Rainer Berthold Schossig: Es ist ein Kind der Wende, das Cottbusser Festival des osteuropäischen Films. Seit 1991 wird es jährlich ausgetragen und am Dienstagabend nun hatte es zum 18. Mal die Pforten geöffnet. Sein Anliegen ist es, den internationalen Filmdialog vor allem zwischen Ost- und Westeuropa zu fördern. Bis zum kommenden Sonntag sind aus 30 Länder über 130 Filme zu sehen, von denen fast die Hälfte in Cottbus ihre deutsche bzw. eben internationale Erstaufführung erleben. Heinz Kersten, Sie sind in Cottbus. In diesen 18 Jahren hat sich das Festival ja erstaunlich gut entwickelt. Der Schirmherr, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sagte zur Eröffnung sogar, Cottbus sei nach der Berlinale das zweitwichtigste Festival in Deutschland. Da werden ihm ja nicht alle deutschen Festivalveranstalter zustimmen?
Heinz Kersten: Aber für Cottbus war das natürlich eine zusätzliche Aufwertung. In der Tat ist es für den osteuropäischen Film das wichtigste Forum auch international gesehen, denn in den Kinos laufen ja kaum osteuropäische Filme bei uns in der Bundesrepublik. Und die Absicht, der Grund um dieses Festival, die aus der Filmklubbewegung der ehemaligen DDR kam, war, diesen osteuropäischen Film, der in der DDR einen festen Platz in den Kinospielplänen hatte, weiterhin ein Forum zu bieten. Und das hat sich jetzt so gut entwickelt, dass mittlerweile in diesem Jahrhundert 35 Filme laufen in verschiedenen Sektionen, auch außerhalb des Wettbewerbs, in dem zehn Filme zu sehen sind.
Schossig: Als Schaufenster für den ost- und mitteleuropäischen Film muss Cottbus sicherlich vor allem einen Schwerpunkt auf die Filmgroßmacht Russland legen. Wie geschieht das in diesem Jahr?
Kersten: Das ist richtig. Zum ersten Mal wurde ein eigener Tag für eine bestimmte Filmnation eingeführt, und zwar ein russischer Tag, gleich am zweiten Tag nach der Eröffnung. Und da liefen eine ganze Reihe von russischen Filmen, die auch sonst nicht im Wettbewerb sind, die es aber verdienen, an ein breiteres Publikum, das Cottbus mittlerweile gewonnen hat, zu kommen. Und Russland ist ja die stärkste Produktion in der gesamten osteuropäischen Filmlandschaft. Es entstehen jetzt wieder bis zu 100 Filme pro Jahr. Und die sind auch qualitativ so hoch angesiedelt, dass sie eine Besonderheit sind und hier auch entsprechend behandelt werden.
Schossig: Werden die politisch eigentlich definiert nach dem, was aus dem Kreml kommt oder ist da relative Freiheit der Filme?
Kersten: Nein, damit gibt es jetzt eine völlige Freiheit der Filme, das ist kein Problem in diesem Jahr. Es gab zum Beispiel einen Film, der sich mit dem Tschetschenienkrieg beschäftigte, wo zwei russische Soldaten einen tschetschenischen Gefangenen durch unwegsames Berggelände begleiten bzw. er soll sie durch dieses Berggelände führen. Und im Verlaufe der Zeit kommt dann auch eine menschliche Beziehung zwischen den Russen und dem Tschetschenen zustande. Das ist ein Zeichen, dass es inzwischen eine differenziertere Betrachtung dieses Konflikts gibt. Und ein weiterer Höhepunkt war für mich "Riorita", ein Film über den Zweiten Weltkrieg, in dem auch ganz offen gezeigt wird, dass am Ende ein russischer Sergeant eine Deutsche vergewaltigt. Das ist auch ein hoch interessanter und sehr differenzierter russischer Antikriegsfilm.
Schossig: Cottbus hat auch natürlich einen Wettbewerb, Herr Kersten. Und der hat gestern mit einem Beitrag aus Polen begonnen. Ein Rückblick auf die realsozialistische Vergangenheit des Landes?
Kersten: Früher waren Filme über die Vergangenheit in den ganzen Ländern sehr en vogue und mittlerweile hat das nachgelassen. Aber dies war ein außerordentlich großartiger Film. Es ging darum um eine Frau, die nach 30-jähriger Ehe eine Kassette zugespielt bekommt, aus der hervorgeht, dass ihr Mann sie angeblich bespitzelt habe im Auftrage der Geheimpolizei. Und das vergiftet die ganze Ehe-Atmosphäre. Und der Film kommt dabei ohne viele Worte aus. Es ist fast ein Horror-Movie. Und ich fand ihn zu diesem Thema einen der interessantesten und gelungensten Filme überhaupt.
Schossig: Vergleichbar mit "Das Leben der Anderen"?
Kersten: Ich fand ihn besser als "Das Leben der Anderen", weil er wie gesagt, ganz auf die Atmosphäre fokussiert ist.
Schossig: Es gibt auch eine Sektion "Fokus", um beim Thema zu bleiben, Herr Kersten, die jeweils eine besondere Filmregion ins Auge fasst. Das sind in diesem Jahr die baltischen Staaten. Was gibt es dort zu sehen?
Kersten: Interessanterweise waren zwei Filme, die bisher zu sehen waren, drehten sich um Drogengeschäfte und Jugendliche, die in diese Szene hineingeraten. Es gab aber auch einen Film aus Lettland, der lief unter den Hits sozusagen, dass in jedem Jahr eine besondere Sektion "Hits" dabei ist, das sind die erfolgreichsten Filme im jeweiligen Land. Und dieses war ein patriotisches Spektakel, "Verteidiger von Riga", das spielte bei der lettischen Unabhängigkeit 1918/19, wo die Letten damals gegen Deutsche und Russen kämpfen mussten. Und das war ein riesiger Aufwand, das war die teuerste Produktion von Lettland bisher überhaupt. Aber sie war wirklich nur ein Hit und kein qualitätsvoller Film, der mich sogar manchmal an "Kolberg" von Veit Harlan erinnerte.
Heinz Kersten: Aber für Cottbus war das natürlich eine zusätzliche Aufwertung. In der Tat ist es für den osteuropäischen Film das wichtigste Forum auch international gesehen, denn in den Kinos laufen ja kaum osteuropäische Filme bei uns in der Bundesrepublik. Und die Absicht, der Grund um dieses Festival, die aus der Filmklubbewegung der ehemaligen DDR kam, war, diesen osteuropäischen Film, der in der DDR einen festen Platz in den Kinospielplänen hatte, weiterhin ein Forum zu bieten. Und das hat sich jetzt so gut entwickelt, dass mittlerweile in diesem Jahrhundert 35 Filme laufen in verschiedenen Sektionen, auch außerhalb des Wettbewerbs, in dem zehn Filme zu sehen sind.
Schossig: Als Schaufenster für den ost- und mitteleuropäischen Film muss Cottbus sicherlich vor allem einen Schwerpunkt auf die Filmgroßmacht Russland legen. Wie geschieht das in diesem Jahr?
Kersten: Das ist richtig. Zum ersten Mal wurde ein eigener Tag für eine bestimmte Filmnation eingeführt, und zwar ein russischer Tag, gleich am zweiten Tag nach der Eröffnung. Und da liefen eine ganze Reihe von russischen Filmen, die auch sonst nicht im Wettbewerb sind, die es aber verdienen, an ein breiteres Publikum, das Cottbus mittlerweile gewonnen hat, zu kommen. Und Russland ist ja die stärkste Produktion in der gesamten osteuropäischen Filmlandschaft. Es entstehen jetzt wieder bis zu 100 Filme pro Jahr. Und die sind auch qualitativ so hoch angesiedelt, dass sie eine Besonderheit sind und hier auch entsprechend behandelt werden.
Schossig: Werden die politisch eigentlich definiert nach dem, was aus dem Kreml kommt oder ist da relative Freiheit der Filme?
Kersten: Nein, damit gibt es jetzt eine völlige Freiheit der Filme, das ist kein Problem in diesem Jahr. Es gab zum Beispiel einen Film, der sich mit dem Tschetschenienkrieg beschäftigte, wo zwei russische Soldaten einen tschetschenischen Gefangenen durch unwegsames Berggelände begleiten bzw. er soll sie durch dieses Berggelände führen. Und im Verlaufe der Zeit kommt dann auch eine menschliche Beziehung zwischen den Russen und dem Tschetschenen zustande. Das ist ein Zeichen, dass es inzwischen eine differenziertere Betrachtung dieses Konflikts gibt. Und ein weiterer Höhepunkt war für mich "Riorita", ein Film über den Zweiten Weltkrieg, in dem auch ganz offen gezeigt wird, dass am Ende ein russischer Sergeant eine Deutsche vergewaltigt. Das ist auch ein hoch interessanter und sehr differenzierter russischer Antikriegsfilm.
Schossig: Cottbus hat auch natürlich einen Wettbewerb, Herr Kersten. Und der hat gestern mit einem Beitrag aus Polen begonnen. Ein Rückblick auf die realsozialistische Vergangenheit des Landes?
Kersten: Früher waren Filme über die Vergangenheit in den ganzen Ländern sehr en vogue und mittlerweile hat das nachgelassen. Aber dies war ein außerordentlich großartiger Film. Es ging darum um eine Frau, die nach 30-jähriger Ehe eine Kassette zugespielt bekommt, aus der hervorgeht, dass ihr Mann sie angeblich bespitzelt habe im Auftrage der Geheimpolizei. Und das vergiftet die ganze Ehe-Atmosphäre. Und der Film kommt dabei ohne viele Worte aus. Es ist fast ein Horror-Movie. Und ich fand ihn zu diesem Thema einen der interessantesten und gelungensten Filme überhaupt.
Schossig: Vergleichbar mit "Das Leben der Anderen"?
Kersten: Ich fand ihn besser als "Das Leben der Anderen", weil er wie gesagt, ganz auf die Atmosphäre fokussiert ist.
Schossig: Es gibt auch eine Sektion "Fokus", um beim Thema zu bleiben, Herr Kersten, die jeweils eine besondere Filmregion ins Auge fasst. Das sind in diesem Jahr die baltischen Staaten. Was gibt es dort zu sehen?
Kersten: Interessanterweise waren zwei Filme, die bisher zu sehen waren, drehten sich um Drogengeschäfte und Jugendliche, die in diese Szene hineingeraten. Es gab aber auch einen Film aus Lettland, der lief unter den Hits sozusagen, dass in jedem Jahr eine besondere Sektion "Hits" dabei ist, das sind die erfolgreichsten Filme im jeweiligen Land. Und dieses war ein patriotisches Spektakel, "Verteidiger von Riga", das spielte bei der lettischen Unabhängigkeit 1918/19, wo die Letten damals gegen Deutsche und Russen kämpfen mussten. Und das war ein riesiger Aufwand, das war die teuerste Produktion von Lettland bisher überhaupt. Aber sie war wirklich nur ein Hit und kein qualitätsvoller Film, der mich sogar manchmal an "Kolberg" von Veit Harlan erinnerte.