Zucker – Süße unserer Speisen, Gift für unsere Zähne; reine Energie, reine Chemie; ein durch Photosynthese entstandenes Konstrukt aus Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff. – 130 Millionen Tonnen Zucker jährlich werden weltweit gewonnen – zu 30 Prozent, recht teuer, aus Rüben; zu 70 Prozent, deutlich billiger, aus Zuckerrohr. Sieben Kilo Haushaltszucker im Jahr verbraucht der Durchschnittseuropäer, bedeutend mehr versteckt in Getränken und Süßigkeiten. Und in den USA und Brasilien vor allem fahren Autos mit aus Zucker gewonnenem Alkohol.
Zu den großen Produzenten des süßen Stoffs zählen Indien, die USA, China und die EU, die ihren Zucker großenteils selbst konsumieren; daneben Spitzenreiter Brasilien, Thailand und Australien, die aggressiv exportieren.
Drei Viertel der Welt-Zucker-Produktion werden im Rahmen eines beispiellosen Dschungels aus Preisgarantien, Quotenregelungen und Präferenzabkommen gehandelt. Das verbleibende Viertel dient im freien Welthandel als Puffer für bisweilen gewaltige Marktkräfte. Ende der 90er Jahre zum Beispiel schwankte der Weltmarktpreis für Zucker, binnen Monaten, zwischen vier und 12 US-Cent pro Pfund.
Spielball des Weltmarktes sind vor allem Produzenten, die von ihren Regierungen nur mäßig geschützt werden: Produzenten in Ägypten zum Beispiel, in der Dominikanischen Republik – und auf den Philippinen, wo die Insel Negros fast ausschließlich vom Zucker lebt. Seit 200 Jahren wird auf Negros Zuckerrohr angebaut – bis vor kurzem ohne jede Rücksicht auf das sensible Ökosystem der Insel, meint selbst Ramon Cu vom Forschungsinstitut der Zuckerpflanzer.
Gerade noch drei Prozent der Landfläche auf Negros sind von Regenwald bedeckt – eine Folge ungehemmter Expansion des Zuckerrohranbaus und anderer Landwirtschaftszweige in den letzten Jahrzehnten. Als Konsequenz des Abholzens ist zum einen die Zahl einheimischer Tier- und Pflanzenarten drastisch gesunken; zum anderen kommt es immer häufiger zu Flutkatastrophen – selbst bei eher mäßigem Regenfall. Es gibt einfach keine Waldböden mehr, die das Wasser binden. Die Regionen Silai, Ibi Magolana und Talisa zum Beispiel wurden in dieser Saison schon zweimal überflutet; und unsere Pflanzer dort haben schwere Verluste erlitten.
Noch vor vier Jahrzehnten war alles ganz anders. In den 50er und 60er Boom-Jahren, als die USA mit satten Quoten den Absatz des Negros-Zuckers garantierten, lebten die Plantagenbesitzer hier in Saus und Braus. Sie flogen mit dem eigenen Flugzeug mal eben zur Party nach Manila; sie warfen in den Juweliergeschäften der Provinzhauptstadt Bacolod mit Geld um sich und fuhren ganze Flotten von Cadillacs.
Mit dieser Herrlichkeit war es aus, als die USA in den 70er Jahren ihre Abnahme-Garantien zusammenstrichen, als große Getränkehersteller wie Coca-Cola teilweise auf Mais-Sirup umstiegen. Anfang der 80er Jahre brach die Zuckerindustrie auf Negros zeitweise zusammen; Bilder von verhungernden Zuckerarbeiter-Kindern gingen um die Welt; kommunistische Rebellen und Todesschwadronen der Großgrundbesitzer drangsalierten die Bevölkerung – während wirtschaftlich jeder versuchte, weg zu kommen vom Zucker. Viele Pflanzer versuchten es mit Baumwolle, Mais und Kaffee; mit Kakao, Ananas und Garnelenzucht.
Fast alles scheiterte; und in den 90er Jahren landeten fast alle Plantagen wieder beim Zucker – geschützt vorläufig von saftigen Zöllen auf Import-Zucker und durch das Recht, 13,5 Prozent der US-Zuckerimporte zu bestreiten. Der auf den Philippinen erlöste Preis liegt bei knapp dem Doppelten des Weltmarktpreises; 40.000 Plantagen auf Negros produzieren heute zehn Millionen Tonnen Zucker pro Jahr; fünf Prozent Großbetriebe besitzen einen Marktanteil von fast 60 Prozent.
"Unsere Produktivität allerdings liegt deutlich niedriger als die in Thailand oder Australien", gibt der Pflanzer und Zucker-Funktionär James Ledesma zu. "Kaum jemand hier hat in den letzten Jahrzehnten in Traktoren, Lastwagen oder Maschinen investiert. Und auf den meisten Plantagen herrscht noch immer, im Verhältnis zu den Arbeitern, das so genannte 'Dumaan'-System."
Auf einer typischen Zuckerrohrplantage hier in Negros Occidental leben die Arbeiter auf dem Land der Hacienda. Während der Saison, die maximal acht Monate dauert, arbeiten sie im Zuckerrohr; für die restliche Zeit werden sie vom Haciendero unterhalten. Er gibt seinen "Dumaan" zu essen, eine Unterkunft und irgendeine Beschäftigung. Dies kostspielige Fürsorgesystem, das man in Thailand und anderen Zucker produzierenden Ländern gar nicht kennt, haben wir von den Spaniern geerbt. Zu deren Zeit verkörperte die Hacienda eine geschlossene Dorfgemeinschaft. Und mit Zuckerrohr verdiente der Haciendero so viel, dass er keine Probleme hatte, seine Arbeiter auch außerhalb der Saison zu bezahlen.
James Ledesma hat seine bei der Stadt Kabankalan liegende Plantage von 163 Hektar seinem Sohn Joel übergeben. Der 29-jährige Joel, im "Bart Simpson"- T-Shirt am Geländewagen bastelnd, zeigt sich stolz, dass er mit 88 Tonnen Zuckerrohr pro Hektar mehr erwirtschaftet als seine Nachbarn. Er zahlt seinen Arbeitern mit 140 Pesos – drei Euro 30 – pro Tag einen relativ ordentlichen Lohn; das "Dumaan"-System aber, sagt er, sei Gift für die Arbeitsmoral seiner Leute.
Meine Mitarbeiter werden, wenn ich keine Beschäftigung für sie habe, sofort aggressiv. "Warum gibst Du uns keine Arbeit?" fragen sie. – Diese Leute besitzen einfach keine Eigeninitiative und Dynamik; sie halten sich selbst in völliger Abhängigkeit vom Plantagenbesitzer. Seit ich 1999 die Plantage übernommen habe, versuche ich diese Kultur der Passivität und Lethargie zu brechen.
Die angebliche Lethargie jener auf Joel’s Feldern schuftenden Männer und Frauen in zerrissenen T-Shirts und Baumwollhosen; Strohhüte über sonnengegerbten Gesichtern; bare Füße, die das Graubraun der rissig trockenen, strohbedeckten Erde angenommen haben. Mechanisch schlagen sie Breschen in die endlose Weite wogenden Zuckerrohrs, wuchten das Rohr auf gummibereifte Karren, vor die sie Carabaos, Wasserbüffel, gespannt haben.
Auch, was diese Carabaos angeht, setzt der junge Pflanzer auf moderne Geschäftsmethoden. Wie ein europäisches Versandhaus seine Lastwagen hat er zum Beispiel die Wasserbüfel seiner Plantage "outgesourct": Arbeiter haben mit von Joel gewährten Krediten Carabaos gekauft und vermieten diese an ihn. "Jetzt sorgen sie wenigstens für die Tiere", sagt der junge Pflanzer, der schon den nächsten Schritt im Auge hat.
Ich werde die Carabaos, die Wasserbüffel, durch Traktoren ersetzen – so, wie es etliche meiner Nachbarn schon getan haben: zwei Traktoren für vier Carabaos. – Traktoren, wissen Sie, arbeiten zuverlässig, wenn ich sie ordentlich pflege. Carabaos dagegen werden krank, sie verletzen sich oder die Führer der Carabaos werden krank. Immer gibt es Probleme mit diesen Wasserbüffeln.
Plötzlich beginnt Joel zu klagen – über das philippinische Landreformgesetz von 1988, das sein Landeigentum in Frage stellt und ihn von Investitionen abhält; über zunehmend unzufriedene Mitarbeiter.
Wenn hier ein Arbeiter sauer auf Sie ist, sagt er Ihnen das nicht. Stattdessen lässt er Ihre Zuckerrohrfelder in Flammen aufgehen. Letzten September zum Beispiel sind mir vier Hektar verbrannt. Warum – weiß ich bis heute nicht. War es, weil ich mein Verhältnis zu den Arbeitern auf neue Grundlagen zu stellen versuche? War es, weil sie mit ihrem Lohn unzufrieden sind? Oder mögen sie mich persönlich einfach nicht? Ich weiß es nicht. – Aber unter diesem Problem leiden alle Plantagenbesitzer hier. Fast überall brennt es ab und zu, weil so die Arbeiter mitteilen, dass ihnen etwas nicht gefällt.
Wahrzeichen der Zuckermühle des Städtchen Ma’ao im Süden der Insel Negros sind hoch aufragende Aluminiumschornsteine. Diese haben, in der Morgensonne silbrig glitzernd, aus der Ferne etwas Futuristisches an sich – das sich beim Näherkommen wie eine Fata Morgana verflüchtigt.
Ein bröckelndes fünfstöckiges Verwaltungsgebäude mit auf Säulen gestützten, reich verzierten Balkonen erzählt von verflossenen fetten Jahren; zerrissene Maschendrahtzäune, LKW-Ruinen und durchrostete Wellblechdächer signalisieren ein tristes Heute. Hinter einem sperrangelweit geöffneten Tor bewegungslose Monster aus riesigen Zahnrädern und Ketten, Haufen süß-sauer verrottenden Zuckerrohrs, einige gelangweilt umher stehende Männer.
Was Sie hier sehen, ist nur mehr eine Stallwache. Diese Mühle steht zur Zeit still. Weil sie angeliefertes Zuckerrohr zuletzt nicht bezahlt hat, liefern die Pflanzer jetzt an andere Mühlen. – 1999 musste die Mühle den Betrieb schon einmal einstellen. Nach einem Jahr wechselte dann der Besitzer; und in der Saison 2000/2001 lief die Mühle einigermaßen. Was jetzt wird, wissen wir nicht. Solange, jedenfalls, niemand Zuckerrohr liefert, kann die Mühle nicht arbeiten.
Der Mühle von Ma’ao geht es wie mindestens vier der 14 Zuckermühlen auf Negros: Mit ihrer völlig überholten, zum Teil 50 Jahre alten Ausrüstung produzieren sie zu teuer, um im Wettbewerb bestehen zu können. "Ma’ao beschäftigte bis vor kurzem 500 Mitarbeiter", erzählt Torwächter Manuelito Magbanoir. Jetzt lebt die ganze Stadt in Existenzangst.
Unsere Arbeiter warten geduldig auf ihren Lohn und beten für ein Ende der Krise. Natürlich haben wir alle finanzielle Probleme. Wer hat die nicht, wenn er seit über einem Monat keinen Lohn bekommen hat? – Außerdem haben wir Angst. Die Stadt Ma’ao, müssen Sie wissen, ist total abhängig von der Mühle. Bereits jetzt stöhnen die kleinen Geschäftsleute hier, weil sie den Arbeitern Kredit geben müssen. – Ihre ganze Hoffnung setzen jetzt alle auf das Versprechen des Managements, den Betrieb der Mühle nicht endgültig einzustellen. Geduldig warten und beten die Arbeiter, dass sie bald wieder ihren Lohn bekommen.
Hochbetrieb in der größten Zuckermühle der Philippinen, der außerhalb Bacolods gelegenen "Victoria’s Milling Company", VMC. Fünf, sechs Lastwagen gleichzeitig kippen Berge von Zuckerrohr in eine Grube. "Bis zu 15.000 Tonnen pro Tag", sagt Manager Nathaniel Acha. Drei, vier Mahlstufen unter Zusatz von heißem Wasser; ausgepresstes Stroh befeuert die Dampfmaschinen; der Saft wird gefiltert, zu Sirup gekocht. Zentrifugen trennen Zuckerkristalle und Melasse, einen Grundstoff für Viehfutter und Alkohol.
Ein lärmendes Getriebe gewaltiger Bänder und Mahlräder, von meterdicken Rohren und kreischenden Trommeln; ein Gewusel von Hunderten Arbeitern, die über Stahltreppen von einer aus Metallrosten konstruierten Bühne zur nächsten hasten.
Von der Mühle wandert der Rohzucker in die Raffinerie, wo der süße Stoff geschmolzen und mittels Aktivkohle von letzten Verunreinigungen befreit wird. Als blütenweiße Raffinade fällt er schließlich in schmutzig-weiße 50 Kilo-Säcke. 4,7 Millionen Sack "Victoria’s Fine Granulated Cane Sugar" verließen vergangene Saison die Mühle.
Anliefernde Pflanzer, erklärt Manager Nathaniel Acha, bekommen jede Woche einen sogenannten "Quedan", ein Eigentumspapier über 69,5 Prozent aller aus ihrem Zuckerrohr gewonnenen Produkte; 30,5 Prozent gehören der Mühle. "Quedans" sind Wertpapiere, die im innerphilippinischen Handel pro Sack frei gehandelt werden – manchmal für das Doppelte des Weltmarktpreises. Die für die USA bestimmte Exportquote von sechs Prozent erlöst etwas mehr.
"Rationalisierung um jeden Preis" heißt die Devise auch bei der "Victoria’s Milling Company", die 1997 kurz vor der Pleite stand und nur mit staatlicher Hilfe die Chance zur Sanierung bekam. Verlustbringende Geschäftszweige wie eine Reederei, die eigene Eisenbahn, Schulen für Mitarbeiter und allerlei zuckerfremdes Agro-Business wurden radikal abgestoßen; die Zahl der Mitarbeiter wurde und wird drastisch reduziert.
Wir sind keine Ausnahme in einer Welt der Industrieproduktion, wo die Zahl der Arbeitskräfte stetig sinkt und immer mehr Prozesse computerisiert wie automatisiert werden. – Wir mußten feststellen, dass wir nach wie vor viel zu viele Arbeitskräfte beschäftigen und haben deshalb gerade diesen Montag 379 Kündigungen ausgesprochen. Das tut weh; aber wir müssen überleben – im Wettbewerb mit anderen Mühlen in dieser Provinz und weltweit. Wir müssen unsere Arbeitskosten reduzieren, indem wir – soweit wie möglich – Computer und bessere Maschinen einsetzen.
"Notwendige Rationalisierungsmaßnahmen haben in den letzten Jahren auf Negros 50.000 Plantagen- und 8.000 Mühlenarbeiter freigesetzt", stellt Henry Streegan fest, 75jähriger Patriarch der "National Federation of Sugarcane Planters". "Das ist der Preis des Überlebens – im Haifischbecken eines durch Subventionen manipulierten Weltmarktes."
Zornig verweist Streegan auf – dank Vater Staat – niedrige Kreditkosten der thailändischen Konkurrenz; auf staatliche Hilfe für Bio-Alkohol der brasilianischen Konkurrenz; auf massive EU-Subventionen für 335.000 europäische Rübenzucker-Bauern.
Die Kosten der europäischen Zuckerbauern liegen, weil sie von der EU subventioniert werden, bei gerade sechs bis sieben Cent pro Pfund. – Singapur und Malaysia zum Beispiel, die keine eigene Zuckerproduktion haben, importieren deshalb diesen Zucker, raffinieren ihn und schmuggeln ihn schließlich auf die Philippinen – wo er zu unseren Lasten billig verkauft wird. – Wir fordern deshalb von der Welthandelsorganisation, der EU sämtliche Zuckersubventionen zu verbieten. Im Moment kann ja philippinischer Zucker nicht mal im eigenen Land mit EU-Zucker konkurrieren. Wir erhalten nämlich keinerlei Subventionen von unserer Regierung.
"Auch Europas Zucker-Bauern wollen leben", hat im deutschen Mannheim Rainer Düll gesagt, Sprecher des Zucker-Konzerns "Südzucker". Gut 14 Millionen Tonnen jährlich produzieren die EU-Bauern, fast ausschließlich aus Rüben. Hinzu kommen 1,7 Millionen Tonnen Rohrzucker der sogenannten AKP-Länder, früherer französischer und britischer Kolonien.
Für den größten Teil dieses Zuckers garantiert Brüssel einen beim Dreifachen des Weltmarktpreises liegenden Preis und hat nach außen unüberwindliche Zollschranken errichtet. Offizielles Ziel der 1968 eingeführten, sogenannten "EU-Zuckermarktordnung" ist es, die Bevölkerung zu angemessenen Preisen zu versorgen und zugleich den Produzenten eine gesicherte Existenz zu gewährleisten. Rainer Düll vom deutschen Marktführer Südzucker:
Für die Landwirte, die Zuckerrüben anbauen können, ist das eigentlich die Stütze überhaupt, die sie haben für ihre Betriebe. Es gibt kaum mehr Bereiche, die für den Landwirt halbwegs gewinnbringend sind – während hier im Bereich Rübenanbau, der sehr, sehr schwierig ist, der sehr viel Know-how erfordert, hat er eben eine Möglichkeit, durch diese Vertragsgestaltung diese Sicherheit und auch das Kapital, das er in das Unternehmen investiert hat, einen Grundertrag für seinen Betrieb zu bekommen, der ihm bislang das Überleben stark erleichtert hat. Ohne Rübenanbau wären viele Betriebe in dieser Form gar nicht mehr lebensfähig.
Dessenungeachtet wächst die Kritik an der EU-Zuckermarktordnung. Verbraucher klagen, dass sie jährlich 6,3 Milliarden Euro zuviel für Zucker ausgeben; Zuckerverwender wie die Getränke- und Schokolade-Industrie sehen Wettbewerbsnachteile in den hohen EU-Zuckerpreisen; Entwicklungsländer brandmarken eoropäischen Protektionismus als unfaire Behinderung des Welthandels.
Mitte 2001 zeigte der Druck auf die EU erstmals Wirkung: Die Marktordnung wurde zwar bis mindestens 2006 festgeschrieben; den 48 ärmsten Ländern jedoch, die bislang nur wenig Zucker produzieren, wird stufenweise der EU-Markt geöffnet. Einer völligen Liberalisierung des EU-Zuckermarktes, einer totalen Öffnung auch für, zum Beispiel, philippinische Produzenten, steht Rainer Düll von Südzucker sehr skeptisch gegenüber.
Auf welchem Niveau sich dann der Weltmarktpreis stabilisieren würde, ist schwer zu sagen. Statistisch wäre anzunehmen, dass er dadurch etwas steigen würde. Aber die praktische Auswirkung wäre eben für alle Landwirte in Westeuropa, dass sie den Zuckerrübenanbau aufgeben müssten und stattdessen eben Zucker auf riesigen Transportwegen aus anderen Ländern kommt und dort entsprechender Mehranbau erfolgen würde. Ob von diesen Geldern dann irgend etwas bei den echten Bauern draußen bliebe, das ist die Frage. Die bisherigen Erfahrungen sehen anders aus. Wenn man sieht die Anbauausweitungen der letzten Jahre waren in Brasilien: In Brasilien hat das überhaupt nichts mit Landwirtschaft zu tun, sondern das sind Großfirmen, wie das eben die Strukturen in Brasilien sind, eher zulasten der Landwirte; oder Australien, was ja nun bei Gott kein Entwicklungsland ist, sondern ein hochindustrialisiertes Land...
......das auch unter ganz anderen Bedingungen arbeitet. Beim Massenprodukt Zucker bleibt aus Sicht eines europäischen Herstellers für den Konsumenten schlicht die Frage, die er sich im globalisierten Markt auch sonst stellen muss: Was will ich? Ein heimisches Produkt oder ein importiertes Produkt, das unter anderen sozialen und ökologischen Standards erzeugt wurde?
Zu den großen Produzenten des süßen Stoffs zählen Indien, die USA, China und die EU, die ihren Zucker großenteils selbst konsumieren; daneben Spitzenreiter Brasilien, Thailand und Australien, die aggressiv exportieren.
Drei Viertel der Welt-Zucker-Produktion werden im Rahmen eines beispiellosen Dschungels aus Preisgarantien, Quotenregelungen und Präferenzabkommen gehandelt. Das verbleibende Viertel dient im freien Welthandel als Puffer für bisweilen gewaltige Marktkräfte. Ende der 90er Jahre zum Beispiel schwankte der Weltmarktpreis für Zucker, binnen Monaten, zwischen vier und 12 US-Cent pro Pfund.
Spielball des Weltmarktes sind vor allem Produzenten, die von ihren Regierungen nur mäßig geschützt werden: Produzenten in Ägypten zum Beispiel, in der Dominikanischen Republik – und auf den Philippinen, wo die Insel Negros fast ausschließlich vom Zucker lebt. Seit 200 Jahren wird auf Negros Zuckerrohr angebaut – bis vor kurzem ohne jede Rücksicht auf das sensible Ökosystem der Insel, meint selbst Ramon Cu vom Forschungsinstitut der Zuckerpflanzer.
Gerade noch drei Prozent der Landfläche auf Negros sind von Regenwald bedeckt – eine Folge ungehemmter Expansion des Zuckerrohranbaus und anderer Landwirtschaftszweige in den letzten Jahrzehnten. Als Konsequenz des Abholzens ist zum einen die Zahl einheimischer Tier- und Pflanzenarten drastisch gesunken; zum anderen kommt es immer häufiger zu Flutkatastrophen – selbst bei eher mäßigem Regenfall. Es gibt einfach keine Waldböden mehr, die das Wasser binden. Die Regionen Silai, Ibi Magolana und Talisa zum Beispiel wurden in dieser Saison schon zweimal überflutet; und unsere Pflanzer dort haben schwere Verluste erlitten.
Noch vor vier Jahrzehnten war alles ganz anders. In den 50er und 60er Boom-Jahren, als die USA mit satten Quoten den Absatz des Negros-Zuckers garantierten, lebten die Plantagenbesitzer hier in Saus und Braus. Sie flogen mit dem eigenen Flugzeug mal eben zur Party nach Manila; sie warfen in den Juweliergeschäften der Provinzhauptstadt Bacolod mit Geld um sich und fuhren ganze Flotten von Cadillacs.
Mit dieser Herrlichkeit war es aus, als die USA in den 70er Jahren ihre Abnahme-Garantien zusammenstrichen, als große Getränkehersteller wie Coca-Cola teilweise auf Mais-Sirup umstiegen. Anfang der 80er Jahre brach die Zuckerindustrie auf Negros zeitweise zusammen; Bilder von verhungernden Zuckerarbeiter-Kindern gingen um die Welt; kommunistische Rebellen und Todesschwadronen der Großgrundbesitzer drangsalierten die Bevölkerung – während wirtschaftlich jeder versuchte, weg zu kommen vom Zucker. Viele Pflanzer versuchten es mit Baumwolle, Mais und Kaffee; mit Kakao, Ananas und Garnelenzucht.
Fast alles scheiterte; und in den 90er Jahren landeten fast alle Plantagen wieder beim Zucker – geschützt vorläufig von saftigen Zöllen auf Import-Zucker und durch das Recht, 13,5 Prozent der US-Zuckerimporte zu bestreiten. Der auf den Philippinen erlöste Preis liegt bei knapp dem Doppelten des Weltmarktpreises; 40.000 Plantagen auf Negros produzieren heute zehn Millionen Tonnen Zucker pro Jahr; fünf Prozent Großbetriebe besitzen einen Marktanteil von fast 60 Prozent.
"Unsere Produktivität allerdings liegt deutlich niedriger als die in Thailand oder Australien", gibt der Pflanzer und Zucker-Funktionär James Ledesma zu. "Kaum jemand hier hat in den letzten Jahrzehnten in Traktoren, Lastwagen oder Maschinen investiert. Und auf den meisten Plantagen herrscht noch immer, im Verhältnis zu den Arbeitern, das so genannte 'Dumaan'-System."
Auf einer typischen Zuckerrohrplantage hier in Negros Occidental leben die Arbeiter auf dem Land der Hacienda. Während der Saison, die maximal acht Monate dauert, arbeiten sie im Zuckerrohr; für die restliche Zeit werden sie vom Haciendero unterhalten. Er gibt seinen "Dumaan" zu essen, eine Unterkunft und irgendeine Beschäftigung. Dies kostspielige Fürsorgesystem, das man in Thailand und anderen Zucker produzierenden Ländern gar nicht kennt, haben wir von den Spaniern geerbt. Zu deren Zeit verkörperte die Hacienda eine geschlossene Dorfgemeinschaft. Und mit Zuckerrohr verdiente der Haciendero so viel, dass er keine Probleme hatte, seine Arbeiter auch außerhalb der Saison zu bezahlen.
James Ledesma hat seine bei der Stadt Kabankalan liegende Plantage von 163 Hektar seinem Sohn Joel übergeben. Der 29-jährige Joel, im "Bart Simpson"- T-Shirt am Geländewagen bastelnd, zeigt sich stolz, dass er mit 88 Tonnen Zuckerrohr pro Hektar mehr erwirtschaftet als seine Nachbarn. Er zahlt seinen Arbeitern mit 140 Pesos – drei Euro 30 – pro Tag einen relativ ordentlichen Lohn; das "Dumaan"-System aber, sagt er, sei Gift für die Arbeitsmoral seiner Leute.
Meine Mitarbeiter werden, wenn ich keine Beschäftigung für sie habe, sofort aggressiv. "Warum gibst Du uns keine Arbeit?" fragen sie. – Diese Leute besitzen einfach keine Eigeninitiative und Dynamik; sie halten sich selbst in völliger Abhängigkeit vom Plantagenbesitzer. Seit ich 1999 die Plantage übernommen habe, versuche ich diese Kultur der Passivität und Lethargie zu brechen.
Die angebliche Lethargie jener auf Joel’s Feldern schuftenden Männer und Frauen in zerrissenen T-Shirts und Baumwollhosen; Strohhüte über sonnengegerbten Gesichtern; bare Füße, die das Graubraun der rissig trockenen, strohbedeckten Erde angenommen haben. Mechanisch schlagen sie Breschen in die endlose Weite wogenden Zuckerrohrs, wuchten das Rohr auf gummibereifte Karren, vor die sie Carabaos, Wasserbüffel, gespannt haben.
Auch, was diese Carabaos angeht, setzt der junge Pflanzer auf moderne Geschäftsmethoden. Wie ein europäisches Versandhaus seine Lastwagen hat er zum Beispiel die Wasserbüfel seiner Plantage "outgesourct": Arbeiter haben mit von Joel gewährten Krediten Carabaos gekauft und vermieten diese an ihn. "Jetzt sorgen sie wenigstens für die Tiere", sagt der junge Pflanzer, der schon den nächsten Schritt im Auge hat.
Ich werde die Carabaos, die Wasserbüffel, durch Traktoren ersetzen – so, wie es etliche meiner Nachbarn schon getan haben: zwei Traktoren für vier Carabaos. – Traktoren, wissen Sie, arbeiten zuverlässig, wenn ich sie ordentlich pflege. Carabaos dagegen werden krank, sie verletzen sich oder die Führer der Carabaos werden krank. Immer gibt es Probleme mit diesen Wasserbüffeln.
Plötzlich beginnt Joel zu klagen – über das philippinische Landreformgesetz von 1988, das sein Landeigentum in Frage stellt und ihn von Investitionen abhält; über zunehmend unzufriedene Mitarbeiter.
Wenn hier ein Arbeiter sauer auf Sie ist, sagt er Ihnen das nicht. Stattdessen lässt er Ihre Zuckerrohrfelder in Flammen aufgehen. Letzten September zum Beispiel sind mir vier Hektar verbrannt. Warum – weiß ich bis heute nicht. War es, weil ich mein Verhältnis zu den Arbeitern auf neue Grundlagen zu stellen versuche? War es, weil sie mit ihrem Lohn unzufrieden sind? Oder mögen sie mich persönlich einfach nicht? Ich weiß es nicht. – Aber unter diesem Problem leiden alle Plantagenbesitzer hier. Fast überall brennt es ab und zu, weil so die Arbeiter mitteilen, dass ihnen etwas nicht gefällt.
Wahrzeichen der Zuckermühle des Städtchen Ma’ao im Süden der Insel Negros sind hoch aufragende Aluminiumschornsteine. Diese haben, in der Morgensonne silbrig glitzernd, aus der Ferne etwas Futuristisches an sich – das sich beim Näherkommen wie eine Fata Morgana verflüchtigt.
Ein bröckelndes fünfstöckiges Verwaltungsgebäude mit auf Säulen gestützten, reich verzierten Balkonen erzählt von verflossenen fetten Jahren; zerrissene Maschendrahtzäune, LKW-Ruinen und durchrostete Wellblechdächer signalisieren ein tristes Heute. Hinter einem sperrangelweit geöffneten Tor bewegungslose Monster aus riesigen Zahnrädern und Ketten, Haufen süß-sauer verrottenden Zuckerrohrs, einige gelangweilt umher stehende Männer.
Was Sie hier sehen, ist nur mehr eine Stallwache. Diese Mühle steht zur Zeit still. Weil sie angeliefertes Zuckerrohr zuletzt nicht bezahlt hat, liefern die Pflanzer jetzt an andere Mühlen. – 1999 musste die Mühle den Betrieb schon einmal einstellen. Nach einem Jahr wechselte dann der Besitzer; und in der Saison 2000/2001 lief die Mühle einigermaßen. Was jetzt wird, wissen wir nicht. Solange, jedenfalls, niemand Zuckerrohr liefert, kann die Mühle nicht arbeiten.
Der Mühle von Ma’ao geht es wie mindestens vier der 14 Zuckermühlen auf Negros: Mit ihrer völlig überholten, zum Teil 50 Jahre alten Ausrüstung produzieren sie zu teuer, um im Wettbewerb bestehen zu können. "Ma’ao beschäftigte bis vor kurzem 500 Mitarbeiter", erzählt Torwächter Manuelito Magbanoir. Jetzt lebt die ganze Stadt in Existenzangst.
Unsere Arbeiter warten geduldig auf ihren Lohn und beten für ein Ende der Krise. Natürlich haben wir alle finanzielle Probleme. Wer hat die nicht, wenn er seit über einem Monat keinen Lohn bekommen hat? – Außerdem haben wir Angst. Die Stadt Ma’ao, müssen Sie wissen, ist total abhängig von der Mühle. Bereits jetzt stöhnen die kleinen Geschäftsleute hier, weil sie den Arbeitern Kredit geben müssen. – Ihre ganze Hoffnung setzen jetzt alle auf das Versprechen des Managements, den Betrieb der Mühle nicht endgültig einzustellen. Geduldig warten und beten die Arbeiter, dass sie bald wieder ihren Lohn bekommen.
Hochbetrieb in der größten Zuckermühle der Philippinen, der außerhalb Bacolods gelegenen "Victoria’s Milling Company", VMC. Fünf, sechs Lastwagen gleichzeitig kippen Berge von Zuckerrohr in eine Grube. "Bis zu 15.000 Tonnen pro Tag", sagt Manager Nathaniel Acha. Drei, vier Mahlstufen unter Zusatz von heißem Wasser; ausgepresstes Stroh befeuert die Dampfmaschinen; der Saft wird gefiltert, zu Sirup gekocht. Zentrifugen trennen Zuckerkristalle und Melasse, einen Grundstoff für Viehfutter und Alkohol.
Ein lärmendes Getriebe gewaltiger Bänder und Mahlräder, von meterdicken Rohren und kreischenden Trommeln; ein Gewusel von Hunderten Arbeitern, die über Stahltreppen von einer aus Metallrosten konstruierten Bühne zur nächsten hasten.
Von der Mühle wandert der Rohzucker in die Raffinerie, wo der süße Stoff geschmolzen und mittels Aktivkohle von letzten Verunreinigungen befreit wird. Als blütenweiße Raffinade fällt er schließlich in schmutzig-weiße 50 Kilo-Säcke. 4,7 Millionen Sack "Victoria’s Fine Granulated Cane Sugar" verließen vergangene Saison die Mühle.
Anliefernde Pflanzer, erklärt Manager Nathaniel Acha, bekommen jede Woche einen sogenannten "Quedan", ein Eigentumspapier über 69,5 Prozent aller aus ihrem Zuckerrohr gewonnenen Produkte; 30,5 Prozent gehören der Mühle. "Quedans" sind Wertpapiere, die im innerphilippinischen Handel pro Sack frei gehandelt werden – manchmal für das Doppelte des Weltmarktpreises. Die für die USA bestimmte Exportquote von sechs Prozent erlöst etwas mehr.
"Rationalisierung um jeden Preis" heißt die Devise auch bei der "Victoria’s Milling Company", die 1997 kurz vor der Pleite stand und nur mit staatlicher Hilfe die Chance zur Sanierung bekam. Verlustbringende Geschäftszweige wie eine Reederei, die eigene Eisenbahn, Schulen für Mitarbeiter und allerlei zuckerfremdes Agro-Business wurden radikal abgestoßen; die Zahl der Mitarbeiter wurde und wird drastisch reduziert.
Wir sind keine Ausnahme in einer Welt der Industrieproduktion, wo die Zahl der Arbeitskräfte stetig sinkt und immer mehr Prozesse computerisiert wie automatisiert werden. – Wir mußten feststellen, dass wir nach wie vor viel zu viele Arbeitskräfte beschäftigen und haben deshalb gerade diesen Montag 379 Kündigungen ausgesprochen. Das tut weh; aber wir müssen überleben – im Wettbewerb mit anderen Mühlen in dieser Provinz und weltweit. Wir müssen unsere Arbeitskosten reduzieren, indem wir – soweit wie möglich – Computer und bessere Maschinen einsetzen.
"Notwendige Rationalisierungsmaßnahmen haben in den letzten Jahren auf Negros 50.000 Plantagen- und 8.000 Mühlenarbeiter freigesetzt", stellt Henry Streegan fest, 75jähriger Patriarch der "National Federation of Sugarcane Planters". "Das ist der Preis des Überlebens – im Haifischbecken eines durch Subventionen manipulierten Weltmarktes."
Zornig verweist Streegan auf – dank Vater Staat – niedrige Kreditkosten der thailändischen Konkurrenz; auf staatliche Hilfe für Bio-Alkohol der brasilianischen Konkurrenz; auf massive EU-Subventionen für 335.000 europäische Rübenzucker-Bauern.
Die Kosten der europäischen Zuckerbauern liegen, weil sie von der EU subventioniert werden, bei gerade sechs bis sieben Cent pro Pfund. – Singapur und Malaysia zum Beispiel, die keine eigene Zuckerproduktion haben, importieren deshalb diesen Zucker, raffinieren ihn und schmuggeln ihn schließlich auf die Philippinen – wo er zu unseren Lasten billig verkauft wird. – Wir fordern deshalb von der Welthandelsorganisation, der EU sämtliche Zuckersubventionen zu verbieten. Im Moment kann ja philippinischer Zucker nicht mal im eigenen Land mit EU-Zucker konkurrieren. Wir erhalten nämlich keinerlei Subventionen von unserer Regierung.
"Auch Europas Zucker-Bauern wollen leben", hat im deutschen Mannheim Rainer Düll gesagt, Sprecher des Zucker-Konzerns "Südzucker". Gut 14 Millionen Tonnen jährlich produzieren die EU-Bauern, fast ausschließlich aus Rüben. Hinzu kommen 1,7 Millionen Tonnen Rohrzucker der sogenannten AKP-Länder, früherer französischer und britischer Kolonien.
Für den größten Teil dieses Zuckers garantiert Brüssel einen beim Dreifachen des Weltmarktpreises liegenden Preis und hat nach außen unüberwindliche Zollschranken errichtet. Offizielles Ziel der 1968 eingeführten, sogenannten "EU-Zuckermarktordnung" ist es, die Bevölkerung zu angemessenen Preisen zu versorgen und zugleich den Produzenten eine gesicherte Existenz zu gewährleisten. Rainer Düll vom deutschen Marktführer Südzucker:
Für die Landwirte, die Zuckerrüben anbauen können, ist das eigentlich die Stütze überhaupt, die sie haben für ihre Betriebe. Es gibt kaum mehr Bereiche, die für den Landwirt halbwegs gewinnbringend sind – während hier im Bereich Rübenanbau, der sehr, sehr schwierig ist, der sehr viel Know-how erfordert, hat er eben eine Möglichkeit, durch diese Vertragsgestaltung diese Sicherheit und auch das Kapital, das er in das Unternehmen investiert hat, einen Grundertrag für seinen Betrieb zu bekommen, der ihm bislang das Überleben stark erleichtert hat. Ohne Rübenanbau wären viele Betriebe in dieser Form gar nicht mehr lebensfähig.
Dessenungeachtet wächst die Kritik an der EU-Zuckermarktordnung. Verbraucher klagen, dass sie jährlich 6,3 Milliarden Euro zuviel für Zucker ausgeben; Zuckerverwender wie die Getränke- und Schokolade-Industrie sehen Wettbewerbsnachteile in den hohen EU-Zuckerpreisen; Entwicklungsländer brandmarken eoropäischen Protektionismus als unfaire Behinderung des Welthandels.
Mitte 2001 zeigte der Druck auf die EU erstmals Wirkung: Die Marktordnung wurde zwar bis mindestens 2006 festgeschrieben; den 48 ärmsten Ländern jedoch, die bislang nur wenig Zucker produzieren, wird stufenweise der EU-Markt geöffnet. Einer völligen Liberalisierung des EU-Zuckermarktes, einer totalen Öffnung auch für, zum Beispiel, philippinische Produzenten, steht Rainer Düll von Südzucker sehr skeptisch gegenüber.
Auf welchem Niveau sich dann der Weltmarktpreis stabilisieren würde, ist schwer zu sagen. Statistisch wäre anzunehmen, dass er dadurch etwas steigen würde. Aber die praktische Auswirkung wäre eben für alle Landwirte in Westeuropa, dass sie den Zuckerrübenanbau aufgeben müssten und stattdessen eben Zucker auf riesigen Transportwegen aus anderen Ländern kommt und dort entsprechender Mehranbau erfolgen würde. Ob von diesen Geldern dann irgend etwas bei den echten Bauern draußen bliebe, das ist die Frage. Die bisherigen Erfahrungen sehen anders aus. Wenn man sieht die Anbauausweitungen der letzten Jahre waren in Brasilien: In Brasilien hat das überhaupt nichts mit Landwirtschaft zu tun, sondern das sind Großfirmen, wie das eben die Strukturen in Brasilien sind, eher zulasten der Landwirte; oder Australien, was ja nun bei Gott kein Entwicklungsland ist, sondern ein hochindustrialisiertes Land...
......das auch unter ganz anderen Bedingungen arbeitet. Beim Massenprodukt Zucker bleibt aus Sicht eines europäischen Herstellers für den Konsumenten schlicht die Frage, die er sich im globalisierten Markt auch sonst stellen muss: Was will ich? Ein heimisches Produkt oder ein importiertes Produkt, das unter anderen sozialen und ökologischen Standards erzeugt wurde?