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Blick in den Vorhof der Hölle

Astronomie. – Schwarze Löcher, so die Theorie der Astrophysiker, müssten von einem Ring sichtbarer und strahlender Materie umgeben sein, die sich auf dem Weg in den Schlund des Ungeheuers befindet. Bislang hat freilich noch niemand diesen Ring sehen können, denn er ist von weiteren Staubwolken umgeben. Astronomen des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn haben jetzt erstmals durch diese Staubwolken hindurchblicken können. Der Wissenschaftsjournalist Hermann-Michael Hahn erläutert ihre Entdeckung im Gespräch mit Monika Seynsche.

24.07.2008
    Seynsche: Herr Hahn, so ein schwarzes Loch verschluckt doch alles. Wie kommen dann überhaupt Physiker darauf, dass es drumherum eine Materiescheibe geben könnte?

    Hahn: Nun, diese Materiescheibe, von der Sie sprechen, ist gewissermaßen der Strudel, in dem die einstürzende, vom schwarzen Loch eigentlich zu verschluckende Materie sich langsam mit dem Untergang nähert. Das geht also nicht so, dass das direkt da hineinfliegen kann, sondern einfach durch die Umdrehung des Objektes um das schwarze Loch herum wird es beim Zerreißen letzten Endes in einen solchen Strudel überführt und dann auf Spiralbahnen nach innen gezogen. Und dabei heizt sich diese Materie ganz kräftig auf, so stark, dass sie eben Strahlung aussenden kann, und die kommt gerade noch weg vom schwarzen Loch, das macht genau die Strahlung aus, die man beobachtet, beispielsweise bei den Quasaren, den aktiven Milchstraßenzentren, um die es in dieser Beobachtung gegangen ist.

    Seynsche: Und was haben die Bonner Forscherjetzt genau gemacht, um die Strahlung sehen zu können?

    Hahn: Nun, normalerweise wird diese Strahlung gerade bei Quasaren, das sind also sehr lichtstarke, sehr leuchtstarke aktive Galaxienkerne, von der Umgebung, von dem Material weiter vom schwarzen Loch entfernt auch noch überstrahlt, übertüncht, verfälscht. Und man muss also sehen, wie man darauf kommt, dass man nur die Strahlung vom schwarzen Loch selber beobachten kann. Und da haben die Astronomen einen Trick angewendet, den sie, na ja, in gewisser Weise aus der Fotografie entlehnt haben: Jeder Fotograf weiß, wenn er irgendeinen Reflex wegkriegen will auf einer spiegelnden Wasseroberfläche, oder auch beim Schaufenster, dass er einen Polarisationsfilter einschaltet. Dieses Filter blendet sozusagen die reflektierte Strahlung aus, aber die Astronomen, die wollten nur diese reflektierte Strahlung sehen, das heißt, die haben das Polarisationsfilter praktisch genutzt, um die helle Strahlung des anderen, umgebenden Material zu unterdrücken. Und konnten dann gewissermaßen durch diese Staubwolken hindurch bis auf die Scheibe selber blicken.

    Seynsche: Und wie sieht diese Strahlung aus?

    Hahn: Nun ja, man geht davon aus, oder hatte von der Theorie her erwartet, dass wenn so heiße Materie dort in das schwarze Loch hineinstürzt, aufgeheizt wird, dass diese Strahlung einen sehr starken Blauton in der Farbe haben muss, und den hat man also in der Tat auch gefunden. Aber das ging eigentlich nicht so sehr darum, das nachzuweisen, sondern mehr zu zeigen, was kann man überhaupt sehen, direkt beobachten. Denn das ist für die Astronomen eine ganz wichtige Bestätigung ihrer Theorien. Sie sagten ja zunächst auch, dass es eingangs nur eine Theorie war, und die hat man jetzt praktisch mit dieser Beobachtung jetzt bestätigen können und zeigen können, dass die Theoretiker sich etwas Gutes überlegt haben. Und jetzt wird man darangehen, solche Scheiben im Detail zu beobachten, um noch mehr darüber in Erfahrung zu bringen.

    Seynsche: Gut, jetzt haben sich die Theoretiker gefreut, dass sie eine Theorie bestätigt haben. Aber, was bringt das denn für die Forschung?

    Hahn: Nun, die Quasar-Phase, also diese aktive Galaxienkernphase ist eine ganz entscheidende Phase im Leben, in der Entwicklung von Milchstraßensystemen. Und wenn man die Entwicklung von Milchstraßensystemen verstehen will, muss man auch diese Quasar-Phase verstehen und wissen, wie das funktioniert. Da gibt es verschiedene Ansatzpunkten für, von den Theorien her. Und die können nun, wenn man weitere Beobachtungen gemacht hat, aussortiert werden. Dann kann man also vielleicht auch eines Tages sogar sagen, ableiten, ein Gefühl dafür bekommen, wie lange es beispielsweise dauert, bis dass Materie, die oben in diesen Materiestrudel reingerutscht ist, oder reinfällt, bis dass die unten im schwarzen Loch versunken ist, zum Beispiel. Das ist eine ganz wichtige Frage für die Astronomen.