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Blick in die Feuilletons

Die Geschichte vom schleichenden Untergang des Hauses Suhrkamp ist um eine weitere Episode reicher

    ... schreibt Tilman Krause in der Tageszeitung DIE WELT. Er empört sich über die Wahl des Preisträgers für den erstmals vergebenen Siegfried-Unseld-Preis. Die stattlichen 50.000 Euro Preisgeld erhält der Schriftsteller Peter Handke.

    Ein literarischer Nomade werde da gekürt

    heißt es in der Begründung für den Preis, und Tilman Krause spottet:

    Wüstenbewohner unter sich.

    Seine Verärgerung hat viele Gründe:

    Man mag sich schon kaum noch alterieren über die Tatsache, dass hier ein Hausautor gekürt wurde in einer Branche, die offensichtlich um des Profits willen vor nichts mehr zurückschreckt. Aber dass es ausgerechnet Handke trifft, einen Autor, der sich mit seiner absurden Parteinahme für die Sache der Serben ins Abseits gesetzt und seinen Zenit auch in literarischer Hinsicht lange überschritten hat, das verstimmt dann doch.

    Diese Entscheidung sei auch nicht dazu angetan, das Verständnis der Öffentlichkeit für den schwierigen Umwandlungsprozess des Verlags nach dem Tod des Patriarchen Unseld zu erhöhen, klagt Tilman Krause. Er vermutet sogar, die Jury – bestehend aus der Verlagsleiterin, einem Lektor und ausschließlich Schriftstellern des dem Suhrkamp-Verlages - wolle die Öffentlichkeit wissentlich brüskieren

    Nach dem Motto: Wenn sie uns schon nicht mehr mag, dann soll sie wenigstens Grund dazu haben. Das ist die Haltung von Leuten, die nichts mehr zu verlieren, die den Glauben an sich selber verloren haben.

    In Frankfurt am Main nimmt der Protest gegen die Wiederwahl des Kulturdezernenten Hans-Bernhard Nordhoff zu, wie die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und der TAGESSPIEGEL berichten. Die zunächst namenlosen Gegner haben sich jetzt zu erkennen gegeben.

    Auf der Liste finden sich 112 prominente Namen der Frankfurter Kultur

    so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Sie wollen verhindern, dass Nordhoff für eine zweite Amtszeit nominiert wird.

    Sie werfen dem Kommunalpolitikern vor, die Position "in einem politischen Koppelgeschäft zu verhökern", ungeachtet der Erfahrungen, die die Kommune mit Nordhoff gemacht hat. Diesen zeichne mangelnde Kommunikationsfähigkeit aus, außerdem "sein Hang zur Bürokratie, seine Kunst des Abtauchens und Verschleppens, sein Nicht-Engagement. Er habe die Frankfurter Kulturpolitik dem Gespött ausgesetzt.

    Der Aufruf war bereits am Freitag bekannt gegeben worden, aber erst nach Abschluss der Unterschriftensammlung wurden nun auch die Namen bekannt gegeben. Es haben unter anderem die Autoren Eva Demski und Bodo Kirchhoff, die Verleger Ulla Unseld-Berkewicz und Joachim Unseld, der Intendant der Alten Oper Michael Hocks und die Schauspielerin Hannelore Elsner unterschrieben. Dazu kommentiert der TAGESSPIEGEL:

    Die Wiederwahl Nordhoffs in diesem Frühjahr gilt bislang als sicher, weil sich SPD und CDU bereits auf ein gemeinsames Personaltableau geeinigt haben.

    Fern von Parteienpolitik hatte die Deutsche Filmakademie während der diesjährigen Berlinale ihren ersten öffentlichen Auftritt. Die Angst unter einheimischen Filmschaffenden, die Akademie produziere Marketing für den Mainstream nach Oscar-Vorbild, war unbegründet, erklärt Josef Engels in der WELT.

    Bei seiner ersten öffentlichen Veranstaltung gab sich der auf inzwischen 400 Mitglieder angewachsene Akademie-Zusammenschluss von Regisseuren, Produzenten, Autoren, Schauspielern und filmischen Hardware-Spezialisten so deutsch wie es nur irgend geht: vergrübelt, versonnen, verwirrt.

    Das Motto der Eröffnungsveranstaltung nennt Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG "provokativ" und "katasprohenschwanger". Es hieß: Was ich am deutschen Film hasse. Wenig aufbauend eigentlich, aber:

    Zusammen mit der Rednerliste von Tykwer bis Eichinger ergab es eine absolute Rarität: Die erste filmpolitische Veranstaltung in schätzungsweise zehn Jahren, zu der man freiwillig hingegangen wäre.

    Im Kern waren alle Botschaften nicht sehr optimistisch:

    Für das deutsche Kino beginnt gerade eine (wieder einmal) bittere und zaghafte Zeit, weil die Sender vom Dschungelfieber geschüttelt und vom Superstar-Wahnsinn infiziert, als Partner wegbrechen. Tom Tykwer nannte keine Namen, aber die Leidensgeschichte aus Absagen war leicht als die Odyssee des neuen Projekts zu erkennen, das er gerade produzieren will. Schuldige konnte er nicht benennen, das Böse sei "weich und wabrig", eine zähe Melange aus Quotendruck, Publikumsentwicklung, Spar- und Sachzwängen.

    Ein Gefühl der Sorge begleitet den Start der Filmakademie, resümiert Tobias Kniebe. Dazu die Ankündigungen des Fernsehens, kommentiert in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN:

    Allen Unkenrufen auf das Genre zum Trotz wird 2004 wohl doch nicht das Jahr sein, in dem wir das Reality-Fernsehen zu Grabe tragen, allen moralischen Bedenken zum Trotz. Während die Firma Endemol eine Ausgabe von "Big Brother" vorbereitet, deren Kandidaten ein ganzes Jahr im Container zubringen sollen, stellt ausgerechnet das ZDF die Verhältnisse von den Füßen auf den Kopf.

    Denn für das ZDF quartiert sich Gottschalk bei einer Familie als Hausmann ein.
    "Hilfe, Gottschalk zieht ein" heißt es dann ab Herbst, jeweils Donnerstagabend.

    Ärger mit den Handwerkern, Schulstress bei den Kindern, Modeberatung bei der Ehefrau oder einfach nur Gassi gehen mit dem Hund! Thomas Gottschalk nimmt jede Herausforderung an. Man wird ihn in Alltagssituationen erleben, ohne Showtreppe und Hollywoodstars. Thomas Gottschalk ungeschminkt, konfrontiert mit den Problemen einer normalen deutschen Familie. Das könnte uns am Ende glatt so weit bringen, dass wir uns den Dschungel von RTL zurück wünschen.

    Oder:

    Realität ist, wenn man trotzdem lacht.