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Blackbox Flakon
Ungesunde Duftstoffe in Parfums

Immer wieder werden Schadstoffe in Parfums gefunden, die dort nicht hineingehören oder in der gefundenen Dosis die zulässigen Mengen überschreiten. Die Substanzen können problematisch für die menschliche Gesundheit sein, nicht nur für Allergiker.

Von Daniela Siebert | 09.09.2019
Kosmetikprodukte von verschiedenen Herstellern in einem Regal in einer Douglas-Filiale in Dortmund
Öko-Test hat mehrfach Parfums untersucht - auch mit problematischem Befunde (Bernd Thissen/dpa)
Sie riechen herb, frisch, blumig, nach Maiglöckchen, Rosen oder Erdbeeren - Parfums. Die Auswahl auf dem Markt ist grenzenlos und Geschmackssache. Und eigentlich können sich Verbraucher bei der Anwendung auch sicher sein. Denn das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das als Behörde für die gesundheitsrelevante Beurteilung von Substanzen zuständig ist, beruhigt.
Auf Dlf-Anfrage schreibt es: Generell gelte, "für alle Kosmetika, die in der EU auf den Markt kommen, muss der Hersteller beziehungsweise In-Verkehr-Bringer eine Sicherheitsbewertung der Inhaltsstoffe und des Produkts machen, die in einem Dossier schriftlich festgehalten wird. Die Landesuntersuchungsämter können diese Dossiers prüfen. Man kann deshalb davon ausgehen, dass in der EU auf den Markt gebrachte Kosmetika für den Verbraucher sicher sind."
Damit ist auch klar: Für Parfums, die außerhalb Europas gekauft wurden, etwa als Reisemitbringsel, können ganz andere Produktions- und Inhaltsanforderungen gelten. Aber auch innerhalb der EU kann nicht völlige Entwarnung gegeben werden. Zum einen, weil kritische Untersuchungen - wie sie auch die Zeitschrift Öko-Test des Öfteren durchführt - immer wieder problematische Befunde liefern. Zum andern, weil in Parfums Chemiecocktails enthalten sind, über die vieles gar nicht bekannt ist, wie Marike Kolossa betont, Toxikologin am Umweltbundesamt. Das fängt schon bei den Duftstoffen an:
"Also es gibt 26 deklarationspflichtige Duftstoffe. Die sind deklarationspflichtig, weil sie eben allergieauslösend sind. Insgesamt gibt es aber ungefähr 3.000 Duftstoffe und das ist durchaus nicht so, dass alle Duftstoffe auf ihr sensibilisierendes und allergisierendes Potential hin untersucht worden sind."
Bis zu 50 Komponenten werden gemischt.
Über jeden einzelnen Duftstoff sei toxikologisch nur wenig bekannt, bedauert die Wissenschaftlerin, aber das Problem ist noch komplizierter. Für einen einzigen Parfum-Geruch würden bis zu 50 Komponenten gemischt, so Marike Kolossa, manche davon in so geringer Menge, dass sie bei den Inhaltsangaben nicht aufgelistet werden müssten. Eine Black Box also, für Verbraucher, Wissenschaftler und Kontrolleure. Auch eine Wirkungsprüfung der Komponenten sei so nicht möglich, betont die Toxikologin vom Umweltbundesamt.
Untersuchungen wie die von Öko-Test zeigen aber auch, dass immer wieder bekannte Schadstoffe in Parfums gefunden werden, die dort gar nicht reingehören oder die in der gefundenen Dosis die zulässigen Mengen überschreiten. 2017 fand Öko-Test in einer Untersuchung von 20 Parfums den Weichmacher DEHP, PVC, künstlichen Moschusduft und den Duftstoff Cashmeran. Alle aus Sicht der Zeitschrift mit unterschiedlichen Gesundheitsrisiken verbunden.
Solche Substanzen sind aus unterschiedlichen Gründen problematisch für die menschliche Gesundheit. Da wären zum Beispiel hormonell wirksame Stoffe wie die in Parfums beliebten UV-Filter Benzophenon-3 oder Ethylhexyl Methoxycinnamat.
"Ebenso wie die Benzophenone hat es eben eine östrogene Aktivität, und das ist eine Beeinflussung letztendlich des Hormonstoffwechsels."
Im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu schädigen
DEHP wiederum dürfte laut EU-Kosmetikverordnung erst gar nicht in Parfums vorkommen. Denn solche Phtalate gelten als fortpflanzungsgefährdend, warnt Marike Kolossa, besonders für Männer, und zwar bereits wenn sie als Embryo heranwachsen. Ebenso wird DEP, Diethylphtalat immer wieder gefunden. Das ist erlaubt und nicht fruchtschädigend, allerdings reichert es sich im menschlichen Körper an. Gesundheitliche Folgen: unklar.
Diverse Parfum-Inhaltsstoffe stehen im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu schädigen. Aktuell ist deshalb zum Beispiel der Duftstoff "Lilial" umstritten. Riecht nach Maiglöckchen. Chemisch: Butylphenyl Methylpropional.
"Man hat in Experimenten gesehen, dass er Fruchtbarkeit beeinflussen kann, das sind natürlich nie Daten vom Menschen, sondern aus Tierversuchen. Wenn Stoffe nachweislich fruchtbarkeitsschädigend sind, dürfen sie in solchen Produkten nicht angewendet werden. Wenn sie im Verdacht stehen, dürfen sie zum Teil in bestimmten Mengen in Produkten enthalten sein."
Die deutschen und europäischen Gesundheitsbehörden haben bei Parfums immer wieder nachgesteuert. Viele Inhaltsstoffe, die früher beliebt waren, Moschus etwa, wurden inzwischen verboten. Auch die Duftstoffe Atranol, Chloratranol und Lyral verbietet die EU-Kosmetikverordnung inzwischen. Doch über viele neuere Substanzen und Mischungen wisse man einfach zu wenig, warnt Marike Kolossa. Verbrauchern rät sie daher zum einen: kein Parfum im nichteuropäischen Ausland kaufen, weil dort die hiesigen Schutzmechanismen nicht greifen. Ganz allgemein empfiehlt sie:
"Nicht direkt auf die Haut sprühen, sondern eher auf die Kleidung und sobald ich den Eindruck hätte, dass es lokale Reaktionen auslöst, oder mir irgendwie damit nicht gut geht, würde ich es wechseln oder weglassen."