" Man will ja auch sparen beim Abnehmen. Dann kauft man im Internet oder bei Straßenhändlern. Die sind sehr gefährlich; weil keiner weiß, was sie als Nebenwirkungen haben. Bei diesen Pillen gibt es einen Gewichtsverlust von zehn Kilo in vier Wochen. Das kann ja nicht gesund sein. "
Solche Mengen findet der Zöllner alle zwei Tage, sagt er. In Frankfurt, auf dem größten Flughafen des europäischen Kontinents, kommen zwei Drittel aller Produkte an, die aus Drittländern in die EU importiert werden - auch Schmuggelware. Die wird dann entweder direkt an Privatleute weiterverschickt oder in die normalen Verkaufswege eingeschleust. Teilweise landen die Pillen sogar in den Apotheken:
" Gefälschte Medikamente sind ein echtes Risiko, weil niemand weiß, woher sie genau kommen, wer sie hergestellt hat und welche Wirkstoffe drin sind. Das kann zu schlimmen Nebenwirkungen führen. Die Fälschungen werden zu einer echten Plage - auch bei uns,"
sagt Didier Rosyn, Apotheker in Brüssel. Er beobachtet mit Sorge die wachsende Anzahl gefälschter Medikamente, und zwar überall in der Europäischen Union. In Dänemark etwa wurden in einer Apotheke erst kürzlich gefälschte Antidepressiva gefunden. Auch unter den Apothekern und Großhändlern gibt es schwarze Schafe, die mit gefälschter Arznei Geschäfte machen - sie enthielten statt des gewünschten Wirkstoffs Substanzen gegen Fettleibigkeit.
Die falschen Medikamente sind nur schwer zu erkennen. Manchmal fehlen die Beipackzettel oder die Farbe ist nicht die gleiche wie bei den Originalen. Aber es gibt keine zuverlässigen Merkmale.
Wenn die Zöllner eine Fälschung nachweisen können, dann leiten sie ein Ermittlungsverfahren ein, erklärt Lutz Zimmermann, der ebenfalls am Frankfurter Flughafen arbeitet:
" Im günstigsten Fall wird es so werden, dass der Empfänger ein Schreiben bekommt mit der Bitte, die Bestellungen solcher Sendungen im Internet zu unterlassen, weil das verboten ist. Und im ungünstigsten Fall, wenn er schon als Händler in Erscheinung getreten ist, dann muss er mit einer empfindlichen Strafe rechnen. "
Die meisten gefälschten Medikamente kommen aus China, Indien und Russland. Ihren Weg nach Europa finden sie meist über Bestellungen bei Internetapotheken. Zwar gibt es seriöse Anbieter. Aber ohne umfassende Informationen ist für den Verbraucher nur schwer zu erkennen, ob es sich um einen Betrüger handelt oder nicht. Die Stiftung Warentest bewertete kürzlich zehn von 20 Internetapotheken als mangelhaft.
Um Patienten in Europa besser zu schützen und den Markt transparenter zu machen, will die Europäische Kommission im Herbst ein Gesetzespaket vorlegen. Dabei geht es nicht um Generika, also preiswertere anerkannte Arznei-Kopien mit gleichen Wirkstoffen - sondern eben um Schmuggelware. Noch will sich bei der Behörde niemand vor dem Mikrofon dazu äußern. Aber nach Informationen von EU-Abgeordneten will die Kommission unter anderem verbieten, dass Zwischenhändler Medikamente neu verpacken dürfen - bisher ein Risiko für das Einschmuggeln von gefälschten Pillen.
Die grüne EU-Abgeordnete Hiltrud Breyer will zudem auch die europäische Pharmaindustrie in die Pflicht nehmen:
" Wir haben in Europa sehr große Preisunterschiede in den Mitgliedsstaaten - bis zu 400 Prozent. Und ich finde, dass die Europäische Kommission endlich auch im Pharmabereich recherchieren muss, ob es Preisabsprachen gibt, ob es ungerechtfertigte Monopolregelungen gibt. "
Inwieweit die großen Preisunterschiede tatsächlich den Schmuggel von billigeren Medikamenten aus Drittländern begünstigen, ist bisher noch unklar. Fest steht: Medikamentenschmuggel ist zu einem internationalen Geschäft geworden. Davon profitiert vor allem - wie bei der Fälschung von Markenkleidung - die Schattenwirtschaft in Asien und Russland.
Jede zehnte Pille, die Patienten weltweit schlucken, ist - laut Weltgesundheitsorganisation - gefälscht. Und das Bundeskriminalamt schätzt, dass mit Medikamentenschmuggel mittlerweile fast genauso viel Geld verdient wird wie mit Drogenhandel.
Die belgische EU-Abgeordnete Frédérique Ries fordert deshalb einen internationalen Pakt zum Schutz der Kranken:
" Ich wünsche mir etwas wie das Kyoto-Protokoll, eine internationale Verpflichtung. Die Fälschung von Medikamenten hat schließlich - wie der Klimawandel - tragische Auswirkungen für die künftigen Generationen. "
Nach der Sommerpause wird sich zeigen, wie weit die EU-Mitgliedsstaaten und die Pharmaindustrie gehen werden - im Kampf gegen die Medikamentenfälscher.