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Blinde Flecken in den Medien
Zu viel Einheitsbrei

In der Tagesschau und in vielen anderen Nachrichtenredaktionen werden täglich die wichtigsten Neuigkeiten aus der ganzen Welt zusammengetragen. Über Relevanz und Gewichtung entscheiden Journalisten. Doch dabei bleiben einige Regionen und Themen unbeachtet.

27.12.2017
    Gelesene Zeitungen auf einem Stapel
    Welche Themen schaffen es in die Schlagzeilen - und wo gibt es blinde Flecken? (imago / Chromorange)
    Jeden Tag wird in der Redaktion der Tagesschau eine Auswahl getroffen – mit den wichtigsten Meldungen, die es in die Hauptausgabe um 20 Uhr schaffen. Dabei zeigen sich bestimmte thematische und auch geografische Schwerpunkte.
    Doch eine Auswahl bedeutet zugleich, dass unzählige Neuigkeiten ungenannt bleiben müssen – blinde Flecken in der Nachrichtenwelt. In einer Studie hat der Germanist Ladislaus Ludescher untersucht, bei welchen Themen diese blinden Flecken besonders groß sind.
    Während die Berichterstattung häufig auf Europa und Nordamerika fokussiert ist, sind große Teile von Afrika oder Asien unterrepräsentiert. Das liege unter anderem daran, dass die Verteilung der Korrespondentenplätze je nach Region stark variiere und die Berichtsgebiete unterschiedlich groß seien – aber auch, "weil uns der Westen kulturell näher ist und man sich besser in die Menschen hineinversetzen" kann, so Ludescher im Gespräch mit @mediasres.
    Echo-Raum in der Berichterstattung
    Aus seiner Sicht wäre es wichtig, auch Randthemen ins Auge zu fassen. Ludescher hat für seine Studie 1000 Tageschau-Folgen angesehen und diese Tagesschau-Folgen auf die Häufigkeit der Berichterstattung aus bestimmten Regionen untersucht.
    Dass es in der nachrichtlichen Berichterstattung blinde Flecken gibt, bestätigt auch der Journalist und Medienwissenschaftler Hektor Haarkötter. Mit der "Initiative Nachrichtenaufklärung" möchte er Themen und Orte, die es journalistisch nicht oder nur selten in diesem Jahr in die Medien geschafft haben, ins Bewusstsein rücken.
    Neues erzählen
    Dabei setzt er auch auf die Zusammenarbeit unter Journalisten-Kollegen, so dass Geschichten auch weiterentwickelt werden können. Dazu würden auch Rechercheunterlagen auf Anfrage weitergegeben, sagte Haarkötter im Deutschlandfunk. "Wir machen gemeinnützigen Journalismus."
    Aus seiner Sicht braucht es den Mut, in exklusiven Geschichten Neues zu erzählen und dafür nicht nur auf Prominenz oder geografische Nähe zu setzen.
    Häufig gibt es pragmatische Gründe, die dazu führen, dass bestimmte Themen in den Medien häufig auftauchen und andere nicht. Dazu zählen aus Sicht von Haarkötter auch wirtschaftliche Zwänge. Die Geschichten, die versprechen, populär zu sein und sich gut zu verkaufen lassen, würden mehr beachtet – "und dazu gehören nicht unbedingt Geschichten, die in Psychiatrien oder Seniorenheimen spielen".
    Auch Rita Vock aus der Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks ist Mitglied bei der Initiative Nachrichtenaufklärung. Als wichtigstes Kriterium, nach dem es eine Meldung in die Nachrichten schafft, sieht sie die Relevanz. Auch sie beklagt aber, dass etliche Teile der Erde nicht gut durch ein Korrespondentennetz abgedeckt sind.