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Bitte pusten

Technik. - Alkohol am Steuer zählt neben überhöhter Geschwindigkeit zu den Hauptursachen für schwere Verkehrsunfälle. Doch auch das Absenken der Promillegrenze auf 0,5 Promille brachte keinen Durchbruch. Manche Experten hoffen daher auf "Alcolock" - eine Wegfahrsperre für alkoholisierte Fahrer.

Von Mirko Smiljanic | 25.09.2006
    So hat sich der Belgier Simon Vandevorst Autofahren nun wirklich nicht vorgestellt: Bevor er den Motor starten kann, bittet ihn eine rot blinkende Leuchte zum obligatorischen Alkoholtest. Er nimmt ein handykleines Gerät aus der Halterung, führt einen Schlauch in den Mund und pustet langsam hinein

    "Das Gerät arbeitet mit einem elektrochemischen Sensor, der empfindlich ist für Alkohol, reagiert also auf Alkohol in der Atemluft. Das Gerät kann auch feststellen, ob es sich um menschliche Atemproben handelt anhand der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, dem Druck oder ob jemand versucht, eine Luftpumpe oder einen Luftballon da anzuschließen, was ja theoretisch auch geht, aber das würde nicht funktionieren, weil das Gerät das feststellen würde."

    Claudia Evers, Verkehrspsychologin an der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach. Zwischen Januar 2004 und Juni 2006 haben 134 Autofahrer in Belgien, Norwegen, Spanien und Deutschland Alcolock im praktischen Einsatz getestet. Die technische Sicherheit stand im Mittelpunkt, aber natürlich auch mögliche Tricks, das Gerät zu überlisten. Etwa wenn jemand einen nüchternen Freund pusten lässt und dann losfährt.

    "Das Gerät sieht vor, dass es während der Fahrt in zufallsgesteuerten Zeitintervallen neue Atemtests anfordert, das heißt, wenn man es schafft, dass jemand, der nicht alkoholisiert ist, startet, dann man natürlich etwas in der Bredouille, wenn man selber Alkohol getrunken hat, wird das dann auch festgestellt. "

    Natürlich macht niemand den Test während der Fahr, eine Unterbrechung ist da schon notwendig. Registriert Alcolock dann Alkohol, ist die Tour aber beendet. Während der Testphase gab es einige Pannen mit den Geräten: In Belgien blieben Fahrer schon mal stehen oder konnten Alcolock nicht dazu bewegen, die Zündung freizugeben, obwohl sie nüchtern waren. Hin und wieder gab es falsche Fehlermeldungen oder der Alkoholtester nervte mit ständigem Piepen, das sich nicht ausschalten ließ. Die Akzeptanz war trotzdem vergleichsweise hoch, auch wenn es einigen Autofahrern peinlich war, vor jeder Fahrt den Pustetest zu machen. Unterm Strich - sagt Claudia Evers - arbeitet Alcolock aber zuverlässig,…

    "… wir haben das in unseren Pilotversuchen gesehen, also es ist eine zuverlässige Messung der Atemalkoholkonzentration möglich, das funktioniert sehr problemlos, keiner der Fahrer, die das ausprobiert haben, fand das kompliziert oder schwierig zu handhaben. "

    Alcolock soll bei Autofahrern eingesetzt werden, die wiederholt alkoholisiert am Steuer erwischt worden sind. In den USA wird dies schon in 43 Bundesstaaten praktiziert, in Europa hat vor allem Schweden praktische Erfahrung mit dem Gerät, ab 2012 soll dort alle Neuwagen mit Alcolock ausgestattet werden. Ganz so schnell ist das restliche Europa nicht. Erstens sind die Kosten für das Gerät mit rund 1.000 Euro sehr hoch, zweitens fehlt die gesetzliche Basis und drittens…

    "…gibt es noch keine Studie, die wirklich einen eindeutigen Nachweis bringt, wie dieses Gerät auf die Entwicklung der Unfallzahlen wirkt. "

    Selbst in den USA nicht, die immerhin schon 25 Jahre Erfahrung mit Alcolocks haben. Außerdem ist der Einsatz üblicherweise zeitlich begrenzt. Statt mehrere Monate den Führerschein abzugeben, fahren Alkoholsünder ein Jahr unter Dauerbeobachtung. Eines war für den belgischen Testteilnehmer Simon Vandevorst aber schnell klar: Mehrmals am Tag pusten ist weit besser als auf den Führerschein zu verzichten.