Larres: Die war nicht schlecht. Die Reden Blairs sind eigentlich nicht schlecht. Er ist schon ein guter Rhetoriker. Aber ob er seine Anhänger wirklich mit dieser Rede befriedigt hat, das ist ja die Frage, denn er hat nichts Neues gesagt. Er hat im Grunde das wiederholt, was jeder ohnehin schon wusste.
Meurer: Mit seinem Eingeständnis, die Geheimdienstberichte über Massenvernichtungswaffen seien falsch gewesen, hat Blair damit ein wenig innerparteilich Boden gutmachen können?
Larres: Nein, das ist nicht anzunehmen, denn dass die Informationen falsch waren, ist natürlich schon seit Wochen in der Debatte. Das hat auch Blair und seine Anhänger schon am Rande zugegeben, dass es da durchaus Probleme gab. Worum es geht, ist, dass Blair einfach zugestehen müsste, dass er selbst einen Fehler gemacht hat und dass seine Einschätzung der Situation falsch war, und das sagt er nach wie vor nicht. Es ist natürlich auch schwer für ihn das zu sagen, denn das würde seine gesamte Politik im Irak unterminieren, und sich selbst so zu destabilisieren, das würde wahrscheinlich kaum ein Premierminister machen.
Meurer: War es denn ein Fehler gewesen, an der Seite der USA in den Irak zu marschieren?
Larres: Aus der Sicht der Mehrheit der britischen Wähler war es sicherlich ein Fehler. Aus der Sicht Tony Blairs war es, glaube ich, kein Fehler. Tony Blair glaubt wirklich daran, dass die Politik, Saddam Hussein loszuwerden, in den Irak einzumarschieren, das Land zu besetzen und für die Demokratie und die Freiheit angeblich vorzubereiten, dass das die richtige Strategie war. Man weiß natürlich nicht, was er wirklich tief im Innersten denkt, wenn er ganz alleine ist usw. Aber so wie er rüberkommt, seine Überzeugungskraft, muss man sagen, dass er tatsächlich an diese Politik glaubt.
Meurer: War es sozusagen der Reflex gewesen, die angloamerikanische Achse zu vertreten, die Tony Blair sozusagen die Hand geführt hat bei seiner Politik?
Larres: Ja, meines Erachtens sicherlich. Ich glaube schon, dass Tony Blair moralisch angetrieben ist und glaubt, dass Saddam Hussein aus moralischen Gründen kein Recht hat, ein Land zu führen, dass er ein schlimmer Diktator war, der hier abgesetzt werden musste. Auf der anderen Seite war es natürlich ganz klar, dass der Kampf an der Seite der USA Großbritannien weiter die "special relationship" ermöglichen würden und ein besonderes Verhältnis mit den USA weiter aufrechterhalten würde. Blair hat sicherlich nicht mit dem Widerstand im Irak nach dem Krieg und in der britischen Bevölkerung gerechnet. Aus seiner Sicht war es ganz klar von nationaler Bedeutung für Großbritannien, zusammen mit den USA in den Krieg zu ziehen, statt wie Deutschland und Frankreich sich gegen die USA zu stellen. Eine solche Politik, sich gegen die Supermacht zu stellen, hielt Tony Blair für wenig sinnvoll und für schädlich.
Meurer: Wenn man Tony Blair für einen Moment mit Maggie Thatcher vergleicht, Thatcher hat auch lange Zeit eine unpopuläre Innenpolitik, Wirtschaftspolitik betrieben, ist aber sozusagen für ihre Zähigkeit und Ausdauer dann doch von der Bevölkerung belohnt worden. Könnte das bei Blair ähnlich sein, dass seine Standfestigkeit Eindruck macht?
Larres: Ich glaube, eher nicht. Zunächst muss man natürlich sagen, Margaret Thatcher war trotz des Falkland-Kriegs nicht mit einer ähnlichen Krise wie in diesem Irak-Krieg konfrontiert. Das ist schon ein großer Unterschied. Auch hat Margaret Thatcher sich im Zweifelsfall gegen die USA ausgesprochen. Man denke nur an die Invasion Grenadas, einer britischen Kolonie durch die Amerikaner unter Präsident Reagan. Margaret Thatcher hat wütend in Washington angerufen und Reagan angeschnauzt, was das denn soll und warum die Briten nicht informiert worden sind. So etwas würde man Blair nicht zutrauen. Das hat Margaret Thatcher in der britischen Bevölkerung ein relativ hohes Ansehen gebracht, dass sie sich auch gegen Freunde wendet und ihre Meinung eben offen sagt. Nicht zu Unrecht wird Blair vorgeworfen, dass er ein Pudel der Amerikaner wäre, er würde immer wieder Ja sagen, was auch Bush und seine Leute von ihm fordern würden, er hätte kein Rückgrat, er würde nicht sich gegen die Amerikaner aufbegehren und auf seiner eigenen Position bestehen. Das ist sicherlich ein wenig übertrieben, aber ein Funke Wahrheit ist da schon dran.
Meurer: Jetzt hat Tony Blair gestern angekündigt, der Nahost-Friedensprozess solle für ihn oberste Priorität bekommen, er wolle sich persönlich einschalten. Was bedeutet das?
Larres: Na ja, das wüsste man natürlich gerne. Der Nahost-Friedensprozess, die so genannte "road map" stand ja vor Monaten schon auf der Tagesordnung mit dem Krieg oder kurz nach dem Krieg im Irak. Mittlerweile ist die "road map" offiziell als tot erklärt worden. Das alles hat man schon gehört. Jeder weiß natürlich, dass das Palästina-Israel-Problem erst einmal angegangen werden muss, um die Probleme im Nahen Osten in den Griff zu bekommen. Wie das aber zu gestalten ist und ob Tony Blair damit tatsächlich in Washington landen kann - denn das ist ja wirklich das Wichtige -, das steht doch sehr in den Sternen.
Meurer: Die EU hat ziemlich wenig Einfluss im Nahen Osten. Hat Großbritannien auf Grund seine historischen Rolle dort vielleicht mehr Einfluss?
Larres: Grundsätzlich hätte Großbritannien durchaus Einfluss im Nahen Osten. Dem britischen Foreign Office wird immer nachgesagt, es sei eher auf der Seite der Araber zu finden als auf der Seite Israels. Auch wenn das eine etwas einfache Darstellung der Lage ist, ist das nicht ganz falsch. Von daher haben die Briten auch durch ihre traditionelle Politik, Geschichte und Einflussnahme im Nahen Osten über die Jahrzehnte und Jahrhunderte durchaus größeren Einfluss als die meisten anderen europäischen Länder. Aber es kommt natürlich auf die Amerikaner an. Die einzigen, die im Nahen Osten wirklich etwas bewegen können, die zum Beispiel tatsächlich Druck auf Israel ausüben können, nicht zuletzt mit finanziellen Mitteln, das sind die USA. Großbritannien oder die EU oder andere Länder alleine können da überhaupt nichts bewegen. Falls die USA nicht mitziehen, dann kann Blair soviel reden wie er möchte, das klappt einfach nicht. Er muss das zusammen mit Bush oder einem Präsidenten Kerry machen.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.
Meurer: Mit seinem Eingeständnis, die Geheimdienstberichte über Massenvernichtungswaffen seien falsch gewesen, hat Blair damit ein wenig innerparteilich Boden gutmachen können?
Larres: Nein, das ist nicht anzunehmen, denn dass die Informationen falsch waren, ist natürlich schon seit Wochen in der Debatte. Das hat auch Blair und seine Anhänger schon am Rande zugegeben, dass es da durchaus Probleme gab. Worum es geht, ist, dass Blair einfach zugestehen müsste, dass er selbst einen Fehler gemacht hat und dass seine Einschätzung der Situation falsch war, und das sagt er nach wie vor nicht. Es ist natürlich auch schwer für ihn das zu sagen, denn das würde seine gesamte Politik im Irak unterminieren, und sich selbst so zu destabilisieren, das würde wahrscheinlich kaum ein Premierminister machen.
Meurer: War es denn ein Fehler gewesen, an der Seite der USA in den Irak zu marschieren?
Larres: Aus der Sicht der Mehrheit der britischen Wähler war es sicherlich ein Fehler. Aus der Sicht Tony Blairs war es, glaube ich, kein Fehler. Tony Blair glaubt wirklich daran, dass die Politik, Saddam Hussein loszuwerden, in den Irak einzumarschieren, das Land zu besetzen und für die Demokratie und die Freiheit angeblich vorzubereiten, dass das die richtige Strategie war. Man weiß natürlich nicht, was er wirklich tief im Innersten denkt, wenn er ganz alleine ist usw. Aber so wie er rüberkommt, seine Überzeugungskraft, muss man sagen, dass er tatsächlich an diese Politik glaubt.
Meurer: War es sozusagen der Reflex gewesen, die angloamerikanische Achse zu vertreten, die Tony Blair sozusagen die Hand geführt hat bei seiner Politik?
Larres: Ja, meines Erachtens sicherlich. Ich glaube schon, dass Tony Blair moralisch angetrieben ist und glaubt, dass Saddam Hussein aus moralischen Gründen kein Recht hat, ein Land zu führen, dass er ein schlimmer Diktator war, der hier abgesetzt werden musste. Auf der anderen Seite war es natürlich ganz klar, dass der Kampf an der Seite der USA Großbritannien weiter die "special relationship" ermöglichen würden und ein besonderes Verhältnis mit den USA weiter aufrechterhalten würde. Blair hat sicherlich nicht mit dem Widerstand im Irak nach dem Krieg und in der britischen Bevölkerung gerechnet. Aus seiner Sicht war es ganz klar von nationaler Bedeutung für Großbritannien, zusammen mit den USA in den Krieg zu ziehen, statt wie Deutschland und Frankreich sich gegen die USA zu stellen. Eine solche Politik, sich gegen die Supermacht zu stellen, hielt Tony Blair für wenig sinnvoll und für schädlich.
Meurer: Wenn man Tony Blair für einen Moment mit Maggie Thatcher vergleicht, Thatcher hat auch lange Zeit eine unpopuläre Innenpolitik, Wirtschaftspolitik betrieben, ist aber sozusagen für ihre Zähigkeit und Ausdauer dann doch von der Bevölkerung belohnt worden. Könnte das bei Blair ähnlich sein, dass seine Standfestigkeit Eindruck macht?
Larres: Ich glaube, eher nicht. Zunächst muss man natürlich sagen, Margaret Thatcher war trotz des Falkland-Kriegs nicht mit einer ähnlichen Krise wie in diesem Irak-Krieg konfrontiert. Das ist schon ein großer Unterschied. Auch hat Margaret Thatcher sich im Zweifelsfall gegen die USA ausgesprochen. Man denke nur an die Invasion Grenadas, einer britischen Kolonie durch die Amerikaner unter Präsident Reagan. Margaret Thatcher hat wütend in Washington angerufen und Reagan angeschnauzt, was das denn soll und warum die Briten nicht informiert worden sind. So etwas würde man Blair nicht zutrauen. Das hat Margaret Thatcher in der britischen Bevölkerung ein relativ hohes Ansehen gebracht, dass sie sich auch gegen Freunde wendet und ihre Meinung eben offen sagt. Nicht zu Unrecht wird Blair vorgeworfen, dass er ein Pudel der Amerikaner wäre, er würde immer wieder Ja sagen, was auch Bush und seine Leute von ihm fordern würden, er hätte kein Rückgrat, er würde nicht sich gegen die Amerikaner aufbegehren und auf seiner eigenen Position bestehen. Das ist sicherlich ein wenig übertrieben, aber ein Funke Wahrheit ist da schon dran.
Meurer: Jetzt hat Tony Blair gestern angekündigt, der Nahost-Friedensprozess solle für ihn oberste Priorität bekommen, er wolle sich persönlich einschalten. Was bedeutet das?
Larres: Na ja, das wüsste man natürlich gerne. Der Nahost-Friedensprozess, die so genannte "road map" stand ja vor Monaten schon auf der Tagesordnung mit dem Krieg oder kurz nach dem Krieg im Irak. Mittlerweile ist die "road map" offiziell als tot erklärt worden. Das alles hat man schon gehört. Jeder weiß natürlich, dass das Palästina-Israel-Problem erst einmal angegangen werden muss, um die Probleme im Nahen Osten in den Griff zu bekommen. Wie das aber zu gestalten ist und ob Tony Blair damit tatsächlich in Washington landen kann - denn das ist ja wirklich das Wichtige -, das steht doch sehr in den Sternen.
Meurer: Die EU hat ziemlich wenig Einfluss im Nahen Osten. Hat Großbritannien auf Grund seine historischen Rolle dort vielleicht mehr Einfluss?
Larres: Grundsätzlich hätte Großbritannien durchaus Einfluss im Nahen Osten. Dem britischen Foreign Office wird immer nachgesagt, es sei eher auf der Seite der Araber zu finden als auf der Seite Israels. Auch wenn das eine etwas einfache Darstellung der Lage ist, ist das nicht ganz falsch. Von daher haben die Briten auch durch ihre traditionelle Politik, Geschichte und Einflussnahme im Nahen Osten über die Jahrzehnte und Jahrhunderte durchaus größeren Einfluss als die meisten anderen europäischen Länder. Aber es kommt natürlich auf die Amerikaner an. Die einzigen, die im Nahen Osten wirklich etwas bewegen können, die zum Beispiel tatsächlich Druck auf Israel ausüben können, nicht zuletzt mit finanziellen Mitteln, das sind die USA. Großbritannien oder die EU oder andere Länder alleine können da überhaupt nichts bewegen. Falls die USA nicht mitziehen, dann kann Blair soviel reden wie er möchte, das klappt einfach nicht. Er muss das zusammen mit Bush oder einem Präsidenten Kerry machen.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.
