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Bitte keine Energie-Uni!

Zwei Hochschulen in Brandenburg will die Landesregierung zu einer einzigen zusammenlegen: Aus der Fachhochschule Lausitz und der Technischen Universität Cottbus soll eine einzige "Energie-Universität" werden. Das bundesweit erste Hybridmodell aus FH und Uni stößt bei den Studierenden und Professoren auf Widerstand.

Von Sophia Wetzke | 15.08.2012
    Zugegeben - der Zeitpunkt für eine Hochschuldemo ist nicht gerade glücklich. Es ist Mitte August, Semesterferien. Die meisten Studenten sind nicht in der Stadt. Trotzdem ziehen gestern mehrere Hundert Menschen durch Cottbus.

    "Weil meine Enkel hier auch noch studieren sollen und weil ich meine, die Uni soll hier bleiben, so wie sie ist. Was sich bewährt hat, das macht man nicht kaputt."

    "Ich mache hier mit, weil mein Sohn Student ist und ich möchte, dass die Universität erhalten bleibt, denn das ist ein Vorzeigeobjekt für Cottbus."

    Der Streit um die Hochschulen ist schon lange keine reine Studentensache mehr. Eine ganze Region stellt sich gegen die Pläne der Bildungsministerin, dafür sprechen 42.000 Unterschriften, die eine Volksinitiative für den Erhalt der Hochschule gesammelt hat. Anfang des Jahres kam Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst mit dem Plan aus der Kiste, die bestehenden Lausitzer Hochschule, die Fachhochschule und die Brandenburgische Technische Universität, zu einer neuen Hochschule zusammenzulegen.

    "Es soll eine Universität sein, die sowohl Studenten von einer Fachhochschule, als auch von einer Universität aufnehmen kann. Es geht hier darum, aus dem Besten von zwei Hochschulen etwas besseres gemeinsames zu machen."

    Der Protest lässt nicht lange auf sich warten: Über 2000 Menschen kommen zur ersten Demo im Frühjahr, die Studierendenräte beider Hochschulen tun sich zusammen und starten eine große Kampagne: Die ganze Stadt bekennt sich plötzlich zu ihren Hochschulen, "I love BTU" steht auf den Plakaten, die in Schaufenster und an Autoscheiben oder als Buttons an Umhängetaschen zu sehen sind. Die Ängste der Studenten und Mitarbeiter sind groß:

    Eine Volksinitiative gründet sich. Parteien und Gewerkschaften steigen in den Protest mit ein.

    "Wir sind wütend, wir sind laut, weil man uns die Uni klaut!"

    Mit bunten Luftballons, Trillerpfeifen und Bannern ziehen Studenten, Mitarbeiter und Gewerkschafter gestern durch Cottbus. "Rot-Rot macht die Lausitz tot, tot" steht auf einem Schild. Dass ausgerechnet gestern demonstriert wird, ist kein Zufall. Schließlich ist Ministerpräsident Platzeck an diesem Abend in der Stadt zu Gast. Eigentlich, um die Halbzeitbilanz der Landesregierung zu feiern. Die Demonstranten, unter Ihnen David Windisch vom Studierendenrat der BTU, hoffen auf eine Aussage vom Landeschef:

    "Dass man endlich mal anfängt, zu kommunizieren und nicht alles an uns vorbeimacht. Ich hoffe mal, dass er sich auch zeigt und nicht durch die Hintertür leise verschwindet."

    Tatsächlich, Matthias Platzeck tritt vor die Demonstranten. Mit ihm der Cottbuser Oberbürgermeister, die Bildungsministerin und der SPD-Fraktionschef. Und sie sprechen zu den Leuten. Was sie sagen, lässt aber wenig Hoffnung auf einen neuen Kurs:

    "Ich bin überzeugt, dass eine gemeinsame Hochschule für die Lausitz die beste Lösung ist."

    Bildungsministerin: "Ich verstehe jetzt nicht, warum man das pfeifen und buhen muss. Es geht darum, eine Hochschule zu erhalten Leute!"

    Dann wagt sich auch der Ministerpräsident selbst vor die wütenden Demonstranten. Er verspricht viel: Die jetzigen Hochschulstandorte sollen erhalten bleiben, ebenso die Professorenstellen und die Mitarbeiterverträge, außerdem soll's mehr Geld vom Land geben als bisher. Am Grundplan einer neuen Uni will aber auch er nicht rütteln:

    "Ich denke, dass das ein guter Vorschlag ist. Dann bin ich mir sicher, dass für die Lausitz am Ende mehr rauskommt, als sie in der alten Struktur hätte."

    Nach seiner Ansprache verschwindet Matthias Platzeck. Zurück bleiben die Demonstranten, sichtlich enttäuscht:

    "Was mich besonders ärgert - da haben jetzt so viele Minister gesprochen und keiner konnte sagen, warum diese Neugründung jetzt eigentlich notwendig ist"

    Die Hoffnung wollen sie trotzdem nicht aufgeben, sagt mir Jonas Schindler vom Studierendenrat der Cottbuser Uni:

    "Man merkt, dass der Widerstand hier vor Ort eben doch Früchte trägt. Die Volksinitiative hatte sehr viel Erfolg, ein Volksbegehren im Anschluss und ich will mal sehen, wie sich das Land Fakten schafft, wenn da ein Volksbegehren im Anrollen ist."