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Blaualgen in Binnenseen

An heißen Tagen zeigt sich an den Ufern von Badeseen oft ein unangenehmes Phänomen: In kleinen Buchten bilden sich blaugrüne Teppiche, die vor allem aus Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, bestehen. Weil diese Algen Gifte produzieren können, ist hier Vorsicht angebracht. Seit einem Jahr erforschen Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei zusammen mit der BTU Cottbus, der brandenburgischen Technischen Universität und dem Umweltbundesamt die Entwicklung dieser Cyanobakterien.

Von Maren Schibilsky |
    Alle zwei Wochen sticht die Gewässerökologin Claudia Wiedner mit ihrem Forschungsschiff in See. Sie geht auf Bakterienfang in Brandenburgs Gewässern. In rund 150 Seen beobachten sie und ihr Forscherteam die Entwicklung von Cyanobakterien. Eigentlich faszinierende Lebewesen, die vor 2,5 Milliarden Jahren unseren Planeten besiedelten. Ihnen verdanken wir den Sauerstoff in der Atmosphäre.

    Doch für den Badespaß im Sommer sind sie eher lästig. Weil sie bei warmen Temperaturen das Wasser eintrüben und blaugrüne Teppiche bilden.

    "Cyanobakterien sind eigentlich in jedem See. Wenn das Wasser klar ist, besteht überhaupt kein Problem baden zu gehen, auch wenn Cyanobakterien drin sind. Sie sind immer und überall. Je trüber das Wasser wird, um so eher müssen wir davon ausgehen, dass viele Cyanobakterien da sind. Und dass eventuell diese Cyanobakterien auch Giftproduzenten sind."

    Bis heute wissen die Forscher nicht, warum einige Arten Toxine produzieren. Andere aber nicht. Nur ein winziger Bruchteil aller Cyanobakterien sind Giftproduzenten. Es sind Leber- und Nervengifte, die in hohen Konzentrationen Übelkeit, Durchfall, Erbrechen oder allergische Reaktionen auslösen können. Doch welche Cyanobakterien im Wasser schwimmen, weiß man nicht.

    "Deshalb sollte man, wenn das Wasser trüber ist und man möchte trotzdem baden gehen, vielleicht nicht so viel Wasser schlucken und danach duschen. Wenn das Wasser ganz trübe ist - was man übrigens selbst messen kann, wenn man bis zum Knie im Wasser steht und die Füße nicht mehr sieht -, dann sollte man auf das Baden verzichten."

    In den letzten Jahren ist die Bakterienbelastung zurückgegangen. Durch den Bau von Kläranlagen und durch den Einsatz phosphatfreier Waschmittel gelangen weniger Nährstoffe in unsere Seen.

    Doch die Forscher beobachten einen neuen Trend. Durch den Klimawandel steigt die durchschnittliche Wassertemperatur. Im Berliner Müggelsee um 0.05 Grad pro Jahr. Und das ist ein Entwicklungsvorteil für die 'Cyanos'. Besonders für tropische Arten, die seit Jahren hier einwandern, erzählt die Gewässerökologin Claudia Wiedner:

    "Prinzipiell fördert die Gewässererwärmung das Wachstum von den Cyanobakterien, das heißt, je wärmer es wird, umso schneller können sie wachsen, um so größer wird auch die Biomasse, die sie aufbauen können. Von daher unterstützt der Klimawandel die Dominanz der Cyanobakterien."

    In ihrer Heimat produzieren einige tropische Arten auch Gifte. In Australien zum Beispiel, wo sie bei der Trinkwassergewinnung aus Talsperren Probleme bereiten. Deshalb erforscht das Umweltbundesamt, ob solche eingewanderten Cyanotoxine über die natürliche Uferfiltration abgebaut werden. Also durch winzige Mikroorganismen am Grund des Sees, wenn aus Oberflächenwasser Trinkwasser gewonnen wird. Erste Ergebnisse gibt es für das sogenannte Lebergift Cylindrospermopsin, berichtet Sondra Klitzke vom Umweltbundesamt:

    "Die Laborversuche haben hier gezeigt, dass nach einer gewissen Anpassungszeit der Mikroorganismen es zu einem vollständigen Abbau von Cylindrospermopsin kommt. Im Freiland haben unsere Daten ergeben, dass dieser Abbau sehr stark abhängig ist von der Fließrate, mit der das Wasser das Sediment passiert. Und hierbei zeigt sich, dass der Abbau nur bei sehr geringen Fließraten stattfindet und dabei aber nicht vollständig."

    Noch sind viele Fragen ungeklärt, wie sich Cyanobakterien künftig verhalten. Besonders wenn sich die Lebensgemeinschaften in den Seen durch den Klimawandel verändern.
    Beim Baden sollte man jedoch gelassen bleiben und sich mit der Badeentscheidung an den Sichttiefen im See orientieren.