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Bischofssynode in Rom
Gespannte Atmosphäre im Vatikan

Viele der nach Rom reisenden Synodalen sehen immensen Gesprächsbedarf auch bei heiklen Themen, etwa bei der Frage nach der Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene oder bei der Empfängnisverhütung. Hardliner und Reformer stehen sich allerdings unversöhnlich gegenüber.

Von Thomas Migge | 06.10.2014
    Papst Franziskus hat ab dem 5. Oktober zu einer außerordentlichen Bischofssynode eingeladen.
    Papst Franziskus hat ab dem 5. Oktober zu einer außerordentlichen Bischofssynode eingeladen. (GABRIEL BOUYS / AFP)
    "Es ist offensichtlich, dass sich die soziale und geistige Krise der heutigen Welt auf die Familien, auf das Soziale auswirkt. Das ist für uns als Kirche eine große Herausforderung. Deshalb diese außergewöhnliche Versammlung hier im Vatikan."
    Kardinal Lorenzo Baldisseri ist Sekretär der jetzt beginnenden Synode im Vatikan. Und er ist fest davon überzeugt, dass sich pastoral einiges innerhalb seiner Kirche ändern muss. Er begrüßt deshalb noch immer den im vergangenen Jahr in alle Diözesen der Weltkirche verschickten Fragebogen, auf dem sich die Gläubigen auch zu heiklen Fragen äußern konnten - wie etwa zur Kommunion für wiederverheirat Geschiedene, zur Homosexualität und zur künstlichen Empfängnisverhütung. Die Antworten wurden bei der Erstellung des sogenannten "Instrumentum laboris" mitberücksichtigt. Das 85-seitige Dokument ist der inhaltliche Leitfaden für die synodalen Beratungen.
    Dass die Frage nach der Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene eine Sonderrolle einnehmen wird, davon ist Marco Politi, Vatikanexperte der römischen Tageszeitung "il fatto quotidiano", fest überzeugt. Er erwartet eine Kurskorrektur:
    "Wenn man in der Kirche sagt, man wolle etwas studieren, bedeutet das nichts anderes, als dass man eine Veränderung will."
    Letzte Familiensynode enttäuschte Reformer
    Das dachten nicht wenige Beobachter allerdings auch schon 1980, als der damalige Papst Johannes Paul II. eine Familiensynode einberief. Seinerzeit hatte eine Mehrheit der Bischöfe den Papst gebeten, die Praxis der orthodoxen Kirchen zu prüfen, die den Empfang der Kommunion von wiederverheiratet Geschiedenen durchaus kennt. Doch der Vorstoß blieb ohne Erfolg.
    "Papst Johannes Paul II. hat aber nach einem Jahr genau das Gegenteil getan: Er hat ein Dokument geschrieben, "Familiaris Consortio", in dem er darlegt, dass die Kommunion nicht an die geschiedenen Wiederverheirateten ausgeteilt werden darf. Franziskus will diese Synode, damit man endlich gründlich über alle Probleme der sexuellen Ethik spricht, nicht nur über das Thema der Scheidung, um dann neue pastorale Lösungen zu finden."
    Die mögliche Neupositionierung der katholischen Kirche ruft aber nicht nur Interesse und Begeisterung hervor - wie zum Beispiel beim deutschen Kardinal Walter Kasper. Er ist zum Wortführer neuer pastoraler Lösungen im kirchlichen Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen geworden. Es gibt auch handfesten Widerstand gegen mögliche Reformen.
    Wie gespannt die Atmosphäre derzeit im Vatikan ist, zeigt ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Wir wollen in der Wahrheit von Christus leben", das – welch perfektes Timing – rechtzeitig zum Beginn der Synode veröffentlicht wurde. Es enthält Texte von fünf ausgewiesen konservativen Kardinälen, darunter auch Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der römischen Glaubenskongregation. Ein weiterer Autor ist Velasio De Paolis, Kurienkardinal und emeritierter Wirtschaftsminister des Heiligen Stuhls von 2008 bis 2011. De Paolis ist ein entschiedener Gegner jeder Reform:
    "Unsere Kirchendoktrin spricht eine mehr als klare Sprache. Schon Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben sich dieses Problems angenommen. Auch sie haben klar gesagt, dass man die Doktrin nicht verändern kann."
    Lebensfremde Sprache der Kirche in der Kritik
    Die Antworten des von Papst Franziskus initiierten Fragenbogens belegten dabei Schwarz auf Weiß, dass immer mehr Katholiken mit der in ihren Augen lebensfremden Sprache der Kirche immer weniger anfangen können. Die Diskrepanzen zwischen der Lebensrealität und der kirchlichen Dogmatik sind unübersehbar. Viele der nach Rom anreisenden Synodalen sehen deshalb immensen Gesprächsbedarf auch bei heiklen Themen.
    Die Notwendigkeit, in Dialog zu treten, stellt Kardinal De Paolis indes gar nicht in Abrede. Die katholische Lehre dürfe dabei allerdings nicht angerührt werden:
    "Wenn die Lehre so ist, wie sie ist, was kann dann daran verändert werden, ohne die Lehre selbst in Frage zu stellen? Zu diesem Punkt haben wir eine andere Meinung als vor allem Kardinal Kasper. Der redet viel. Er hat konkret vorgeschlagen, die Praxis im Umgang mit der Kirchenlehre zu verändern. Doch dabei handelt es sich nicht nur um ein Problem der Praxis, sondern um eine Modifizierung der Doktrin. Und das kann nicht akzeptiert werden."
    Ganz ähnlich sieht das Raymond Leo Burke. Der Kardinal ist Präsident des obersten vatikanischen Gerichtshofs. Er verteidigt die katholische Tradition, die kompromisslos an der monogamen und unauflöslichen Ehe festhält:
    "Man kann doch wiederverheiratet Geschiedenen nicht die Unwahrheit sagen, dass sie vielleicht doch wieder an der Kommunion teilnehmen können. Deshalb habe ich Probleme mit Kardinals Kaspers Äußerungen. Ich sage das ganz offen."
    Burke setzt darauf, dass der Papst nach zwei Wochen Diskussionen alles beim Alten belässt. Die Befürworter von Veränderungen halten genau das für nahezu ausgeschlossen, allen voran Kardinal Walter Kasper. Dass er zum Feindbild der Konservativen wurde trägt der Deutsche mit Fassung, wie er erst kürzlich im italienischen Fernsehen erklärt hat:
    "Das ist keine Attacke gegen mich, wohl eher gegen den Papst. Denn es ist ja der Papst, der immer wieder unterstreicht, dass die kirchliche Lehre das Evangelium ist, eine frohe Botschaft, und kein ehernes Gesetz."