Es bleibt vor allem ein anderes Bild der Stadt zurück. Wir wollten nicht mehr als alte Hafen- und Industriestadt gelten, ein bisschen verstaubt, hier und da verdreckt, und von allen Künsten verlassen. Sondern als Stadt, die sich mit Fug und Recht eine Kulturstadt nennen kann, mit hoher Lebensqualität, einer erneuerten Urbanität und reich an kulturellem Leben.
Seit 1990 und zu Gelegenheiten wie den Columbusspielen 1992, dem Heiligen Jahr 2000 und dem G8-Gipfel 2002 sind über 2 Milliarden Euro nach Genua in die Stadterneuerung geflossen. Michaela Bürger, die das österreichische Kulturinstitut der ligurischen Landeshauptstadt leitet, kennt diese Entwicklung aus eigener Anschauung:
Ich liebe Genua, ich lebe gern hier seit zehn Jahren und ich habe die Entwicklung vom hässlichen Entlein zum Schwan mitverfolgt. Mit der Kulturhauptstadt ist es gelungen zu zeigen, dass Genua ein Schwan ist.
Das deutsche Goethe-Institut eröffnete sein Hauptstadt-Programm in diesem Jahr mit einer Beuys-Ausstellung und endet jetzt mit Baselitz. Zugleich begann es eine Partnerschaft mit den Kulturinstituten aus Frankreich, Spanien und Österreich. Institutsleiter Manfred Knisel erzählt:
Der Zufall wollte es, dass wir genau in diesem Jahr das europäische Kulturzentrum gegründet haben. Und da sind eine ganze Menge Veranstaltungen, die einen europäischen Kontext zumindest haben, nicht immer einen europäischen Inhalt. Insofern waren wir, glaube ich, insgesamt ganz gut dabei.
Allerdings zeigt sich Michaela Bürger zusammen mit ihrem deutschen Kollegen sehr kritisch, was die Programme der Kulturhauptstadt in diesem Jahr angeht.
Bürger:
Das Grundprinzip der Veranstalter war, alle hier ansässigen Künstler oder Organisatoren, die wir ohnehin schon haben, denen geben wir einfach ein bisschen mehr Geld und dann haben ein schönes Programm beisammen. Das ist gar nicht ganz schlecht aber wirkt doch, wenn es so einseitig ist, dann doch sehr selbstzentriert, die reine Nabelschau und vor allem auch irgendwie provinziell.
Knisel:
Eine andere Geschichte war eine Oper von Heiner Goebbels, sehr erfolgreich kann man sagen, wir haben den hiesigen Leiter der Oper nach Amsterdam geschickt, er hat auch hinterher gesagt, schön, sehr schön, interessant, aber leider völlig ungeeignet für das Publikum in Genua.
Überhaupt, so der Tenor der Kritiker, sei Europa viel zu wenig im Programm vorgekommen. Die Veranstalter wehren sich. Allein die großen Ausstellungen über Rubens, die Seefahrt, die Architektur seinen immer auch ein Spiegel europäischer Entwicklungen gewesen. Man habe ein europäisches Theatertreffen organisiert, für das aus Deutschland Pina Bausch mit ihrem "Kontakthof" eingeladen worden ist. Europäische Partner hätten sich auch am Lyrikfestival und am Festival der Wissenschaften beteiligt. Davide Viziano, der Präsident der Veranstaltungsgesellschaft "Genova 04", gesteht dabei selbstkritisch ein:
Sicher hätte man, was europäische Themen angeht, noch mehr machen können. Aber es ist für Genua nicht leicht, sich zu öffnen, weil es lange eine sehr verschlossene Stadt war.
Vielleicht sollte sich auch die Europäische Union in Zukunft stärker in die inhaltliche Vorbereitung einbringen und nicht nur den Titel einer europäischen Kulturhauptstadt ausloben, dem Genua trotz aller Kritik in diesem Jahr alle Ehre gemacht hat.