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Blick auf die Polkappen

Umwelt. – Morgen starten die USA einen weiteren Erdbeobachtungssatelliten von der Luftwaffenbasis Vandenberg in Kalifornien. ICESat, soll die Veränderungen in den Polregionen ausmachen und verfolgen. 590 Kilometer über den Polen wird er messen, wie viel Eis in jedem Winter hinzukommt und wie viel im Sommer abschmilzt. Denn falls diese Süßwasserreserven schmelzen, dürfte das tiefgreifende Veränderungen auslösen.

    Von Dagmar Röhrlich

    Viele Kilometer sind die Eisschilde mächtig, die Grönland und die Antarktis bedecken. Mehr als 90 Prozent des Frischwassers auf der Erde sind hier gefangen. Es ist ein gigantisches Reservoir. Bliebe aller Schnee, der hier fällt, gefroren, sänke der Meeresspiegel pro Jahrzehnt um siebeneinhalb Zentimeter. Allerdings wird etwa der gleiche Betrag durch das Abschmelzen von Eisbergen und Gletschern wieder frei. Seit zehn Jahren nun messen die Wissenschaftler einen Anstieg des Meeresspiegels um zwei Millimeter pro Jahr – und sie fragen sich, woher dieses zusätzliche Wasser kommt? Zwar heißt es generell, dass sich das Klima erwärmt und die polaren Eisschilde abschmelzen – aber es gibt weder für Grönland noch für die Antarktis Daten über das alles entscheidende Landesinneren. Messungen existieren nur für die Randzonen, und auch da sind die Werte nicht einheitlich. Waleed Abdulati, Direktor des Eisforschungsprogramms der NASA:

    In den Polarregionen passiert viel. Einiges davon verstehen wir, anderes nicht. / Seit den späten 90er Jahren wissen wir, dass der grönländische Eisschild an seinen Rändern schmilzt und zwar stärker als erwartet. Aber während die einen Gletscher schneller fließen und ausdünnen, werden andere langsamer und wachsen. Zudem haben wir nur sehr rare Daten darüber, wie es im Inneren aussieht. Aber hier zeigt sich keine Veränderung. Es scheinen sehr komplexe Ereignisse abzulaufen. Gleiches gilt für die Antarktis.

    Schmilzt das Eis "netto" oder wachsen die Eisschilde oder bleiben sie gleich? Die Lösung soll der Laserhöhenmesser von ICESat finden. Der Satellit soll erstmals Höhe und Topographie der polaren Eisschilde präzise vermessen und jede Änderung verzeichnen. GLAS heißt der Laser, der dazu an Bord arbeitet. 40 Mal in der Sekunde feuert das System einen Laserstrahl ab, und so bekommt man alle 170 Meter einen Messwert. Abdulati:

    ICEsat unterscheidet sich von allen anderen Satelliten im Erdorbit durch seinen aktiven Lasersensor. Er sendet sehr, sehr kurze Lasersignale zum Boden und misst die Laufzeit, die der an der Oberfläche reflektierte Strahl braucht, um wieder bei ICESat anzukommen. So bekommen wir eine Menge Informationen über Höhenveränderungen, und damit können wir die Veränderungen im Eisschild genau erkennen. Die Radarmessungen, die man vor allem für Meeresmessungen einsetzt, haben längst nicht die Präzision der Messungen von ICESat.

    Auch wenn er nicht über den Polen fliegt, wird ICESat messen und deshalb rund um den Globus die Masse und Höhe von Wolken und Aerosolen bestimmen, ebenso Veränderungen in der Landschaft und der Vegetation. Abdulati:

    Alle 183 Tage wiederholt ICESat seinen Orbit. Er setzt Überfluglinie dicht an Überfluglinie, bis er die Ausgangsflugbahn wieder erreicht hat. So bekommen wir einen direkten Datenvergleich. Während über dem Äquator die Überfluglinien weiter auseinander sind, erhalten wir über den Polregionen ein Netz mit einer besonderen Datendichte.

    Durch die regelmäßigen Überflüge steigert sich die Genauigkeit des Instruments in den Polregionen auf zwei Zentimeter. Eine Prognose haben die ICESat-Forscher: Sie rechnen mit einem Anstieg sowohl beim Schmelzen an Rand der Eisschilde als auch beim Schneefall im Landesinneren. Es wird ihrer Meinung nach also ein Rennen zwischen diesen beiden Effekten geben.