Stefanie Brassen beugt sich über ihren Laptop und startet ein Programm. Ein simples Glücksspiel: Auf dem Bildschirm sind acht Kisten zu erkennen, per Mausklick kann die Forscherin eine nach der anderen öffnen.
"Ich öffne die erste Kiste, die zweite Kiste, die dritte Kiste – und jetzt habe ich den Teufel ausgepackt! In den ersten beiden Kisten war Gold."
Jede Kiste mit Gold gibt einen Punkt. Doch in einer der acht Kisten steckt ein Teufelchen. Und hat man das Pech, dieses Teufelchen auszupacken, ist der Durchgang zu Ende, alle Punkte sind futsch. Stefanie Brassen versucht es ein zweites Mal.
O-Ton: 2:59
"Ich öffne die erste Kiste, es ist Gold darin. Die zweite Kiste, es ist wieder Gold. Die dritte Kiste, es ist Gold."
Diesmal hält sie inne und überlegt: Soll sie den Durchgang lieber stoppen, dann hat sie drei Punkte sicher. Oder soll sie auch noch die nächste Kiste öffnen, um vielleicht noch mehr Gold zu sammeln? Zu riskant, meint Brassen, und stoppt den Durchgang. Die drei Punkte sind im Sack. Doch dann zeigt der Rechner, wo das Teufelchen diesmal steckt: in der letzten der acht Kisten! Und das heißt:
"Ich hätte noch weitermachen können! Mist, ich hätte noch vier Kisten öffnen können!"
Sich ärgern, mit dem Schicksal hadern, seine Entscheidung bedauern. Eine verständliche Reaktion – zumindest bei jüngeren Menschen. Ältere Zeitgenossen aber – das zeigt die Erfahrung – reagieren auf verpasste Chancen oft deutlich gelassener. Mit dem Computerspiel wollte Stefanie Brassen nun folgendes herausfinden: Was passiert im Gehirn, wenn jemand einer verpassten Chance nachtrauert? Und was, wenn jemand gelassen darauf reagiert?
Um das zu beantworten, ließ Brassen am Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg 60 Freiwillige das Spiel mit dem Teufelchen spielen, und zwar unter dem Kernspintomographen. Das ist ein wuchtiges, ziemlich lautes Diagnosegerät, mit dem die Forscher dem Gehirn quasi bei der Arbeit zuschauen können. Dabei konzentrierten sie sich auf eine bestimmte Hirnregion, das neuronale Belohnungssystem.
"Wir wissen, dass, wenn wir eine positive Erfahrung machen, diese Hirnregionen aktiviert wird durch Dopamin-Ausschüttung. Und wenn wir eine negative Erfahrung machen, es zu einer Deaktivierung kommt."
Im Bild des Kernspintomographen ist deutlich zu erkennen, wenn das Belohnungszentrum aktiv wird – es erscheint ein gelber Fleck. Die 60 Probanden nun teilten sich in drei Gruppen: junge Menschen um die 25, ältere um die 65 und als dritte Gruppe Senioren, die an Depressionen litten. Das Ergebnis: Die Jungen und die depressiven Älteren reagierten deutlich auf eine verpasste Chance. Immer dann, wenn sie in einem Durchgang noch mehr Geldkisten hätten öffnen können, blieb das neuronale Belohnungszentrum inaktiv.
"Das heißt, sie haben das als sehr negativ erlebt. Die gesunden älteren Probanden zeigten dagegen immer eine Aktivierung bei Gewinndurchgängen – unabhängig davon, ob es eine verpasste Chance gab oder nicht."
Bei ihnen war die Freude über den Gewinn größer als der Frust über die verpasste Chance. Dass jüngere Menschen stärker mit dem Schicksal hadern als ältere, ergibt durchaus Sinn, sagt Brassen.
"Denn das kann unser zukünftiges Verhalten optimieren. Zum Beispiel: Sie haben eine Prüfung verhauen, weil Sie nicht genug gelernt haben. Das wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass Sie das nächste Mal mehr lernen."
Für Ältere dagegen bringt es meist nicht so viel, verpassten Gelegenheiten nachzutrauern. Oft lässt sich ja eh nichts mehr dran ändern. Dahinter steckt ein erlernter Regulationsmechanismus. Wo genau er im Hirn lokalisiert ist, haben die Hamburger Forscher ebenfalls herausgefunden – und zwar im Frontalhirn, in einem Areal namens ACC. Brassen:
"Wir wissen, dass diese Region eine wichtige Rolle in der Emotionsregulation spielt. Genau diese Region aktivieren nur die gesunden Älteren, wenn sie eine verpasste Chance erleben. Es scheint so zu sein, dass die gesunden Älteren tatsächlich aktiv dieses Gefühl des Bedauerns runterregulieren."
Ein Mechanismus, der den depressiven Älteren zu fehlen scheint. Und vielleicht, hofft Stefanie Brassen, lassen sich aus dieser Erkenntnis auch Ansatzpunkte für verbesserte Therapien ableiten.
"Ich öffne die erste Kiste, die zweite Kiste, die dritte Kiste – und jetzt habe ich den Teufel ausgepackt! In den ersten beiden Kisten war Gold."
Jede Kiste mit Gold gibt einen Punkt. Doch in einer der acht Kisten steckt ein Teufelchen. Und hat man das Pech, dieses Teufelchen auszupacken, ist der Durchgang zu Ende, alle Punkte sind futsch. Stefanie Brassen versucht es ein zweites Mal.
O-Ton: 2:59
"Ich öffne die erste Kiste, es ist Gold darin. Die zweite Kiste, es ist wieder Gold. Die dritte Kiste, es ist Gold."
Diesmal hält sie inne und überlegt: Soll sie den Durchgang lieber stoppen, dann hat sie drei Punkte sicher. Oder soll sie auch noch die nächste Kiste öffnen, um vielleicht noch mehr Gold zu sammeln? Zu riskant, meint Brassen, und stoppt den Durchgang. Die drei Punkte sind im Sack. Doch dann zeigt der Rechner, wo das Teufelchen diesmal steckt: in der letzten der acht Kisten! Und das heißt:
"Ich hätte noch weitermachen können! Mist, ich hätte noch vier Kisten öffnen können!"
Sich ärgern, mit dem Schicksal hadern, seine Entscheidung bedauern. Eine verständliche Reaktion – zumindest bei jüngeren Menschen. Ältere Zeitgenossen aber – das zeigt die Erfahrung – reagieren auf verpasste Chancen oft deutlich gelassener. Mit dem Computerspiel wollte Stefanie Brassen nun folgendes herausfinden: Was passiert im Gehirn, wenn jemand einer verpassten Chance nachtrauert? Und was, wenn jemand gelassen darauf reagiert?
Um das zu beantworten, ließ Brassen am Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg 60 Freiwillige das Spiel mit dem Teufelchen spielen, und zwar unter dem Kernspintomographen. Das ist ein wuchtiges, ziemlich lautes Diagnosegerät, mit dem die Forscher dem Gehirn quasi bei der Arbeit zuschauen können. Dabei konzentrierten sie sich auf eine bestimmte Hirnregion, das neuronale Belohnungssystem.
"Wir wissen, dass, wenn wir eine positive Erfahrung machen, diese Hirnregionen aktiviert wird durch Dopamin-Ausschüttung. Und wenn wir eine negative Erfahrung machen, es zu einer Deaktivierung kommt."
Im Bild des Kernspintomographen ist deutlich zu erkennen, wenn das Belohnungszentrum aktiv wird – es erscheint ein gelber Fleck. Die 60 Probanden nun teilten sich in drei Gruppen: junge Menschen um die 25, ältere um die 65 und als dritte Gruppe Senioren, die an Depressionen litten. Das Ergebnis: Die Jungen und die depressiven Älteren reagierten deutlich auf eine verpasste Chance. Immer dann, wenn sie in einem Durchgang noch mehr Geldkisten hätten öffnen können, blieb das neuronale Belohnungszentrum inaktiv.
"Das heißt, sie haben das als sehr negativ erlebt. Die gesunden älteren Probanden zeigten dagegen immer eine Aktivierung bei Gewinndurchgängen – unabhängig davon, ob es eine verpasste Chance gab oder nicht."
Bei ihnen war die Freude über den Gewinn größer als der Frust über die verpasste Chance. Dass jüngere Menschen stärker mit dem Schicksal hadern als ältere, ergibt durchaus Sinn, sagt Brassen.
"Denn das kann unser zukünftiges Verhalten optimieren. Zum Beispiel: Sie haben eine Prüfung verhauen, weil Sie nicht genug gelernt haben. Das wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass Sie das nächste Mal mehr lernen."
Für Ältere dagegen bringt es meist nicht so viel, verpassten Gelegenheiten nachzutrauern. Oft lässt sich ja eh nichts mehr dran ändern. Dahinter steckt ein erlernter Regulationsmechanismus. Wo genau er im Hirn lokalisiert ist, haben die Hamburger Forscher ebenfalls herausgefunden – und zwar im Frontalhirn, in einem Areal namens ACC. Brassen:
"Wir wissen, dass diese Region eine wichtige Rolle in der Emotionsregulation spielt. Genau diese Region aktivieren nur die gesunden Älteren, wenn sie eine verpasste Chance erleben. Es scheint so zu sein, dass die gesunden Älteren tatsächlich aktiv dieses Gefühl des Bedauerns runterregulieren."
Ein Mechanismus, der den depressiven Älteren zu fehlen scheint. Und vielleicht, hofft Stefanie Brassen, lassen sich aus dieser Erkenntnis auch Ansatzpunkte für verbesserte Therapien ableiten.