Lange: Der neue Friedensplan war gerade mal verabredet, da war er auch schon wieder vom Tisch gewischt. Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wird weiter gestorben, so als hätte es die Übereinkunft von Akaba nicht gegeben. Das Nahostquartett besteht aus der UNO, der Europäischen Union, der USA und Russland will sich in der nächsten Woche in Jordanien treffen, um zu sehen, ob noch was zu retten ist, aber die Ratlosigkeit ist mit Händen zu greifen. Sie ist so groß, dass jetzt ein Vorschlag Konjunktur hat, der bisher eigentlich als undurchführbar galt: eine bewaffnete Blauhelmtruppe für den Nahen Osten. Was ist davon zu halten? Der ehemalige Bundeswehrgeneral Manfred Eisele hat im Generalsekretariat der UNO jahrelang die Einsätze der Blauhelmsoldaten koordiniert, er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Eisele.
Eisele: Grüß Gott, Herr Lange.
Lange: Herr Eisele, können Sie sich vorstellen, dass eine Blauhelm- oder Friedenstruppe im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zum gegenwärtigen Stadium etwas ausrichten kann?
Eisele: Vorstellbar ist das natürlich schon, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen würden. Wir müssen ja sehen, dass wir seit 1948 bereits eine UN-Truppe in Jerusalem haben, 155 unbewaffnete Militärbeobachter, deren Nützlichkeit der Sicherheitsrat offensichtlich als so hoch einschätzt, dass er ihre Präsenz immer weiter fortschreibt. Es gibt darüber hinaus eine Blauhelmtruppe auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien, eine im Südlibanon und es gab erfolgreiche bewaffnete Blauhelmeinsätze im Gazastreifen und am Suez-Kanal. Denkbar wäre das schon, allerdings setzt es voraus, dass beide Konfliktparteien der Stationierung solcher Blauhelme zustimmen würden und was wohl in dieser Lage besonders schwierig sein würde: es setzt voraus, dass genügend Länger bereit wären, solche Blauhelmsoldaten in diese überaus schwierige Konfliktlage zu entsenden.
Lange: Die Zustimmung der Konfliktparteien ist das eine, aber muss sich nicht auch der Konflikt - sagen wir es mal salopp - etwas abgekühlt haben, bevor da Blauhelme reinkönnen?
Eisele: Sicher. Es ist eine unrealistische Annahme, dass die Präsenz einer internationalen Truppe, die letztlich den Frieden bringen kann, wenn hierzu der politische Wille bei beiden Konfliktparteien nicht spürbar vorhanden ist.
Lange: Wie müsste denn das Mandat einer solchen Truppe aussehen oder wie robust, wie das neuerdings heißt, müsste es sein?
Eisele: Es müsste eben tatsächlich den Blauhelmsoldaten die Möglichkeit geben, auch mit Waffengewalt auf das feindselige Verhalten beider Konfliktparteien zu antworten, aber etwas, was für die Stationierung einer Blauhelmtruppe besonders kritisch wäre in Palästina und Israel, ist die Tatsache, dass es hier keine eindeutig definierten geographischen Grenzen gibt, also keine Trennungslinien. Bevor man sich hier nicht politisch geeinigt hat, sehe ich eigentlich keine realistische Chance für eine Stationierung von Blauhelmen.
Lange: Aber Kofi Annan, der UNO-Generalsekretär, sprach ja zuletzt von einer Pufferzone, in der solch eine Truppe stationiert werden sollte. Das würde ja bedeuten, dass das erst in einem sehr späten Stadium käme.
Eisele: Richtig, diese Pufferzone ließ sich vor etlichen Jahren, 1956 am Suez-Kanal und unmittelbar danach auch entlang des Gazastreifens relativ einfach einrichten, weil hier eindeutige, auch geographische Gegebenheiten vorlagen. Aber angesichts dieser Gemengelage mit israelisch kontrollierten Gebieten um israelische Siedlungen herum und der Zerrissenheit des palästinensischen Siedlungsgebietes, halte ich die Einrichtung einer Pufferzone derzeit nicht für einen realistischen Ansatz.
Lange: Können Sie sich vorstellen, wenn es dazu käme, dass sich Deutschland daran beteiligt?
Eisele: Grundsätzlich ist Deutschland ein hochgeschätztes Mitglied der Vereinten Nationen und erfreut sich auch in beiden Lagern, das heißt sowohl bei den Israelis als auch bei den Palästinensern, durchaus eines hohen Ansehens, so dass das eine Frage sein würde, die Deutschland nach seinen eigenen auch technischen Möglichkeiten einschätzen müsste. Die Entscheidung darüber wäre also in Berlin zu treffen, aber ich sähe keine Gründe, die Deutschland hier aus dem Kreise der möglichen Truppensteller grundsätzlich ausschließen sollte.
Lange: Wenn sie diese ganze Diskussion politisch bewerten, ist sie am Ende vielleicht doch nur Ausdruck der Hilflosigkeit, wie man mit dieser Situation umgeht? Denn bisher war das doch im Grunde eine Sache, die ausgeschlossen war.
Eisele: Ich meine, dass die Entsendung von Blauhelmen in einem späteren Stadium einer friedlichen Entwicklung der Lage im Nahen Osten durchaus ein zusätzliches Element der Stabilisierung bieten kann. Derzeit glaube ich, ist es eher, wie Sie gesagt haben, ein Ausdruck des Suchens nach Auswegen und da klammert man sich auch an die kleinste Hoffnung, auch wenn das nur eine theoretische ist.
Lange: Also auch die Machbarkeitsstudie, die der französische Außenminister in Auftrag geben will im Grunde überflüssig?
Eisele: Solche Studien sind sicher hilfreich, weil sie der Politik sämtliche Aspekte einer möglichen, theoretisch denkbaren Lösung deutlich machen und sie sind die Voraussetzung, damit kluge politische Entscheidungen getroffen werden, insofern halte ich eine Machbarkeitsstudie für einen sinnvollen Ansatz.
Lange: In den Informationen am Morgen war das Manfred Eisele, ehemals Bundeswehrgeneral und Koordinator der UNO-Blauhelmeinsätze. Dankeschön für das Gespräch dun auf Wiederhören.
Eisele: Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Eisele: Grüß Gott, Herr Lange.
Lange: Herr Eisele, können Sie sich vorstellen, dass eine Blauhelm- oder Friedenstruppe im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zum gegenwärtigen Stadium etwas ausrichten kann?
Eisele: Vorstellbar ist das natürlich schon, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür vorliegen würden. Wir müssen ja sehen, dass wir seit 1948 bereits eine UN-Truppe in Jerusalem haben, 155 unbewaffnete Militärbeobachter, deren Nützlichkeit der Sicherheitsrat offensichtlich als so hoch einschätzt, dass er ihre Präsenz immer weiter fortschreibt. Es gibt darüber hinaus eine Blauhelmtruppe auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien, eine im Südlibanon und es gab erfolgreiche bewaffnete Blauhelmeinsätze im Gazastreifen und am Suez-Kanal. Denkbar wäre das schon, allerdings setzt es voraus, dass beide Konfliktparteien der Stationierung solcher Blauhelme zustimmen würden und was wohl in dieser Lage besonders schwierig sein würde: es setzt voraus, dass genügend Länger bereit wären, solche Blauhelmsoldaten in diese überaus schwierige Konfliktlage zu entsenden.
Lange: Die Zustimmung der Konfliktparteien ist das eine, aber muss sich nicht auch der Konflikt - sagen wir es mal salopp - etwas abgekühlt haben, bevor da Blauhelme reinkönnen?
Eisele: Sicher. Es ist eine unrealistische Annahme, dass die Präsenz einer internationalen Truppe, die letztlich den Frieden bringen kann, wenn hierzu der politische Wille bei beiden Konfliktparteien nicht spürbar vorhanden ist.
Lange: Wie müsste denn das Mandat einer solchen Truppe aussehen oder wie robust, wie das neuerdings heißt, müsste es sein?
Eisele: Es müsste eben tatsächlich den Blauhelmsoldaten die Möglichkeit geben, auch mit Waffengewalt auf das feindselige Verhalten beider Konfliktparteien zu antworten, aber etwas, was für die Stationierung einer Blauhelmtruppe besonders kritisch wäre in Palästina und Israel, ist die Tatsache, dass es hier keine eindeutig definierten geographischen Grenzen gibt, also keine Trennungslinien. Bevor man sich hier nicht politisch geeinigt hat, sehe ich eigentlich keine realistische Chance für eine Stationierung von Blauhelmen.
Lange: Aber Kofi Annan, der UNO-Generalsekretär, sprach ja zuletzt von einer Pufferzone, in der solch eine Truppe stationiert werden sollte. Das würde ja bedeuten, dass das erst in einem sehr späten Stadium käme.
Eisele: Richtig, diese Pufferzone ließ sich vor etlichen Jahren, 1956 am Suez-Kanal und unmittelbar danach auch entlang des Gazastreifens relativ einfach einrichten, weil hier eindeutige, auch geographische Gegebenheiten vorlagen. Aber angesichts dieser Gemengelage mit israelisch kontrollierten Gebieten um israelische Siedlungen herum und der Zerrissenheit des palästinensischen Siedlungsgebietes, halte ich die Einrichtung einer Pufferzone derzeit nicht für einen realistischen Ansatz.
Lange: Können Sie sich vorstellen, wenn es dazu käme, dass sich Deutschland daran beteiligt?
Eisele: Grundsätzlich ist Deutschland ein hochgeschätztes Mitglied der Vereinten Nationen und erfreut sich auch in beiden Lagern, das heißt sowohl bei den Israelis als auch bei den Palästinensern, durchaus eines hohen Ansehens, so dass das eine Frage sein würde, die Deutschland nach seinen eigenen auch technischen Möglichkeiten einschätzen müsste. Die Entscheidung darüber wäre also in Berlin zu treffen, aber ich sähe keine Gründe, die Deutschland hier aus dem Kreise der möglichen Truppensteller grundsätzlich ausschließen sollte.
Lange: Wenn sie diese ganze Diskussion politisch bewerten, ist sie am Ende vielleicht doch nur Ausdruck der Hilflosigkeit, wie man mit dieser Situation umgeht? Denn bisher war das doch im Grunde eine Sache, die ausgeschlossen war.
Eisele: Ich meine, dass die Entsendung von Blauhelmen in einem späteren Stadium einer friedlichen Entwicklung der Lage im Nahen Osten durchaus ein zusätzliches Element der Stabilisierung bieten kann. Derzeit glaube ich, ist es eher, wie Sie gesagt haben, ein Ausdruck des Suchens nach Auswegen und da klammert man sich auch an die kleinste Hoffnung, auch wenn das nur eine theoretische ist.
Lange: Also auch die Machbarkeitsstudie, die der französische Außenminister in Auftrag geben will im Grunde überflüssig?
Eisele: Solche Studien sind sicher hilfreich, weil sie der Politik sämtliche Aspekte einer möglichen, theoretisch denkbaren Lösung deutlich machen und sie sind die Voraussetzung, damit kluge politische Entscheidungen getroffen werden, insofern halte ich eine Machbarkeitsstudie für einen sinnvollen Ansatz.
Lange: In den Informationen am Morgen war das Manfred Eisele, ehemals Bundeswehrgeneral und Koordinator der UNO-Blauhelmeinsätze. Dankeschön für das Gespräch dun auf Wiederhören.
Eisele: Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio