitere werden folgen. Darauf sollten wir unsere begrenzten Ressourcen lenken."

    Um die Gefahr besser einschätzen zu können, versetzt sich Biosicherheitsexperte Anton de Paiva in die Rolle eines Terroristen. Wer vorhat viele Menschen zu töten, für den sind Viren keine einfachen Waffen. Der Umgang mit den Krankheitserregern ist kompliziert und erfordert neben einer professionellen Ausrüstung viel Fachwissen und Sorgfalt. Es gibt einfachere Waffen als Viren, meint der Biosicherheitsexperte.
    "Sie könnten in einen Laden gehen und sich eine Nagelpistole kaufen. Damit können sie viel Unheil anrichten, für nur 300 Euro. Ein Virus zu konstruieren, kostet Sie Hunderttausende – und bei der Herstellung bringen sie sich womöglich selber um."

    Gäbe es tatsächlich Terroristen, die zu Hause in der Küche oder in der Garage mit tödlichen Krankheitserregern experimentieren, dann wäre es sicher schon zu Unfällen gekommen, vermuten die Experten. Denn zahlreiche Schutzmaßnahmen sind zu beachten, wenn man nicht selbst sein erstes Opfer werden möchte.