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Blaualgen im Binnensee

Der Dümmer See ist der zweitgrößte Binnensee Niedersachsens. Er liegt am Rande der norddeutschen Tiefebene und das wird ihm seit Jahren zum Verhängnis, denn diese Ebene wird landwirtschaftlich intensiv genutzt.

Von Susanne Schrammar | 14.10.2011
    Die hohe Dichte an Mastbetrieben und Maisfeldern lassen die Stickstoff- und Phosphatwerte in Boden und Grundwasser steigen, vom Acker werden die Düngemittel außerdem in die Flüsse geschwemmt und die Substanzen gelangen dann unter anderem in den Dümmer. Diese Eutrophierung - oder Überdüngung - fördert das Wachstum der giftigen Cyanobakterien, die im Volksmund auch Blaualgen genannt werden. Für die Ökologie des Gewässers ist das eine Katastrophe, für die Anwohner auch.

    Die Sommersaison ist vorbei am Dümmer See. Vor dem Oststrand in Lembruch kreuzt ein Segelschiff, ein Labrador schwimmt im Seewasser, das klar in kleinen Wellen an den Strand gespült wird. Eine Naturidylle. Anfang September sah es hier noch ganz anders aus: Segelschiffe kamen schwarz zurück. Badegäste und Spaziergänger mieden den Dümmer, weil eine dicke Schicht Blaualgen das Wasser bedeckte. In den Hafenbecken schwammen überall tote Fische, Schwärme von Mücken flogen. Vor dem Bootshaus des örtlichen Segelvereins sind noch jetzt die schlammigbraunen Überreste der Blaualgenplage zu sehen und noch immer liegt ein fauliger Gestank in der Luft.

    "Das ist ein Hafenbecken, da liegen normalerweise Schiffe drin, wir haben die Schiffe jetzt raus genommen, diese Becken ist im Sommer teilweise komplett blau und stinkt erbärmlich. Also, sie können hier in der Umgebung nicht auf der Terrasse sitzen, ohne eine Wäscheklammer zu tragen. Die Leute, die hier vorbei gehen, gehen einfach einen Schritt schneller und ekeln sich."

    Keine guten Bedingungen für Bootsverleiher wie Jörg Böse. Der 46-Jährige veranstaltet Kanu- und Radtouren am Dümmer und hat wie alle, die vom Binnensee leben, eine schlechte Saison hinter sich. Das Problem Blaualgen kennen wir seit Jahrzehnten, sagt Böse, doch es wird immer schlimmer und die Touristen bleiben weg. So langsam, klagt der Unternehmer, gehe es an die wirtschaftliche Substanz.

    "Sie möchten hier keinen Urlaub machen, geschweige denn Ihre Kinder baden lassen oder Tretboot fahren oder so etwas. Da sucht man sich dann einen anderen Platz."

    Der Dümmer See ist flach und er ist mit Nährstoffen überlastet, vor allem mit Phosphor und Stickstoff. Das führt dazu, dass sich die Cyanobakterien, besser bekannt als Blaualgen, in den Sommermonaten rasant vermehren. Zersetzen sie sich, kommt der Gestank. Durch den geringen Sauerstoff im Dümmer sterben zudem Pflanzen und Fische ab und auf dem Seegrund setzt sich Faulschlamm ab. Frank Apffelstaedt ist Biologe und arbeitet für den Naturschutzring Dümmer. Stickstoff und Phosphat, erklärt er und zeigt auf den Fluss Hunte, werden über die Zuläufe des Sees eingebracht. In der Region gibt es viele Viehzüchter, für die enorme Mengen Futter angebaut wird, hinzu kommt der Bedarf für die Biogasanlagen. Die Felder rechts und links neben den Flussläufen reichen direkt bis ans Ufer.

    "Durch den intensiven Anbau von Futter, Mais, Getreide bis an die Gewässer ran, das ist eigentlich die indirekte Wirkung, dass man die Flächen einfach nicht anders nutzt, zum Beispiel als extensives Grünland, was schon so ein bisschen an Nährstoffbelastung wegnehmen würde. Hier am Dümmer direkt haben wir noch das Problem, dass wir auch Niedermoorböden haben, also Niedermoor hat einen sehr hohen Anteil an organischer Substanz und wenn darauf geackert wird oder auch Torf abgebaut wird, dann zersetzt der sich wie ein Komposthaufen. Nährstoffe werden frei."

    Die Landesregierung in Niedersachsen hat bereits in den 80er-Jahren ein Sanierungskonzept für den Dümmer beschlossen. Doch es hat lange gedauert, bis konkrete Schritte umgesetzt wurden und die sind teuer. Im vergangenen Jahr ist die Umleitung des Bornbachs, einer der Zuflüsse, für zehn Millionen Euro fertiggestellt worden. Danach sank der Phosphatgehalt im Dümmer, doch die Algen kamen wieder. Jetzt ist Stufe Zwei des Sanierungskonzeptes von CDU und FDP in Niedersachsen dran: Ein sogenannter Großschilfpolder, eine Art natürliches Klärwerk, dass das Wasser im Fluss Hunte filtern soll. Rund 20 Millionen Euro soll der Großschilfpolder kosten, doch die finanziellen Mittel dafür sind noch nicht bewilligt worden. Stefan Birkner, Staatssekretär im niedersächsischen Umweltministerium:

    "Bis man in die Umsetzungsphase gehen kann, brauchen wir sicher noch ein Jahr. Es müssen noch weitere Untersuchungen stattfinden, um überhaupt zu einer Entscheidung zu kommen, wie es überhaupt mit dem Großschilfpolder weiter gehen kann. Der nächste Schritt ist dann, dass dafür die entsprechenden Haushaltsmittel bereitgestellt werden müssten und das ist dann eine politische Diskussion, für die wir zunächst einmal jetzt mit Untersuchungen - die wir jetzt sehr kurzfristig in Auftrag gegeben haben aufgrund der dramatischen Entwicklung dieses Jahres - die Grundlagen schaffen."

    Das dauert den Betroffenen viel zu lange. Ausflugsveranstalter Böse wünscht sich, dass der Dümmer stärker entschlammt wird, Biologe Apffelstaedt fordert, dass die Naturschutzbehörden die ufernahe Landwirtschaft an den Zuflüssen des Dümmers verbieten und Gewässerrandstreifen schaffen, um den Nährstoffeintrag grundsätzlich zu reduzieren.

    "Was aus meiner Sicht viel nachhaltiger wäre. Natürlich hätte man durch einen Großschilfpolder eine Filterwirkung des Wassers, aber das eigentliche Problem ist immer noch nicht gelöst."