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Blitze an der Leine

Physik. - Benjamin Franklin ließ 1752 für die Gewitterforschung einen Drachen in blitzschwangere Wolken steigen – ein Verfahren von bemerkenswertem Leichtsinn, das ihm aber die Gewissheit eintrug: Blitze sind ein elektrisches Phänomen. Heute nähern sich Blitzforscher dem himmlischen Starkstrom wesentlich vorsichtiger - mit Licht.

Von Mathias Schulenburg | 28.10.2008
    Einen Donnerschlag kann der Laser im Projekt Teramobile einstweilen nicht auslösen, obwohl er es in sich hat, wie Kamil Stelmaszczyk, Mitglied der beteiligten Forschergruppe an der Freien Universität Berlin, versichert:

    "Der Laserpuls, den wir schließlich in die Atmosphäre schicken, hat 400 Millijoule Energie, und die Pulslänge beträgt hundert Femtosekunden. Daraus ergibt sich eine Leistung von vier Terawatt."

    Das ist mehr Leistung, als alle Kraftwerke der Welt zusammen liefern können, allerdings kommt sie nur für eine so kurze Zeit zum Zuge, dass die eingesetzte Energie – das Produkt von Leistung und Zeit – noch nicht einmal zum Braten eines Spiegeleis reichen würde. Gleichwohl: Die blitzartig eingesetzte Energie hat Folgen: Sie schafft in der Luft einen so genannten Plasmakanal, das ist ein mit elektrisch geladenen Teilchen gefüllter Gasschlauch, ähnlich dem in einer eingeschalteten Leuchtstoffröhre. Solche Kanäle sind elektrisch leitend, auch für Blitze. Das hat sich in Voruntersuchungen zeigen lassen.

    "Wir hatten einen Hochspannungsgenerator, der elektrische Spannungen erzeugen konnte, wie sie in einer Gewitterwolken auftreten. Diese Hochspannung haben wir an zwei Metallplatten gelegt und zwischen die unseren Laserblitz geschossen. Und da konnten wir eben sehen, dass der Laser Entladungen auslöste, genau am Laserstrahl entlang. Wir konnten also tatsächlich Ort und Zeit der Entladung bestimmen."

    Auf lange Sicht halten es die an Teramobile beteiligten Wissenschaftler für möglich, Gewitterwolken lokal entladen zu können, was für die Luftfahrt bedeutsam wäre. Für deren Flugzeuge nämlich werden mehr und mehr Kunststoffteile verwendet, weil die zäher und leichter sind als Metall. Andererseits leiten die Teile Elektrizität schlechter, wodurch die Schutzfunktion des Metalls – als so genannter Faradayscher Käfig – wegfällt. Mit Terawatt-Lasern könnten nahe Gewitterwolken womöglich so weit entladen werden, dass sie keinen Schaden mehr anrichten können. Die bisherigen Versuche wurden in Neu Mexico gemacht; die für eine Entladung der Gewitterwolke vom Erdboden aus erforderlichen langen Blitzkanäle konnten dabei noch nicht erzeugt werden, wohl aber kurze Kanäle. Kamil Stelmaszczyk:

    "Wir konnten zeigen, dass wir mit unseren Laserimpulsen elektrische Aktivitäten in Gewitterwolken auslösen konnten, indem wir im Radiowellenbereich eine Art Knistern im Gleichtakt mit unseren Laserimpulsen registrierten, hervorgerufen durch so genannte Korona-Entladungen, wie sie einem Blitzschlag vorausgehen. Durch unsere Laserimpulse hatten wir also elektrisch leitende kleine Plasmakanäle gebildet."

    Koronaeffekte waren den Seefahrern der Segelschiffsära durchaus bekannt: An den Mastspitzen der Windjammer bildeten sich unter den elektrischen Feldern eines Gewitters oftmals Leuchterscheinungen, so genannte St.Elms-Feuer.