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Blitze im Fokus

Physik. - "Plasmaphysik und Physik kurzer Zeitskalen" ist ein Frühjahrstreffen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Aachen überschrieben, das noch bis zum Freitag dieser Woche andauert. Zu den Kurzzeit-Phänomenen zählen natürlich auch Blitze, früher so ungefähr das Schnellste, was man sich denken konnte, jetzt kann man diesem und verwandten Phänomenen mit Hochgeschwindigkeitskameras detailliert auf die Sprünge kommen. Ein Blitz im kleinen Maßstab, ein Forschungsblitz, heißt schon einmal "Streamer"

    Von Mathias Schulenburg

    Das Wort "Streamer" wird in Langenscheidts Enzyklopädischem Lexikon ebenso stiefmütterlich behandelt wie in der "Encyclopedia Britannica"; im ersten Werk ist ein "Streamer" etwas Strömendes, Fließendes, Flatterndes; die Britannica verweist auf im Mittelalter getragene Damenschleier und Ähnliches. Für Ute Ebert vom Zentrum für Mathematik und Informatik in Amsterdam, zugleich Professorin an der Technischen Universität Eindhoven, sind "Streamer" ein handfester Forschungsgegenstand:

    Im Prinzip sind Streamer kleine, vorübergehend existierende Ladungskanälchen, die angeregt werden durch ein starkes elektrisches Feld, die können überall in der Natur vorkommen; eine interessante Beobachtung in den letzten Jahren ist, dass ähnliche Phänomene auch bei der Entladung einer Wolke in die Ionosphäre stattfinden können, ein altes bekanntes Beispiel ist auch das St. Elms-Feuer an der Spitze von Schiffen, wo man auch plötzlich kleine Entladungen sieht, die vorübergehend nach außen wegschießen und dabei etwas Licht abgeben.

    Streamer sind es auch, die das klatschende Geräusch machen, wenn der Stromabnehmerbügel einer Straßenbahn keinen rechten Kontakt findet und Funken schlägt. Ute Ebert und Kollegen haben mit schnellen elektronischen Kameras noch einmal genau hingesehen, was in einem solchen Funkenkanal passiert - und eine Überraschung gefunden:

    Das Interessante ist, dass man auf den alten Bildern nur jeweils den kompletten Kanal sah und man annahm, dass der komplette Kanal auch Licht emittiert, dagegen, was man jetzt mit den hochzeitaufgelösten Messungen, die tatsächlich eine Aufnahmezeit von einer Nanosekunde und weniger haben, sehen kann, ist, dass de facto nicht der komplette Kanal Licht aussendet, sondern nur ein aktives Köpfchen des Kanals, das aktiv wächst, das Licht aussendet, und auf diese Weise kann man wieder die Dynamik genau abbilden und dann auch wieder theoretisch verstehen.

    Die Wissenschaftler haben sich mit der Beobachtung nicht zufrieden gegeben, sondern das Phänomen auch rechnerisch zu deuten versucht. Die Funkenkanäle, fanden die Forscher, verzweigen sich ähnlich wie das Geäst einer Koralle. Die mathematische Simulation stülpt dem Raum, in dem der Funken fliegt, wie üblich ein Gitter über, das für Details mitunter zu grob sein kann, so Ebert:

    und deshalb gibt es dafür auch interessante Techniken, wo man nicht auf einem gleichmäßigen Gitter die Berechnung ausführt sondern lokal, wo viel Struktur ist, wird ein sehr feines Gitter verwendet, dann muss man das feine Gitter an das grobe Gitter anknüpfen - das sind alles Techniken, die wir im Augenblick entwickeln für die Simulation von Streamers

    was sich durchaus einmal in barer Münze niederschlagen kann, denn am Ende können sehr handfeste praktische Anwendungen stehen. Ebert:

    Ozonerzeugung, Rauchgasreinigung, im Prinzip sind das alles Prozesse, wo man chemische Anregungen in ein Gas einbringen will, um das zu gewissen Reaktionen anzuregen, und dazu ist eine Streameranregung ein sehr geeignetes Mittel.

    Auch der gute alte Blitz ist ein "Streamer", allerdings ein sehr großer, und von Blitzen kann man eigentlich nie genug wissen.