Ein schmaler Vorsprung nur ganz vorn an der Rampe ist der Spielraum, den die Figuren dieses Doppeldramas haben - vorne Abgrund, hinten Wand, haushoch, festungsgleich: die Stadt Theben. Links und rechts der Chor mit Masken aus Einkaufstüten, er klagt über die Pest, die Theben peinigt, fordert vom König, von Ödipus Erlösung. In die Verse mischt sich ein Klopfen - auf Kothurnen, rohen Holzblöcken eigentlich, schleppt sich Ödipus durch sein Volk auf die Bühne, auf dem Kopf ein fragiles Papiergebilde, Geweih eher als Krone, der Oberkörper nackt, dieser frühe König ist ein Geschundener, ein Schmerzensmann.
Vom ersten Chorwort an hat diese Inszenierung eine Wucht, die mitten in den Solarplexus trifft. Statisch, ohne starr zu sein, lässt sie zwischen den Figuren viel Zeit, viel Stille, viel Raum. Raum fürs Archaische, Monströse - aber auch Gedankenraum. Hier ist nichts verzappelt, nichts Mätzchen, das alte Wort Gebärde drängt sich auf: Jede Geste ist aufgeladen mit Bedeutung, auch wenn sie nicht gleich entzifferbar scheint. So wie der Kuss, den Antigone ihrem ärgsten Gegner, dem Onkel Kreon gibt: eine diesem Stück ganz fremde Berührung, und man weiß nicht, was das ist: jugendlicher Liebeshunger? Ein Versuch, dem Erstarrten Leben einhauchen? Oder den Hauch des Verderbens? Constanze Becker spielt die Antigone und die Iokaste. Die geradezu körperlich zerreißende Spannung, die sie als Iokaste ausspielt, fehlt ihr als Antigone - die energische Rebellin, eine Figur wie aus dem Sturm und Drang, nimmt man ihr ab, die Todesfurcht und den Furor des Rechthabens kaum.
In der "Antigone", heißt es, geht es nicht mehr um Schicksal, sondern um individuelle, moralische und politische Entscheidungen, hier gibt es erstmals auch Luft für Ironie, Distanz, Komik, die Thalheimer durchaus ausspielt. Im Grunde aber sieht er den Prozess der Aufklärung, der bei Sophokles in Gang kommt, scheitern - oder zumindest begraben unter blutigen Opfern.
Wie Ödipus blutig abtrat, nachdem er sich die Augen ausstach, tritt Kreon blutverschmiert auf. Marc Oliver Schulze spielt die beiden, das von den Göttern geschlagenen Monster und den Politiker, der mit der Sprache spielt wie mit der Macht. Schulze macht das großartig, mit ausladender Körpersprache und beredten Händen; und eigentlich ist auch der zweite Teil sein, Kreons Drama, das Drama eines Mannes, der sich krümmt wie ein Wurm vor seinem eigenen Machtwort und alles verliert, Frau und Kind und Rechthabenwollen. Am Ende setzt sich Kreon die Maske des Ödipus auf - und alles ist zurückgedreht auf Anfang.
Es ist ein sehr beeindruckender, wenn auch kein wirklich ganz großer Abend, dieser Auftakt zur Intendanz von Oliver Reese. Und die Frankfurter jubeln über den Import einer Marke, die derzeit hoch gehandelt wird in der Theaterrepublik. Eine Frankfurter Handschrift muss daraus erst noch werden. Vielleicht, wenn heute Abend, mit dem Musical "Cabaret", Michael Simon an den Ausgangpunkt seiner Regiekarriere zurückkehrt - oder morgen, wenn die junge Hausregisseurin Bettina Brunier mit Paul Austers "Stadt aus Glas" ihre Visitenkarte abgibt - schmeichelhaft genug ist sie jedenfalls, die Vorstellung, dass die kleine Bankenstadt am Main sich hier im Bild der Metropole New York spiegelt.
Vom ersten Chorwort an hat diese Inszenierung eine Wucht, die mitten in den Solarplexus trifft. Statisch, ohne starr zu sein, lässt sie zwischen den Figuren viel Zeit, viel Stille, viel Raum. Raum fürs Archaische, Monströse - aber auch Gedankenraum. Hier ist nichts verzappelt, nichts Mätzchen, das alte Wort Gebärde drängt sich auf: Jede Geste ist aufgeladen mit Bedeutung, auch wenn sie nicht gleich entzifferbar scheint. So wie der Kuss, den Antigone ihrem ärgsten Gegner, dem Onkel Kreon gibt: eine diesem Stück ganz fremde Berührung, und man weiß nicht, was das ist: jugendlicher Liebeshunger? Ein Versuch, dem Erstarrten Leben einhauchen? Oder den Hauch des Verderbens? Constanze Becker spielt die Antigone und die Iokaste. Die geradezu körperlich zerreißende Spannung, die sie als Iokaste ausspielt, fehlt ihr als Antigone - die energische Rebellin, eine Figur wie aus dem Sturm und Drang, nimmt man ihr ab, die Todesfurcht und den Furor des Rechthabens kaum.
In der "Antigone", heißt es, geht es nicht mehr um Schicksal, sondern um individuelle, moralische und politische Entscheidungen, hier gibt es erstmals auch Luft für Ironie, Distanz, Komik, die Thalheimer durchaus ausspielt. Im Grunde aber sieht er den Prozess der Aufklärung, der bei Sophokles in Gang kommt, scheitern - oder zumindest begraben unter blutigen Opfern.
Wie Ödipus blutig abtrat, nachdem er sich die Augen ausstach, tritt Kreon blutverschmiert auf. Marc Oliver Schulze spielt die beiden, das von den Göttern geschlagenen Monster und den Politiker, der mit der Sprache spielt wie mit der Macht. Schulze macht das großartig, mit ausladender Körpersprache und beredten Händen; und eigentlich ist auch der zweite Teil sein, Kreons Drama, das Drama eines Mannes, der sich krümmt wie ein Wurm vor seinem eigenen Machtwort und alles verliert, Frau und Kind und Rechthabenwollen. Am Ende setzt sich Kreon die Maske des Ödipus auf - und alles ist zurückgedreht auf Anfang.
Es ist ein sehr beeindruckender, wenn auch kein wirklich ganz großer Abend, dieser Auftakt zur Intendanz von Oliver Reese. Und die Frankfurter jubeln über den Import einer Marke, die derzeit hoch gehandelt wird in der Theaterrepublik. Eine Frankfurter Handschrift muss daraus erst noch werden. Vielleicht, wenn heute Abend, mit dem Musical "Cabaret", Michael Simon an den Ausgangpunkt seiner Regiekarriere zurückkehrt - oder morgen, wenn die junge Hausregisseurin Bettina Brunier mit Paul Austers "Stadt aus Glas" ihre Visitenkarte abgibt - schmeichelhaft genug ist sie jedenfalls, die Vorstellung, dass die kleine Bankenstadt am Main sich hier im Bild der Metropole New York spiegelt.