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Bischof Huber hält Mixa-Äußerungen für unangemessen

Der evangelische Bischof Wolfgang Huber hält die Äußerungen des katholischen Augsburger Bischofs Walter Mixa zum geplanten Ausbau der Kleinkinderbetreuung für unangemessen. Es könne keine Rede davon sein, dass damit eine Verstaatlichung der Erziehung eingeleitet würde, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Es ist auch nicht angemessen, Mütter, die dann von diesen Krippenplätzen Gebrauch machen, zu Gebärmaschinen zu erklären", betonte Huber.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Dreimal so viele Krippenplätze für Kleinkinder bis 2013. Das ist der Plan von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Und sie will damit bessere Chancen und Bedingungen schaffen, für die Mütter, die weiter arbeiten und verdienen können, und natürlich für die Kinder, die dann gut betreut werden.

    Ganz anders sieht das der Augsburger Bischof Walter Mixa. Er hält die Pläne für kinderfeindlich. Junge Frauen würden zu Gebärmaschinen degradiert und als Arbeitskräftereserve für die Industrie rekrutiert, hat er gesagt. Und Mixa bekam gestern viel Unterstützung seiner katholischen Bischofskollegen, auch vom Kölner Kardinal Joachim Meisner. Ansonsten herrscht allerdings eher Unverständnis und Empörung in der Politik, aber auch in der Evangelischen Kirche in Deutschland, und der Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

    Wolfgang Huber: Guten Morgen!

    Thoma: Auch wenn Sie die Kritik nicht teilen, aber vielleicht können Sie uns als Kirchenmann ein bisschen helfen und einfühlen. Warum wohl reagieren die katholischen Bischöfe so drastisch und emotional bei diesem Thema?

    Huber: Es steht natürlich viel auf dem Spiel, wenn wir über die Zukunft von Familie reden. Und die Zukunft der Familie entscheidet sich im hohen Maß daran, ob wir Raum für das Aufwachsen von Kindern schaffen und dabei der Möglichkeit viel Entfaltungsspielraum geben, dass Eltern sich für diese Kinder einsetzen und ihre Erziehungsverantwortung ernst nehmen. Richtig ist auch, dass das Verhältnis zu einer Bezugsperson in den ersten Lebensjahren eine ganz besonders große Rolle spielt.

    Aber trotzdem sage ich: Wenn wir Ja zu Kindern sagen, dann müssen wir auch Ja sagen zu den unterschiedlichen Lebenssituationen von Eltern. Und dabei ist es eben nur eine Gruppe, die tatsächlich die Möglichkeit hat, dass die Mutter, oder leider in viel selteneren Fällen auch der Vater, wirklich drei Jahre oder länger aus der Berufstätigkeit ausscheiden kann und ganz für die Kinder da sein. Man darf dies nicht zu einzigen Norm für das Leben von Familien erklären, und man darf nicht zu allen anderen Müttern sagen, sie seien Rabenmütter, wenn sie andere Formen wählen oder auch wählen müssen. Deswegen halte ich die augenblickliche Diskussion für überzogen. Selbst wenn es gelingt, bis zum Jahr 2013 750.000 Krippenplätze zu schaffen, dann wären das 30 Prozent der Kinder, die die Möglichkeit hätten, in dieser Form untergebracht zu werden. Es kann keine Rede davon sein, dass damit eine Verstaatlichung der Erziehung eingeleitet würde, und mit allem Respekt und mit Verlaub: Es ist auch nicht angemessen, Mütter, die dann von diesen Krippenplätzen Gebrauch machen, zu Gebärmaschinen zu erklären.

    Thoma: Ist es vielleicht für die katholischen Bischöfe, für manche jedenfalls, auch eine grundsätzliche Glaubensfrage, oder, wie der Kölner Kardinal Joachim Meisner es gesagt hat, die Krippe war auch in der Bibel nur ein Provisorium?

    Huber: Also der Vergleich mit der Krippe in der Bibel, das ist jetzt zwar beeindruckend, aber das Wort "Krippe" bedeutet in den Zusammenhängen jetzt etwas anderes als in der Bibel. Es bedeutet gerade nicht eine Notunterkunft, sondern es bedeutet eine angemessene Betreuung und Förderung von Kindern, auch in der jüngsten Lebensphase. Da haben wir alle ein Interesse daran, dass Kinder da gut aufgehoben sind. Man muss auch ganz redlich sagen, in vielen, vielen, ja, in den allermeisten Fällen ist es sehr gut, wenn die Kinder den ganzen Tagen von ihren Müttern betreut werden können, aber wir haben in dieser Gesellschaft auch Situationen, in denen es für die Kinder besser wäre, sie wären in einer Krippe. Und lassen Sie mich noch eins hinzufügen: Den Ausdruck von der Verstaatlichung verstehe ich dabei überhaupt nicht. Wir als Evangelische Kirche jedenfalls sind darauf eingestellt, auch in unseren Einrichtungen dann solche Krippenplätze zu haben, also überhaupt gar nicht verstaatlicht, sondern in kirchlicher Verantwortung.

    Thoma: Wenn man die drastische Wortwahl aber mal beiseite nimmt, auch Bischof Mixa sagt, er will die Wahlfreiheit für die Frauen. Es geht ihm darum, dass die Mütter eben als Bezugsperson für die Kinder unter drei Jahren erhalten bleiben, so wichtig sind. Deshalb sei die Krippe kein Ersatz. Ist das möglicherweise dann doch ein Ansatz, der für Sie auch verständlich wäre, wenn er es so formuliert hätte?

    Huber: Also an der Stelle treffen wir uns. Auch Mütter, die für einen Teil des Tages oder auch mehrere Stunden von einer solchen Betreuungsmöglichkeit Gebrauch machen, bleiben Mütter ihrer Kinder, bleiben verantwortlich für ihre Erziehung und bleiben die Person, die durch Liebe und Zuwendung und Verlässlichkeit, durch Nähe und Geborgenheit ihren Kindern ein gutes Aufwachsen ermöglicht. Es ist vollkommen klar, dass wir nicht in eine Denkweise verfallen dürfen, in der die Verantwortung für die Kinder und das unerlässliche Maß an Zuwendung und Liebe an eine Institution delegiert werden kann. Darüber darf und kann es überhaupt keinen Streit geben. Aber es wäre auch ungerecht, wenn man Frau von der Leyen derartige Intentionen unterstellen würde.

    Thoma: Für Bischof Mixa wäre es aber eher eine Alternative, das Geld statt für die Krippenplätze gleich an die Mütter weiterzugeben, bis hin zu einer Rentenanrechnung, damit sie eben nicht arbeiten, sondern für die Kinder da sind.

    Huber: Ja, das sind wieder in meinen Augen berechtigte Gesichtspunkte, die ihren Ort an einer anderen Stelle haben. Tatsächlich ist die Überlegung, wie im Rentensystem angerechnet wird, was Eltern für die Zukunft unserer Gesellschaft dadurch tun, dass sie für die Erziehung und das Aufwachsen ihrer Kinder Verantwortung haben, das ist eine ganz große Frage, aber es ist ein Problem von Äpfel und Birnen. Wenn man das zusammenschiebt mit denjenigen Situationen, in denen beide Eltern angewiesen sind darauf zu arbeiten, oder in denen Eltern, was ihr gutes Recht ist, Familie und Beruf miteinander verbinden wollen.

    Thoma: Auch die katholische Kirche hat ja Angebote, was Betreuung für Kinder angeht. Welchen Beitrag können die Kirchen überhaupt da leisten?

    Huber: Man muss sich daran erinnern: Kindergartenplätze werden in Deutschland zu 50 Prozent von den beiden großen Kirchen angeboten und vorgehalten. Das wird sich, so hoffe ich, auch auf die Krippenplätze ausdehnen. Und das ist eine besonders gute Form, weil wir dadurch helfen, dass Leben wächst und auch Glauben sich entfaltet, dass Kinder beheimatet werden und auf dem Weg ins Leben Orientierung finden. Wir sind dankbar dafür, dass wir als Kirche das tun können, und wir stehen zu dieser Verantwortung.

    Thoma: Hat Kirche auch die Verantwortung, ja für Ruhe und Gelassenheit in dieser Diskussion zu sorgen?

    Huber: Ich halte das für ein großes Thema, und ich bin traurig darüber, wenn dieses große Thema kleinlich diskutiert wird. Deswegen trete ich dafür ein, dass wir die Proportionen wahren und eine überhitzte Diskussion vermeiden.

    Thoma: Im Deutschlandfunk war das Bischof Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch.

    Huber: Ich bedanke mich auch.