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Blick zurück in die afrikanische Vergangenheit

Kunstgeschichte. - Eine neue Technik, die Patina von historischen Kunstwerken zu untersuchen, haben gerade Wissenschaftler des Forschungs- und Restaurationszentrums der französischen Museen entwickelt. Mithilfe chemischer bildgebender Verfahren rückten sie afrikanischen Holzstatuen und Objekten auf den Leib.

Von Suzanne Krause |
    Ein gutes Dutzend afrikanischer Holzobjekte bevölkerte einige Monate lang das Forschungslabor im Louvre, Stück aus dem 11. Jahrhundert. Die Mehrzahl der Kunstobjekte, zumeist menschenähnliche Statuen oder auch Masken, stammen von den Dogon. Und spielen bei den zahlreichen geheimen Zeremonien dieses Jäger-Volks aus dem Mali eine wichtige Rolle. Dabei werden häufig Tieropfer dargebracht. Deren Blut, vermischt mit Hirsebrei, dient als Patina für die Kultobjekte. So schildern es mündliche Überlieferungen. Doch beim näheren Hinsehen fällt auf, dass diese Patina von Objekt zu Objekt völlig unterschiedlich ist, konstatiert Pascale Richardin, Leiterin des Projekts im Forschungslabor des Louvre:

    "Wir sagten uns, es ist doch erstaunlich, dass die Patina einer Statue, die wie eine schwarz-bräunliche Kruste wirkt, angeblich genauso beschaffen sein solle wie die bei einem Objekt, das wie gelackt erscheint. Bei unserer Untersuchung ging es uns weniger darum, herauszufinden, ob die Griots, die afrikanischen Zeremonienmeister, den Ethnologen die Wahrheit über die Herstellung der Patina anvertraut hatten. Sondern wir wollten vor allem ermitteln, ob die Verfahrensweise im Laufe der Jahrhunderte eventuell geändert wurde."

    Die Wissenschaftler schnitzten mit einem Skalpell winzige Proben aus der Patina, im Schnitt so groß wie ein Zuckerkörnchen. Bei herkömmlichen Studienverfahren wird eine solche Probe dann in einem Lösungsmittel in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt. Pascale Richardin und ihre Mitarbeiter jedoch wollten zum einen die Patinaprobe nicht zerstören und sie zum anderen auch die räumliche Verteilung der einzelnen Bestandteile überprüfen. Richardin:

    "Das hatte einen guten Grund: Angeblich wurden die Statuen bei den Riten mehrmals nacheinander mit Blut übergossen. Bei einem solchen Vorgehen lagert sich die Patinamasse dann in mehreren Schichten ab. Dieses Phänomen konnten wir bei einigen Statuen wirklich nachweisen."

    Für ihre Arbeit gossen die Wissenschaftler die mikroskopischen Splitter in transparentes Kunstharz, dessen Oberfläche sorgfältig glattpoliert wurde. Um die mineralischen Bestandteile zu ermitteln, legten sie die Proben unter ein elektronisches Rastermikroskop. Die nächsten Etappen waren dann das Synchrotron in Grenoble und ein Massenspektrometer. Richardin:

    "Dank dieser beiden Verfahren konnten wir neben den mineralischen auch die organischen Bestandteile in den Proben sichtbar machen. Die drei Verfahren ergänzen sich gegenseitig bei der genauen Charakterisierung der einzelnen Komponenten."

    Laut Pascale Richardin waren die Verantwortlichen des Massenspektrometer in der Nähe von Paris mehr als erstaunt, als die Louvre-Wissenschaftler mit ihren Patina-Proben anrückten. Die Anlage wird normalerweise eingesetzt bei medizinischen Untersuchungen, beispielweise um einen Tumor im Gewebe zu lokalisieren. Richardin:

    "Anfangs wussten wir überhaupt nicht, dass unsere Proben Proteine enthalten, Stärke, Fette. Denn das alles haben wir gefunden und zudem noch Gerbstoffe und einiges mehr. Es war eine ziemliche Herausforderung, mit dem Massenspektrometer zu arbeiten, ohne vorab zu wissen, was genau wir suchen."

    Dass ein Gutteil der untersuchten afrikanischen Statuen mit rituellem Blut bedeckt ist, steht nun wissenschaftlich fest. Und genauso, dass die Patina der ältesten Objekte eine sehr komplexe Materialmischung aufweist. Gleichfalls konnten sie nachweisen, dass manche Kultstatuen stehend mit Opferblut übergossen wurden, während bei anderen die Patinamischung mit der Hand aufgetragen wurde. Wichtige Hinweise für die Konservatoren, um die rituellen Schätze besser verstehen und schützen zu können. Und das neue Vorgehen, Analyse-Instrumente der organischen Chemie beim Studium von Kulturgütern einzusetzen, bewährte sich auch kürzlich bei dem Unterfangen, die komplexe Maltechnik des mittelalterlichen Altarbildmalers Matthias Grünewald zu enthüllen.