Archiv

Blattgold aus Schwabach
Goldener Oktober, hauchdünn gehämmert

Das mittelfränkische Schwabach ist ein weltweit anerkanntes Zentrum für die Blattgoldherstellung. Denn dort herrscht konstant eine niedrige Luftfeuchtigkeit, die für den Herstellungsprozess wichtig ist. Seit fünf Jahrhunderten siedeln hier deshalb die Goldschläger, so auch der größte europäische Blattgoldbetrieb Noris.

Von Klaus Lockschen |
    Der Vergolder und Fassmaler Karl Günter Rohr vergoldet am 30.04.2013 im Dom in Mainz (Rheinland-Pfalz) den "Domsgickel". Der Wetterhahn des Mainzer Doms wird in den Räumen des Diözesanmuseums im Mainzer Dom vergoldet.
    Der Vergolder und Fassmaler Karl Günter Rohr vergoldet im Dom in Mainz (Rheinland-Pfalz) den "Domsgickel". (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Wer im fränkischen Schwabach zur Firma Noris will, der kann dem gleichnamigen Bach stadtauswärts gen Osten folgen und sich von einem eigenwilligen Heavy-Metal-Rhythmus leiten lassen. Der dringt aus einer am Waldrand gelegenen, ehemaligen Ockermühle, in der seit den 1970ern die größte europäische Goldschlägerei Blattgold herstellt. Ein romantischer Ort, ließe sich nur das Gehör abschalten.
    Der 40-jährige Armin Haferung, Geschäftsführer des Familienunternehmens und in vierter Generation Goldschlägermeister, empfängt: ""Gold ist so ein Material, was eigentlich keiner richtig braucht - aber jeder möchte," sagt er. "Und so gibt es dieses Verlangen in der ganzen Welt."
    In Ansätzen auch bei ihm. Auf seinem Sideboard glänzt eine Gitarre. Haferung erklärt, die sei ein Geschenk des Vergolders gewesen: "Der hat Gitarren für die Scorpions vergoldet und in dem Zuge noch eine weitere vergoldet, und die hat er mir als Geschenk gegeben."
    Rund 100 Personen beschäftigt das Unternehmen, etwa 80 in Produktion und Blattgoldschnitt, der Rest in europäischen Vertriebsbüros.
    Blattgoldherstellung, erklärt Armin Haferung, habe sich in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch verändert. Bis dahin seien zahlreiche Arbeitsschritte nur mit reiner Muskelkraft schweißtreibend mit bis zu zwölf Kilo schweren Hämmern zu meistern gewesen: "Diese Automatisierung ist so Anfang der 80er-Jahre gestartet und ist dann immer vorangetrieben, entwickelt und verfeinert worden. Heute ist es wesentlich hochwertiger, das Blattgold, automatisiert produziert als mit der Hand."
    Das Unternehmen hat dabei auf Eigeninitiative gesetzt, denn Maschinen für die Blattgoldproduktion finden sich in keinem Katalog, sagt Haferung: "Wir sind in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen, weil wir in einen eigenen Maschinenbau investiert haben."
    Feinarbeit aus Expertenhand
    Nur noch eine Handvoll Unternehmen übt in Deutschland das Goldschlagen aus. Alle in Schwabach. Die Stadt liegt in einem Sandkessel, der die Luftfeuchtigkeit konstant hält. Fürs Goldschlagen unabdingbar, sonst klebt das Material. Seit dem Mittelalter ist Schwabach das Weltzentrum der Blattgoldfertigung. Auch heute noch werden hier etwa 40 Prozent der weltweiten Nachfrage bedient.
    Der 62-jährige Goldschlägermeister Dieter Drotleff führt durch den Betrieb. Dicht an dicht stehen mannshohe Safes. Drotleff greift nach einem kleinen Plastikgefäß. Darin ein, zwei Zentimeter Goldgranulat: "Müssen es mal anfassen, wie schwer Gold ist", fordert er auf, "ziemlich schwer. Zwei Kilo. Sie haben in der Hand ungefähr momentan bei dem Goldpreis 64.000 Euro."
    Je nach Farbwunsch wird Gold zusammen mit etwas Silber oder Kupfer bei 1.300 Grad geschmolzen und in Form gegossen. Der Kilobarren hat dann eine Größe von 20 mal vier mal 0,5 Zentimetern. Nach dem Abkühlen machen konische Walzen das Stück von Durchgang zu Durchgang immer länger, aber nicht breiter. Eine Erfindung von Leonardo da Vinci, erklärt Drotleff: "Walzen, weichglühen, walzen, weichglühen, bis wir die Dünne haben zum ersten Schlagen des Goldes."
    Dann ist aus dem Barren ein gut 100 Meter langes und vier Zentimeter breites Band geworden, dünn wie Zeitungspapier.
    Eine Maschine schneidet es in Quadrate von vier Zentimetern und legt diese mittig auf kachelgroßes Pergaminpapier, Butterbrotpapier. Abwechselnd Papier, Gold, Papier, Gold, bis 600 Blatt aufeinanderliegen. Mit dem von zwei Ledermanschetten umhüllten Packen geht es hinunter in den Schlagraum. Dort drischt die Quetsche, der automatische Hammer, über Stunden beständig mit 80 Kilo auf die Form ein. Bis das Gold sechs tausendstel Millimeter dünn ist.
    Stück für Stück wird es nun mit einem Beschneidungskarren in neun Teile geschnitten und mit einer Ebenholzzange erneut mittig auf Papier gebracht. Damit die Goldblättchen nicht ankleben, werden die Trennblätter mit flinker Hand vorab mit einer Gipsmischung bestäubt.
    Wieder zur Form gestapelt und mit Leder verzurrt, geht es abermals unter den Hammer, beschreibt Drotleff weiter: "Es wird dann geschlagen zu einer Größe von 18 mal 18 Zentimetern. Da hat das Gold dann eine Dünne von 1/1.000 Millimeter."
    Erneut werden die Blättchen geschnitten und letztmalig in der Dünnschlagform über Stunden zwischen Plastikfolien geschlagen. Noch zehnmal dünner. Es gebe kein Metall, das sich so dünn schlagen lasse wie Gold, erklärt der Handwerksmeister: "Bis zu einem 14.000stel Millimeter runter. Das heißt, Sie legen 14.000 Blatt aufeinander, haben Sie einen Millimeter. Es ist so dünn, man kann durchschauen wie durch Fensterglas."
    Letzter Schritt ist das Schneiden der Goldblättchen mit dem Schnittkarren in Quadrate mit acht Zentimetern Seitenlänge. Rasend schnell und penibel genau. Die werden vorsichtig hineingelegt in ein Büchlein mit 25 Seiten Seidenpapier und sind dann versandbereit.
    Exportschlager Blattgold
    15 bis 20 Kilo Gold verarbeitet das Unternehmen wöchentlich, im Jahr und eine Tonne. Über den Umsatz hält sich der Firmenchef bedeckt. Und obwohl der Feingoldpreis stark schwankt, wirke sich das auf Blattgold nur verhalten aus. Schließlich sei dessen Preis stark gebunden an den Herstellungsprozess und daher relativ fix, so Armin Haferung.
    Der größte Teil der goldenen Blättchen gehe in den Export. In über 50 Länder werde geliefert, wobei Russland in der Vergangenheit wie verrückt gekauft habe. Wegen der dortigen Wirtschaftskrise werde momentan aber weniger ordert. Und stolz zeigt er sich, dass die Berliner Siegessäule seit 2011 mit fast zwei Kilogramm Gold aus seinem Haus in neuem Glanz erstrahlt.