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Bis zum Blackout

In einer Expertenanhörung hat der Bundestag das Vorhaben der Bundesregierung debattiert, die Einspeisevergütungen für Solarstrom in diesem Jahr noch einmal zusätzlich abzusenken, um eine angebliche Überförderung zu verhindern. Immer noch ist strittig, ob die Absenkung wie geplant zum 1. Juli kommt, ob die Absenkung 15, 16 oder weniger als zehn Prozent beträgt und ob es alle Solarstromerzeuger trifft. Umweltpolitisch umstritten ist aber auch noch eine weitere Änderung: Ginge es nach dem Willen von Bundesumweltminister Röttgen, dann soll der Eigenverbrauch von Solarstrom stärker gefördert werden.

Von Dieter Nürnberger | 21.04.2010
    Fest steht, dass es bei der heutigen Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages zur Kürzung der Solarförderung auch um diesen bislang recht wenig beachteten Aspekt der Eigenverbrauchsregelung gehen wird. Konkret: Selbstverbraucher, die Solarmodule zur Stromgewinnung auf dem Dach haben, sollen künftig einen Bonus von acht Cent pro Kilowattstunde bekommen, wenn sie den gewonnenen Strom selbst nutzen. Das ist der derzeitige Plan der Bundesregierung und einige der heute zur Anhörung geladenen Experten kritisieren dies deutlich. Dazu gehört Philippe Welter, er ist Herausgeber der renommierten Fachzeitschrift "Photon". Er sagt, dass diese Rechnung einer Erhöhung der Eigenverbrauchsregelung nicht aufgehen könne. Welter sieht unter anderem Probleme für die kommunalen Haushalte.

    "In der Tat, es geht um die Konzessionsabgaben der Kommunen. Hier werden ja beispielsweise Kitas oder auch der öffentliche Personennahverkehr gefördert. Genauso geht es an die Rentenkasse. Der Grund: Jede Kilowattstunde, die ein Solarstromanlagenbetreiber selber verbraucht, läuft nicht mehr durch die Bücher des Energieversorgers. Damit unterliegt dies aber auch nicht mehr der Konzessionsabgabe und der Stromsteuer. Und somit sinken die Einnahmen für diese Kassen."

    Welter wirft den Fachleuten im federführenden Bundesumweltministerium vor, nicht seriös nachgerechnet zu haben. Denn schon nach der bisherigen Regelung lohne sich der Eigenverbrauch von selbst produzierten Solarstrom. Es gebe somit keinen Grund diese spezielle Förderung zu erhöhen. Der Bauherr habe auch nur mit geringfügigen Zusatzkosten zu rechnen, da lediglich ein weiterer Zähler eingebaut werden müsse.

    Der Bundesverband Solarwirtschaft weist dies allerdings zurück, hier sieht man keine Probleme mit dem Bonus zur Eigenverbrauchsregelung. Carsten Körnig ist Geschäftsführer des Bundesverbandes:

    "Hier ist teilweise mit falschen Zahlen gerechnet worden. Es gibt ja diesen Anreiz, Solarstrom, den man auf dem eigenen Dach selbst produziert, selber zu nutzen. Das ist erst einmal plausibel. Dafür soll es einen Bonus geben. Trotzdem wird dann aber weniger Strom in das öffentliche Netz eingespeist und damit auch weniger vergütet. Unterm Strich ist dies sogar eine sogenannte Win-win-Situation, weil die Umlage für den Solarstrom sinkt."

    Die Fronten in dieser Debatte scheinen derzeit verhärtet zu sein. Die Akteure beschuldigen sich gegenseitig falsch zu rechnen, oder verschiedene Berechnungsgrundlagen anzulegen. Es gehe bei der Eigenverbrauchsregelung aber nicht allein um fiskalische Aspekte, Philippe Welter sieht auch Gefahren für das Stromnetz, welches ja künftig durch technische Neuerungen auch immer flexibler oder wie es oft heißt intelligenter werden wird.

    "Das ist folgende Tatsache: Bei der Eigenverbrauchsregelung wird der Einzelne versuchen, wirtschaftlich motiviert, den eigenen Verbrauch zu optimieren. Er wird mit einer sogenannten Lastverlagerung reagieren. Er wird etwa die Waschmaschine mittags laufen lassen, statt abends. So kann es passieren, wenn alle ihre Zeitschaltuhren entsprechend einstellen, dass dann diese sehr schnelle Laständerung in der Tat die Stromnetze zumindest "stressen" wird."

    Philippe Welter hofft nun, dass die heutige Anhörung vielleicht doch noch eine Korrektur bewirken könnte.

    Derweil hat am Vormittag hier in Berlin auch der Bundesverband Solarwirtschaft mobilisiert. Vor dem Bundestag fand eine kleine Kundgebung zusammen mit der IG-Metall statt. Man befürchtet durch die Kürzung bei der generellen Solarstromvergütung Gefahren für den Standort Deutschland. Die Förderung soll zum 1. Juli um rund 16 Prozent gesenkt werden. Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft sagt, dies sei nur eine Zahl, es gehe schließlich auch um weitere Kürzungen.

    "Wir haben bereits zu Jahresbeginn eine Kürzung bei der Solarförderung von rund 10 Prozent verkraften müssen. Nun will man zusätzlich im Sommer 16 Prozent runter. Damit ist es aber auch nicht getan. Bereits zum 1. Januar 2011 droht eine weitere reguläre Förderabsenkung zwischen 9 und 17 Prozent - je nach Marktwachstum. In der Summe sind das rund 35 Prozent Reduzierung in gut einem Jahr."

    Man darf also davon ausgehen, dass die Debatte um die Kürzung der Solarförderung noch nicht beendet ist. Auch der Bund und einzelne Bundesländer haben hier ja noch recht unterschiedliche Auffassungen.