Der britische Historiker Niall Ferguson hat soeben ein Buch über die Probleme Amerikas mit seiner Weltführungsrolle vorgelegt. Wieland Freund interviewte ihn für die Welt und fragte den in New York Finanzgeschichte lehrenden Wissenschaftler zunächst nach den Folgen des Folterskandals im Irak für die Bush-Administration. Steht ein rascher Abzug mit unübersehbaren Folgen für Europa bevor?
Ferguson: "Das kann sein. Aber die Reaktion in Amerika ist eine andere als in Europa. Natürlich war Amerika geschockt, in einer Panikstimmung sogar. Aber kurz darauf kam die Nachricht von der Ermordung Nick Bergs, und sogar in San Francisco, unter liberalen Amerikanern habe ich gehört: Schluss damit, der Feind ist viel schlimmer als wir, und ein paar White Trash-Militärpolizisten können nicht das ganze Unternehmen zerstören. Wir müssen diesen Krieg gewinnen".
Ferguson vergleicht in der Folge den gegenwärtigen Konflikt mit der Eroberung Bagdads durch die Briten im Jahre 1917 und fährt fort: "Der Unterschied zur jetzigen Situation liegt darin, dass die Amerikaner selbst nicht erkennen, dass sie einen Kolonialkrieg führen. Das Problem ist, dass Amerika seine Natur als Imperium verleugnet. Und deshalb hat das Land ehrlich an eine kurze Besatzung geglaubt".
Auf Wieland Freunds Frage, ob die USA ihrer imperialen Rolle überhaupt gerecht werden können, antwortet Ferguson: "Nein. Das ist das Problem. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es sich dabei um eine kulturelle oder um eine politische Schwäche handelt. Zu den nötigen Opfern für einen dauerhaften Erfolg im Irak sind die Amerikaner nicht bereit. Sie suchen stattdessen nach einer Exit-Strategie. Ein Land wie Irak innerhalb von zwei, von vier Jahren wirtschaftlich wieder aufzubauen und politisch zu verändern ist jedoch unrealistisch. Zehn Jahre wären optimistisch". - Das neue Buch von Ferguson hat den Titel: Das verleugnete Imperium.
Jordan Mejias geht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf das neue Buch "Plan of Attack" des Watergate-Enthüllers Bob Woodward ein. Er schreibt: "Für Woodward gelten inzwischen besondere Gesetze. Spätestens seit Rober Redford ihn auf der Leinwand verkörperte, hat ihn seine Starqualität in Regionen jenseits der gewöhnlichen journalistischen Betätigungsfelder befördert. Dort ist er selbst als Player zugange. Und für die "Washington Post", der er formal immer noch verbunden ist, auch wenn sich seine praktische Mitarbeit auf den Vorabdruck von Auszügen seiner Bücher erschöpft, ist er der Kontaktmann zur Macht. Statt seiner Spezialität, dem investigativen Journalismus, treu zu bleiben, hat Amerikas berühmtester Reporter darum eine neue Spielart der Recherche, den "access journalism" erfunden. Mejias zu den Vorteilen dieses neuen Recherchierstils: "Ein Anruf genügt, um nicht nur im Oval Office Audienzen von insgesamt mehr als dreieinhalb Stunden zu bekommen, sondern den Präsidenten auch zu bewegen, seine Untergebenen zum Gespräch mit Woodward abzukommandieren".
Mejias fährt fort: "Der Zugang ist nicht ganz kostenfrei. Als Zugangsgebühr verlangen die Mächtigen: Verständnis, Einsicht, zumindest Rücksicht. Ein bisschen Hofberichterstattung käme nicht ungelegen. "Bush at War", Woodwards vorletzter Bestseller, in dem die Entschlossenheit und Führungsstärke des Präsidenten nach den Angriffen des 11. September und im Afghanistan-Krieg ausführlich gewürdigt wurden, näherte sich gar der Heiligenlegende".
Seitdem bemängeln Kritiker Woodwards Naivität beim Faktensammeln. Mejias schlussfolgert: Daß die Politiker "mittlerweile gelernt haben, die wunderbare Plattform, die er ihnen bietet, zu ihrem Vorteil zu nutzen, will er offenbar nicht ins Kalkül miteinbeziehen".
Der irakische Kulturminister Al-Jazairi war soeben in Berlin. Rüdiger Schaper befragte ihn für den Tagesspiegel. Al-Jazairi zur allgemeinen Lage: "Die Kultur in meinem Land ist ein Bereich, in dem alles zerstört ist – nach Saddams Kriegen, nach dem Krieg vom vergangenen Jahr, nach den Plünderungen, nach dem zwölfjährigen UN-Embargo gegen den Irak. Es ist eine tragische Realität. Wir müssen die Infrastruktur des kulturellen Lebens, aber auch die seelische Infrastruktur des Landes wieder aufbauen. Fast Dreiviertel der Menschen im Irak sind ohne Arbeit. Die Grundbedingung für intellektuelle Arbeit, die Freiheit, ist erreicht, aber es fehlen die materiellen Voraussetzungen".
Thomas Medicus besuchte für die Frankfurter Rundschau eine Veranstaltung in der deutschen Hauptstadt, bei der neben dem irakischen Kulturminister unter anderen auch der im französischen Exil lebende Schriftsteller Jabbar Yassin Hussein auftrat. Ihm zufolge sei es dringend geboten "die in Jahrhunderten gewachsene Identität der Iraker zurückzuholen, mit dem Ziel, die momentan vorherrschende Kultur der Gewalt zurückzudrängen. Denn man müsse, fuhr der Schriftsteller fort, eben auch begreifen, dass sich die irakische Gesellschaft in einem "Zustand kollektiver Trauer" befände, dass das Land am Erbe seiner Vergangenheit leide und, fast schon psychoanalytisch-therapeutisch, Heilung nur im Kontakt mit den Anderen, Iraks Nachbarländern, aber auch Europa erfolgen könne".
Claudia Schwartz geht in der Neuen Zürcher Zeitung auf die Kontroverse um die "Flick Collection" in der eigens dafür umgebauten Rieck-Halle in Berlin ein. Sie schreibt: "Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Salomon Korn, wirft dem Privatsammler und Nachfahren des in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten Rüstungsministers Friedrick Flick in einem offenen Brief vor, mit seinem Kunstbesitz eine Art "moralische Weißwäsche von Blutgeld" zu betreiben, die die Zwangsarbeiter-Ausbeutung des großväterlichen Unternehmens ‚vielleicht zeitweise überstrahlen, aber nicht mildern’ könne".
Frau Schwartz meint: "Die Präsentation der Sammlung in Berlin wird ein umstrittenes Thema bleiben; sie erfordert eine kuratorische Sensibilität, welche die gesellschaftspolitische Verantwortung, die mit dem Namen der "Flick Collection" verknüpft ist, mit einschließt. Die von Lehmann angekündigten Begleitveranstaltungen, die im Rahmen der Eröffnung das Thema ‚Die Museen und ihre Sammler’ behandeln, sind wohl eher dazu geeignet, vom Wesentlichen abzulenken", schreibt Frau Schwartz.
Der angesprochene Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, hat nach einem Bericht der FAZ die Vorwürfe von Salomon Korn zurückgewiesen. Kunst, so Lehmann, könne man "nicht stigmatisieren" und die "Urenkel nicht in Sippenhaft nehmen". Die Stiftung werde an ihrem Vertrag mit Flick festhalten, es bleibe an der für September geplanten Eröffnung".
Ferguson: "Das kann sein. Aber die Reaktion in Amerika ist eine andere als in Europa. Natürlich war Amerika geschockt, in einer Panikstimmung sogar. Aber kurz darauf kam die Nachricht von der Ermordung Nick Bergs, und sogar in San Francisco, unter liberalen Amerikanern habe ich gehört: Schluss damit, der Feind ist viel schlimmer als wir, und ein paar White Trash-Militärpolizisten können nicht das ganze Unternehmen zerstören. Wir müssen diesen Krieg gewinnen".
Ferguson vergleicht in der Folge den gegenwärtigen Konflikt mit der Eroberung Bagdads durch die Briten im Jahre 1917 und fährt fort: "Der Unterschied zur jetzigen Situation liegt darin, dass die Amerikaner selbst nicht erkennen, dass sie einen Kolonialkrieg führen. Das Problem ist, dass Amerika seine Natur als Imperium verleugnet. Und deshalb hat das Land ehrlich an eine kurze Besatzung geglaubt".
Auf Wieland Freunds Frage, ob die USA ihrer imperialen Rolle überhaupt gerecht werden können, antwortet Ferguson: "Nein. Das ist das Problem. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es sich dabei um eine kulturelle oder um eine politische Schwäche handelt. Zu den nötigen Opfern für einen dauerhaften Erfolg im Irak sind die Amerikaner nicht bereit. Sie suchen stattdessen nach einer Exit-Strategie. Ein Land wie Irak innerhalb von zwei, von vier Jahren wirtschaftlich wieder aufzubauen und politisch zu verändern ist jedoch unrealistisch. Zehn Jahre wären optimistisch". - Das neue Buch von Ferguson hat den Titel: Das verleugnete Imperium.
Jordan Mejias geht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf das neue Buch "Plan of Attack" des Watergate-Enthüllers Bob Woodward ein. Er schreibt: "Für Woodward gelten inzwischen besondere Gesetze. Spätestens seit Rober Redford ihn auf der Leinwand verkörperte, hat ihn seine Starqualität in Regionen jenseits der gewöhnlichen journalistischen Betätigungsfelder befördert. Dort ist er selbst als Player zugange. Und für die "Washington Post", der er formal immer noch verbunden ist, auch wenn sich seine praktische Mitarbeit auf den Vorabdruck von Auszügen seiner Bücher erschöpft, ist er der Kontaktmann zur Macht. Statt seiner Spezialität, dem investigativen Journalismus, treu zu bleiben, hat Amerikas berühmtester Reporter darum eine neue Spielart der Recherche, den "access journalism" erfunden. Mejias zu den Vorteilen dieses neuen Recherchierstils: "Ein Anruf genügt, um nicht nur im Oval Office Audienzen von insgesamt mehr als dreieinhalb Stunden zu bekommen, sondern den Präsidenten auch zu bewegen, seine Untergebenen zum Gespräch mit Woodward abzukommandieren".
Mejias fährt fort: "Der Zugang ist nicht ganz kostenfrei. Als Zugangsgebühr verlangen die Mächtigen: Verständnis, Einsicht, zumindest Rücksicht. Ein bisschen Hofberichterstattung käme nicht ungelegen. "Bush at War", Woodwards vorletzter Bestseller, in dem die Entschlossenheit und Führungsstärke des Präsidenten nach den Angriffen des 11. September und im Afghanistan-Krieg ausführlich gewürdigt wurden, näherte sich gar der Heiligenlegende".
Seitdem bemängeln Kritiker Woodwards Naivität beim Faktensammeln. Mejias schlussfolgert: Daß die Politiker "mittlerweile gelernt haben, die wunderbare Plattform, die er ihnen bietet, zu ihrem Vorteil zu nutzen, will er offenbar nicht ins Kalkül miteinbeziehen".
Der irakische Kulturminister Al-Jazairi war soeben in Berlin. Rüdiger Schaper befragte ihn für den Tagesspiegel. Al-Jazairi zur allgemeinen Lage: "Die Kultur in meinem Land ist ein Bereich, in dem alles zerstört ist – nach Saddams Kriegen, nach dem Krieg vom vergangenen Jahr, nach den Plünderungen, nach dem zwölfjährigen UN-Embargo gegen den Irak. Es ist eine tragische Realität. Wir müssen die Infrastruktur des kulturellen Lebens, aber auch die seelische Infrastruktur des Landes wieder aufbauen. Fast Dreiviertel der Menschen im Irak sind ohne Arbeit. Die Grundbedingung für intellektuelle Arbeit, die Freiheit, ist erreicht, aber es fehlen die materiellen Voraussetzungen".
Thomas Medicus besuchte für die Frankfurter Rundschau eine Veranstaltung in der deutschen Hauptstadt, bei der neben dem irakischen Kulturminister unter anderen auch der im französischen Exil lebende Schriftsteller Jabbar Yassin Hussein auftrat. Ihm zufolge sei es dringend geboten "die in Jahrhunderten gewachsene Identität der Iraker zurückzuholen, mit dem Ziel, die momentan vorherrschende Kultur der Gewalt zurückzudrängen. Denn man müsse, fuhr der Schriftsteller fort, eben auch begreifen, dass sich die irakische Gesellschaft in einem "Zustand kollektiver Trauer" befände, dass das Land am Erbe seiner Vergangenheit leide und, fast schon psychoanalytisch-therapeutisch, Heilung nur im Kontakt mit den Anderen, Iraks Nachbarländern, aber auch Europa erfolgen könne".
Claudia Schwartz geht in der Neuen Zürcher Zeitung auf die Kontroverse um die "Flick Collection" in der eigens dafür umgebauten Rieck-Halle in Berlin ein. Sie schreibt: "Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Salomon Korn, wirft dem Privatsammler und Nachfahren des in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten Rüstungsministers Friedrick Flick in einem offenen Brief vor, mit seinem Kunstbesitz eine Art "moralische Weißwäsche von Blutgeld" zu betreiben, die die Zwangsarbeiter-Ausbeutung des großväterlichen Unternehmens ‚vielleicht zeitweise überstrahlen, aber nicht mildern’ könne".
Frau Schwartz meint: "Die Präsentation der Sammlung in Berlin wird ein umstrittenes Thema bleiben; sie erfordert eine kuratorische Sensibilität, welche die gesellschaftspolitische Verantwortung, die mit dem Namen der "Flick Collection" verknüpft ist, mit einschließt. Die von Lehmann angekündigten Begleitveranstaltungen, die im Rahmen der Eröffnung das Thema ‚Die Museen und ihre Sammler’ behandeln, sind wohl eher dazu geeignet, vom Wesentlichen abzulenken", schreibt Frau Schwartz.
Der angesprochene Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, hat nach einem Bericht der FAZ die Vorwürfe von Salomon Korn zurückgewiesen. Kunst, so Lehmann, könne man "nicht stigmatisieren" und die "Urenkel nicht in Sippenhaft nehmen". Die Stiftung werde an ihrem Vertrag mit Flick festhalten, es bleibe an der für September geplanten Eröffnung".