Sonja Zekri fährt fort: "Hier zu Lande jedenfalls wird man den Verdacht nicht los, dass in der zur Schau getragenen Vorsicht, in der skeptischen Beobachtung auch ein gewisses Trägheitsmoment liegt. Dass es inzwischen geradezu epidemisch geworden ist, erst einmal kritisch abzuwarten, um dann aus der sicheren Deckung zu bescheiden: Das war ja wohl nichts...Wir erwarten von der Politik, dass sie Signale der Hoffnung aussendet, Aufbruchstimmung verbreitet, sind aber nie so misstrauisch wie immer dann, wenn sie genau dies tut".
Sonja Zekri kommt zu dem Schluss: "Aber Vertrauen kann man sich nicht aussuchen, wir sind dazu verdammt, anderen Gutes zu unterstellen, nicht immer vom Schlimmsten auszugehen. Und dann gibt es ja noch eine andere Art von Vertrauen, die nicht vom Staat geliefert wird wie die nächste Stufe der Rentenreform. Auch dieses lässt sich zwar durchaus erschüttern, ist aber für das Funktionieren von Gemeinschaft unersetzlich: Das Bewusstsein, eine Krise wenn nicht vermeiden, so doch meistern zu können, den festen Willen, mit der nächsten Reise, dem nächsten Umzug nicht zu warten, bis der Aufschwung in den Tagesthemen verkündet wird. Man nennt es Selbstvertrauen".
Dieses Selbstvertrauen könnte Berlin gut gebrauchen, das sich zur Jahreswende einem Besucheransturme aus ganz Deutschland und der gesamten Welt gegenübersah. Regina Mönch meint in der "Frankfurter Allgemeinen": "Doch auch für Berlin gilt: Die Stimmung ist schlechter als der Zustand der Stadt. Fast geräuschlos, dafür 2003 noch einmal umso nachhaltiger hat sich der Bund vor allem auf einem Gebiet zu seiner Hauptstadt bekannt: Er hat die Kultur zu seiner Sache gemacht. Vierzig Prozent seines Kulturetats kommen hauptsächlich hauptstädtischen Institutionen zugute – fast alle von überregionaler Bedeutung. Der größte Teil, über 170 Millionen Euro, fließen in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren achtzehn Museen und der Staatsbibliothek".
Zur Erdbebenkatastrophe im Iran schreibt Ira Mazzoni in der Süddeutschen Zeitung: "Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Kulturberichterstattung, dass entlegene Monumente erst im Moment ihrer Zerstörung ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit gerückt werden. Der Ark-e-Bam, die große Festungsstadt im Südosten des Iran, ist der jüngste Fall. Das Erdbeben hat nicht nur die mächtige Zitadelle in weiten Teilen kollabieren lassen, es hat auch den Garanten einer prosperierenden Tourismus-Industrie zerstört. Rund 100.000 Besucher kamen jedes Jahr, um eine der größten und besterhaltenen Lehmziegelarchitekturen der Welt zu bestaunen und durch die engen Gassen der Geisterstadt des 18. Jahrhunderts zu streifen".
Christian Thomas merkt in der "Frankfurter Rundschau" an: Ark-e-Bam ist für diejenigen, die die Stadt nie mit eigenen Augen haben sehen oder die rote Lehmziegelzitadelle unter die Füße haben nehmen können, zu einem Lexikonartikel herabgesunken. Als Stadtgründung der Sassaniden (224-637), als größtes Lehmziegelmonument der Welt, als Oase am Rande der Wüste, als Station und Bastion auf der Seidenstraße, in den letzten Jahren als Faktor der Tourismusindustrie, nachdem es von der Führung des Iran mit neuen Augen gesehen worden war".
Zur Berichterstattung während der Weihnachtsfeiertage schreibt Thomas weiter: "Angesichts der Tatsache, dass die Realität des Erdbebens das Unfassbare ist, wirken alle Hinweise, man habe im erdbebengefährdeten Bam nicht erdbebensicher gebaut, so hilflos wie zynisch – ganz abgesehen davon, dass die Ratschläge auf robusten geologischen Privilegien basieren".
Thomas weist an dieser Stelle auf das Erdbeben im japanischen Kobe im Jahre 1995 hin und fährt fort: "Hinzu kommt, dass selbst im architektonisch und technisch hochgerüsteten Kobe die Realität der Datenmengen aus den Erdbebencomputern nicht ausreichte, um sich ein auch nur annähernd realistisches Bild von der Katastrophe machen zu können, die die Messinstrumente am Ende überforderte".
"Das Mittelalter, sagt Jacques Le Goff, gibt es eigentlich nicht. Der Begriff ist nicht mehr als eine problematisch, ja irreführende Konstruktion. Sie suggeriert", wie Ulrich Speck in der "Frankfurter Rundschau" ausführt, "die Einheitlichkeit eines Zeitraums von über tausend Jahren, der doch kaum einheitliche Merkmale oder gar innere Geschlossenheit aufweist".
Zum achtzigsten Geburtstag des großen französischen Mediävisten merkt Michael Jeismann in der "Frankfurter Allgemeinen" an: "Jacques Le Goff zählt heute auch deshalb zum kleinen Kreis der eminenten Historiker, weil er in einem fundamentalen Sinn, aber ohne Aufgeregtheit die europäische Geschichte gegenwärtig zu machen versteht. Er vermittelt genau das, was der Europäischen Union mehr als alles andere zu fehlen scheint: einen Begriff von sich selbst, mit dessen Hilfe auch eine politisch-pragmatische Bestimmung europäischer Politik möglich wäre. Die Auseinandersetzungen um die Beitrittskandidatur der Türkei haben diesen Mangel schmerzhaft spüren lassen". Befragt dazu, mit welcher Argumentation der Türkei ein EU-Beitritt verweigert werden könnte, meinte Le Goff unlängst, "dass allein schon die beständige Leugnung des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915 die Türkei für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union disqualifiziere".
Jeismann berichtet, dass für Le Goff die Geburtsstunde Europas der Moment gewesen sei, als die Barbaren in Rom einfielen. "Denn spätestens von da an sei eine Vermischung der Völker durch Expansion, Migration und Invasion zu einem Grundprinzip, einem Lebensgesetz Europas geworden". – Unwillkürlich stellt sich hier die Frage: Wann wird sich Deutschland dazu durchringen, ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden?
Sonja Zekri kommt zu dem Schluss: "Aber Vertrauen kann man sich nicht aussuchen, wir sind dazu verdammt, anderen Gutes zu unterstellen, nicht immer vom Schlimmsten auszugehen. Und dann gibt es ja noch eine andere Art von Vertrauen, die nicht vom Staat geliefert wird wie die nächste Stufe der Rentenreform. Auch dieses lässt sich zwar durchaus erschüttern, ist aber für das Funktionieren von Gemeinschaft unersetzlich: Das Bewusstsein, eine Krise wenn nicht vermeiden, so doch meistern zu können, den festen Willen, mit der nächsten Reise, dem nächsten Umzug nicht zu warten, bis der Aufschwung in den Tagesthemen verkündet wird. Man nennt es Selbstvertrauen".
Dieses Selbstvertrauen könnte Berlin gut gebrauchen, das sich zur Jahreswende einem Besucheransturme aus ganz Deutschland und der gesamten Welt gegenübersah. Regina Mönch meint in der "Frankfurter Allgemeinen": "Doch auch für Berlin gilt: Die Stimmung ist schlechter als der Zustand der Stadt. Fast geräuschlos, dafür 2003 noch einmal umso nachhaltiger hat sich der Bund vor allem auf einem Gebiet zu seiner Hauptstadt bekannt: Er hat die Kultur zu seiner Sache gemacht. Vierzig Prozent seines Kulturetats kommen hauptsächlich hauptstädtischen Institutionen zugute – fast alle von überregionaler Bedeutung. Der größte Teil, über 170 Millionen Euro, fließen in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren achtzehn Museen und der Staatsbibliothek".
Zur Erdbebenkatastrophe im Iran schreibt Ira Mazzoni in der Süddeutschen Zeitung: "Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Kulturberichterstattung, dass entlegene Monumente erst im Moment ihrer Zerstörung ins Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit gerückt werden. Der Ark-e-Bam, die große Festungsstadt im Südosten des Iran, ist der jüngste Fall. Das Erdbeben hat nicht nur die mächtige Zitadelle in weiten Teilen kollabieren lassen, es hat auch den Garanten einer prosperierenden Tourismus-Industrie zerstört. Rund 100.000 Besucher kamen jedes Jahr, um eine der größten und besterhaltenen Lehmziegelarchitekturen der Welt zu bestaunen und durch die engen Gassen der Geisterstadt des 18. Jahrhunderts zu streifen".
Christian Thomas merkt in der "Frankfurter Rundschau" an: Ark-e-Bam ist für diejenigen, die die Stadt nie mit eigenen Augen haben sehen oder die rote Lehmziegelzitadelle unter die Füße haben nehmen können, zu einem Lexikonartikel herabgesunken. Als Stadtgründung der Sassaniden (224-637), als größtes Lehmziegelmonument der Welt, als Oase am Rande der Wüste, als Station und Bastion auf der Seidenstraße, in den letzten Jahren als Faktor der Tourismusindustrie, nachdem es von der Führung des Iran mit neuen Augen gesehen worden war".
Zur Berichterstattung während der Weihnachtsfeiertage schreibt Thomas weiter: "Angesichts der Tatsache, dass die Realität des Erdbebens das Unfassbare ist, wirken alle Hinweise, man habe im erdbebengefährdeten Bam nicht erdbebensicher gebaut, so hilflos wie zynisch – ganz abgesehen davon, dass die Ratschläge auf robusten geologischen Privilegien basieren".
Thomas weist an dieser Stelle auf das Erdbeben im japanischen Kobe im Jahre 1995 hin und fährt fort: "Hinzu kommt, dass selbst im architektonisch und technisch hochgerüsteten Kobe die Realität der Datenmengen aus den Erdbebencomputern nicht ausreichte, um sich ein auch nur annähernd realistisches Bild von der Katastrophe machen zu können, die die Messinstrumente am Ende überforderte".
"Das Mittelalter, sagt Jacques Le Goff, gibt es eigentlich nicht. Der Begriff ist nicht mehr als eine problematisch, ja irreführende Konstruktion. Sie suggeriert", wie Ulrich Speck in der "Frankfurter Rundschau" ausführt, "die Einheitlichkeit eines Zeitraums von über tausend Jahren, der doch kaum einheitliche Merkmale oder gar innere Geschlossenheit aufweist".
Zum achtzigsten Geburtstag des großen französischen Mediävisten merkt Michael Jeismann in der "Frankfurter Allgemeinen" an: "Jacques Le Goff zählt heute auch deshalb zum kleinen Kreis der eminenten Historiker, weil er in einem fundamentalen Sinn, aber ohne Aufgeregtheit die europäische Geschichte gegenwärtig zu machen versteht. Er vermittelt genau das, was der Europäischen Union mehr als alles andere zu fehlen scheint: einen Begriff von sich selbst, mit dessen Hilfe auch eine politisch-pragmatische Bestimmung europäischer Politik möglich wäre. Die Auseinandersetzungen um die Beitrittskandidatur der Türkei haben diesen Mangel schmerzhaft spüren lassen". Befragt dazu, mit welcher Argumentation der Türkei ein EU-Beitritt verweigert werden könnte, meinte Le Goff unlängst, "dass allein schon die beständige Leugnung des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915 die Türkei für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union disqualifiziere".
Jeismann berichtet, dass für Le Goff die Geburtsstunde Europas der Moment gewesen sei, als die Barbaren in Rom einfielen. "Denn spätestens von da an sei eine Vermischung der Völker durch Expansion, Migration und Invasion zu einem Grundprinzip, einem Lebensgesetz Europas geworden". – Unwillkürlich stellt sich hier die Frage: Wann wird sich Deutschland dazu durchringen, ein Einwanderungsgesetz zu verabschieden?