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Bisphenol A
Tägliches Gift im Kassenzettel

Bisphenol A steckt in Babyflaschen, Plastikdosen, Parkscheinen und Kassenbons. Die Chemikalie ist Grundbaustein des Kunststoffes Polycarbonat. Sie steht im Verdacht, den Hormonhaushalt des Menschen zu stören und möglicherweise Krebs auszulösen.

Von Daniela Siebert | 17.06.2016
    Quittung eines gastronomischen Betriebs mit Glas und Betrag in Euro und Münzen als Trinkgeld
    Bisphenol A steckt in vielen Alltagsgegenständen, unter anderem auch in Kassenquittung. ( imago / Ralph Peters)
    Der Stoff verbleibt nur kurze Zeit im Körper, denn er reichert sich nicht an – und doch hat vermutlich jeder von uns Bisphenol A in sich.
    "Wir finden Bisphenol A bei unseren Untersuchungen bei allen Menschen, bei allen Kindern. Wenn wir zurückrechnen, wie viel nimmt der Mensch auf, dann ist es sehr viel weniger, als was derzeit als tolerabel bezeichnet wird. Es ist aber so viel, wie wir in einem Tierversuch auch brauchen, um Effekte auszulösen", sagt Andreas Gies vom Umweltbundesamt in Anspielung auf die derzeit geltenden Grenzwerte. Als Hauptquelle für die Bisphenol A-Belastung gelten Lebensmittelverpackungen wie Plastikflaschen und Beschichtungen von Konservendosen.
    Gleich an zweiter Stelle folgen Thermopapiere, bei denen Bisphenol A als Farbbildner verwendet wird. Dazu gehören Kontoauszüge, Parkscheine, Fahrscheine, Kofferetiketten, Konzerttickets, Faxpapier und Kassenquittungen. Erkennen können das Verbraucher oder Berufstätige, die damit hantieren müssen, nicht. Der BUND hat kürzlich Stichproben genommen. Manuel Fernandez:
    "Wir haben 19 Materialproben gesammelt, das waren hauptsächlich Kassenbons, Kofferetiketten von zwei Fluggesellschaften und Kinoeintrittskarten. Und in 14 dieser 19 Materialproben haben wir entweder Bisphenol A oder Bisphenol S nachgewiesen, das finden wir alarmierend."
    Wie zu erwarten sind einschlägige Berufsgruppen besonders belastet. Andreas Gies:
    "Es gibt Untersuchungen aus den USA, aber auch aus Europa an Supermarktkassiererinnen, dass sie doppelt bis dreifach so hohe Belastungen mit Bisphenol A haben, wie der Durchschnitt der Bevölkerung."
    Das Problem: Bisphenol A wirkt hormonartig, stört den körpereigenen Hormonhaushalt, es gefährdet die Reproduktion, löst möglicherweise Krebs und andere hormonabhängige Krankheiten aus. Außerdem steht es im Verdacht, das Immunsystem zu schwächen.
    Sofortiges Verbot gefordert
    Der BUND fordert deshalb sofortige Konsequenzen. Manuel Fernandez:
    "Bei Thermopapieren fordern wir ganz klar, dass das Verbot sofort beschlossen wird, die EU-Kommission nimmt da ihre Verantwortung nicht wahr. Wir wollen alle Bisphenole verboten haben, weil sich abzeichnet, dass die eine ähnliche Wirkung haben."
    Auch Andreas Gies vom Umweltbundesamt urteilt: Bisphenol-Anwendungen, die direkt auf den Menschen und die Umwelt wirken, sollten unterbunden werden, somit auch Thermopapiere.
    Detlef Wölfle vom Bundesinstitut für Risikobewertung hält Bisphenol A vor allem für die Leber, die Niere und die Brustdrüsen für gefährlich. Es könne Effekte geben, die Diabetes und Übergewicht fördern. Ein eindeutiges Risiko für Brustkrebs hält er noch nicht für erwiesen. Und auch beim Risiko, das Thermopapiere darstellen, formuliert er zurückhaltend:
    "Bei den Thermopapieren besteht eine große Unsicherheit in der Bewertung, weil da wird das Bisphenol A ja über die Haut aufgenommen und hierzu weiß man eigentlich noch zu wenig."
    Einschlägige Spezialpapiere am besten nicht oder nur kurz anfassen
    Die Europäische Chemikalienagentur habe genau dazu jüngst eine Studie vorgelegt, die sein Haus derzeit bewertet, über die Ergebnisse dürfe er jedoch noch nichts sagen.
    Einig sind sich die befragten Experten dagegen, dass auch die Geschwistermoleküle Bisphenol F und S reguliert werden sollten, weil sie in den Anwendungen und den Gesundheitsgefahren dem Bisphenol A nahekommen und gerne auch als Ersatz dafür verwendet werden.
    Fakt ist: Die EU-Kommission hat eine Einschränkung von Bisphenol A in Thermopapieren vorgeschlagen, der aber noch die Mitgliedsstaaten zustimmen müssen. Solch ein EU-Verbot würde aber frühestens in drei Jahren greifen kritisiert Manuel Fernandez vom BUND.
    Einstweilen lautet die Empfehlung: Einschlägige Spezialpapiere am besten nicht oder nur kurz anfassen, an der Supermarktkasse mit Handschuhen arbeiten oder sicherstellen, dass das verwendete Papier frei von Bisphenolen ist.