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Blattschuss, Blei und Brandenburg

Der Naturschutzbund NABU hat zur Eröffnung der Jagdsaison ein bundesweites Verbot von bleihaltiger Munition gefordert. Untersuchungen des Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin hatten ergeben, dass vor allem Seeadler qualvoll an Bleivergiftungen verenden. Brandenburg ist das erste Bundesland, in dem Jäger nun nicht mehr mit Blei schießen dürfen.

Von Maren Schibilsky |
    Gregor Beyer schleicht durchs Unterholz. In einem Waldstück unweit von Angermünde. Seine hellbraune Jagdbüchse hat er geschultert. Die trägt in ihrem Magazin besondere Fracht:

    "Das ist ein Vollkupfergeschoss. Ein Deformationsgeschoss, das heißt es gibt keinen Splitter ab. Es wird sich im Wildkörper deformieren, aber als solches im Komplex erhalten bleiben."

    Seit drei Jahren schießt Gregor Beyer bleifrei. Freiwillig. Denn der Hobbyjäger ist überzeugter Vogelschützer. Dreißig Prozent aller Seeadler in Brandenburg verenden jährlich an Bleivergiftungen. Besonders im Winter fressen sie die Innereien geschossener Rehe und Hirsche. Mit Bleispuren versetzt. Das haben Untersuchungen von Rostocker Pathologen unter dem Elektronenrastermikroskop nachgewiesen.

    "Blei sollte generell aus unserer Landschaft verschwinden. Und mittlerweile sind diese Ersatzmunitionen hinreichend verfügbar, so dass es eigentlich keinen Grund gibt, sofort umzusteigen."

    Das Land Brandenburg hat reagiert: Seit 1. April ist der Einsatz bleihaltiger Munition im gesamten Landeswald verboten. Johannes Marder vom Landwirtschafts- und Umweltministerium:

    "Zum anderen geht’s aber darum ein Signal zu senden in andere Bundesländer hin. Es gibt andere Staaten der europäischen Union, die da weiter sind als wir, die mutige Schritte gehen. Und wir haben gesagt, wir müssen in Brandenburg hier dieses Zeichen setzen."

    Dänemark und die Niederlande sind Vorreiter beim Bleischrotverbot. Schweden plant den totalen Ausstieg bleihaltiger Munition bis 2008. Lutz Dolling vom Landesjagdverband Brandenburg hält nicht viel davon. Mit Blei wird erfolgreich seit über einhundert Jahren geschossen:

    "Blei ist in seiner Deformationsfähigkeit, tötungseffizienter als andere Geschosse, die in der Regel aus Kupfer bestehen oder aus ähnlichen Materialien. Um Wild möglichst schnell und entsprechend dem Tierschutzgesetz zu töten, ist es notwendig, dass ich eine entsprechende durchflächige Verletzung des Tieres erreiche, die dann auch möglichst zum schlagartigen Verenden führt."

    Viele Jäger zweifeln an der Effektivität von Alternativmunition. Ein Grund vielleicht, warum sich nicht andere Bundesländern dem Brandenburger Bleiverbot angeschlossen haben. Nur Berlin will in seinen Forsten mitmachen. Gregor Beyer kann die Vorbehalte gegenüber Alternativmunition nicht teilen.

    "Ich habe jetzt in den knapp drei Jahren 200 Stück Schalenwild geschossen. Es gilt das, was immer bei der Jagd gilt, der Schuss muss sitzen, man muss treffen, man muss gut schießen können. Aber die Wirkung dieser Geschosse ist ähnlich. Man muss natürlich die Waffe gut umschießen. Das ist klar, auf die neue Munition einschießen. Aber dann konnte ich noch keine Erfahrungen machen, dass die Munition nicht wirken würde."

    Um die aufgeheizte Diskussion zu entschärfen, startet Brandenburg gleichzeitig zu seinem Bleiverbot ein groß angelegtes Monitoring im Landeswald. Ab ersten Mai für vier Jahre. Am Ende soll es Empfehlungen für die Jäger geben. Johannes Marder vom Landwirtschafts- und Umweltministerium Brandenburg.

    "Die Auswertung soll einerseits die Frage klären: Ist genug Munition da. Kann man an die Munition problemlos herankommen. Zweitens kann man ähnlich gut mit diesen Waffen, die man einschießen muss, ein ähnlich gutes Ergebnis erzielen. Es soll jeder einzelne Schuss protokolliert werden: Wie ist das Trefferbild. Wie wurde das Tier getötet, wie erfolgreich war dieser Schuss. Hat es irgendwelche besonderen Vorkommnisse gegeben."

    Außerdem soll geklärt werden, ob nicht auch Alternativgeschosse aus Kupfer, Nickel oder anderen Metallen den Greifvögeln Probleme bereiten. Erst dann gibt’s wieder Ruhe im Wald, nachdem die Büchse knallt.