Keine Angst: Ihr Radio ist völlig in Ordnung. Was sie gerade gehört haben, sind feuernde Nervenzellen. Jeder einzelne Ton steht für ein so genanntes Aktionspotential. Mit einem Aktionspotential übermittelt eine Nervenzelle ein Signal an eine nachgeschaltete Zelle. Allerdings entscheidet sich die Empfängerzelle nur höchst selten dazu, ein Signal weiterzuleiten. Jede Hirnzelle erhält schätzungsweise tausende von eingehenden Impulsen pro Sekunde, beantwortet aber im Mittel nur zirka ein bis zehn Signale mit einem eigenen Aktionspotential. Die elektrische Aktivität einer Nervenzelle beschreibt das so genannte Hodgkin-Huxley-Modell. Mit Hilfe dieses Modells hatte der deutsche Neurophysiker Fred Wolf versucht, vorherzusagen, wann eine Nervenzelle in einem definiertem Zeitfenster ein Aktionspotential aussendet. Er scheiterte:
"Das war sehr schmerzhaft, tatsächlich hat es ungefähr ein Jahr gedauert, bis wir endgültig aufgegeben haben und die Gründe verstanden haben, warum es unmöglich, ist ein Hodgin-Huxley-Typ-Modell so zurechtzubiegen, dass es die Zellen abbildet in ihrer elektrischen Aktivität."
Die Arbeitsgruppe von Fred Wolf am Göttinger Bernstein-Zentrum für Computational Neuroscience fand heraus, dass Nervenzellen offensichtlich viel schneller feuern, als es die Theorie nach Hogkin-Huxley eigentlich erlaubt. Ein anderes Problem stellten die so genannten Schwellenwerte dar. Die eingehenden Impulse müssen einen bestimmten Schwellenwert erreichen, damit sie in der Zelle ein Aktionspotential auslösen. Diese Schwellenwerte waren viel variabler als es Hodgkin-Huxley-Modell zulässt. Das hat wahrscheinlich etwas mit den Natriumkanälen in der Zellmembran der Nervenzellen zu tun. Diese Kanäle öffnen sich, wenn durch einen eingehenden Impuls ein Schwellenwert überschritten wird, Natriumionen strömen in die Nervenzelle ein. Dadurch entsteht eine Spannungsdifferenz zwischen dem Zellinneren und der Umgebung - und die Zelle feuert ein Aktionspotential ab.
"Jeder Ionenkanal hat so eine Art Spannungssensor - das erlaubt es Natriumkanälen, zu spüren, ob jetzt über der Zellmembran 50 Millivolt oder vierzig oder dreißig Millivolt Spannungsunterschied anliegen und abhängig davon zu öffnen. Diese Entscheidung trifft aber im Rahmen der Hodgkin-Huxley-Theorie jeder Ionenkanal für sich alleine."
Und genau da liegt das Problem: Bis jeder Kanal für sich eine "Entscheidung" getroffen hat, vergeht einfach zuviel Zeit. Fred Wolf musste also ein neues Modell entwickeln, mit dem er das Feuern der Nervenzellen richtig beschreiben kann. Dabei ging er von der Annahme aus, dass die Natriumkanäle in der Zellmembran irgendwie gekoppelt sind und sich gemeinsam öffnen. Das hat Konsequenzen für das Verhalten von Nervenzellen: Sie können zehn mal schneller reagieren und ihre Schwellenwerte sind ungefähr um ein fünffaches variabler. Schnelle eingehende Signale leiten sie effizient weiter, langsame Signale haben weniger gute Chancen durchzukommen. Das erklärt viele Phänomene besser als das Hodgin-Huxley-Modell.
"Für manche Verhaltensleistungen lässt sich zeigen, dass nur wenige hundert Millisekunden zur Verfügung stehen, um von einem Sinneseindruck zu einer Verhaltensentscheidung kommen. Die Architektur der Großhirnrinde ist aber insgesamt sehr vielschichtig. Das heißt, die Großhirnrinde besteht aus einer großen Zahl von Arealen. Das sind Gebiete, die auf spezifische Funktionen spezialisiert sind und die untereinander kommunizieren müssen, um das Erkennen von einem bekannten Gesicht oder von einem gefährlichen Tier zu verwirklichen. Und wenn man abzählt, wie viele Schritte neuronaler Verarbeitung nötig sind, um von einem Sinneseindruck zu einer Verhaltensreaktion zu kommen, dann ist das in einer Größenordnung von mehreren Dutzend. In einer sehr kurzen Zeit heißt das aber, dass jede einzelne Station in der Großhirnrinde ihre Aufgabe in sehr geringer Zeit vollführen muss. Und das sind typischerweise Zeiten, in denen ein oder mehrere Aktionspotentiale gar nicht ausgelöst werden."
Inzwischen haben Forscher an der Universität Bochum das Göttinger Modell mit Erfolg in der Praxis getestet. In den Experimenten verhielten sich die Nervenzellen tatsächlich genauso, wie es Fred Wolf und seine Kollegen vorhergesagt haben. Allerdings gilt das vermutlich nur für höhere Organismen: damit das Gehirn der Säugetiere – und vor allem das des Menschen – seine enorme Denkleistung vollbringen kann. Hodgkin und Huxley hatten die Untersuchungen zu ihrem Modell an Nervenfasern von Tintenfischen durchgeführt - und die funktionieren wahrscheinlich tatsächlich nach dem alten Modell.
"Das war sehr schmerzhaft, tatsächlich hat es ungefähr ein Jahr gedauert, bis wir endgültig aufgegeben haben und die Gründe verstanden haben, warum es unmöglich, ist ein Hodgin-Huxley-Typ-Modell so zurechtzubiegen, dass es die Zellen abbildet in ihrer elektrischen Aktivität."
Die Arbeitsgruppe von Fred Wolf am Göttinger Bernstein-Zentrum für Computational Neuroscience fand heraus, dass Nervenzellen offensichtlich viel schneller feuern, als es die Theorie nach Hogkin-Huxley eigentlich erlaubt. Ein anderes Problem stellten die so genannten Schwellenwerte dar. Die eingehenden Impulse müssen einen bestimmten Schwellenwert erreichen, damit sie in der Zelle ein Aktionspotential auslösen. Diese Schwellenwerte waren viel variabler als es Hodgkin-Huxley-Modell zulässt. Das hat wahrscheinlich etwas mit den Natriumkanälen in der Zellmembran der Nervenzellen zu tun. Diese Kanäle öffnen sich, wenn durch einen eingehenden Impuls ein Schwellenwert überschritten wird, Natriumionen strömen in die Nervenzelle ein. Dadurch entsteht eine Spannungsdifferenz zwischen dem Zellinneren und der Umgebung - und die Zelle feuert ein Aktionspotential ab.
"Jeder Ionenkanal hat so eine Art Spannungssensor - das erlaubt es Natriumkanälen, zu spüren, ob jetzt über der Zellmembran 50 Millivolt oder vierzig oder dreißig Millivolt Spannungsunterschied anliegen und abhängig davon zu öffnen. Diese Entscheidung trifft aber im Rahmen der Hodgkin-Huxley-Theorie jeder Ionenkanal für sich alleine."
Und genau da liegt das Problem: Bis jeder Kanal für sich eine "Entscheidung" getroffen hat, vergeht einfach zuviel Zeit. Fred Wolf musste also ein neues Modell entwickeln, mit dem er das Feuern der Nervenzellen richtig beschreiben kann. Dabei ging er von der Annahme aus, dass die Natriumkanäle in der Zellmembran irgendwie gekoppelt sind und sich gemeinsam öffnen. Das hat Konsequenzen für das Verhalten von Nervenzellen: Sie können zehn mal schneller reagieren und ihre Schwellenwerte sind ungefähr um ein fünffaches variabler. Schnelle eingehende Signale leiten sie effizient weiter, langsame Signale haben weniger gute Chancen durchzukommen. Das erklärt viele Phänomene besser als das Hodgin-Huxley-Modell.
"Für manche Verhaltensleistungen lässt sich zeigen, dass nur wenige hundert Millisekunden zur Verfügung stehen, um von einem Sinneseindruck zu einer Verhaltensentscheidung kommen. Die Architektur der Großhirnrinde ist aber insgesamt sehr vielschichtig. Das heißt, die Großhirnrinde besteht aus einer großen Zahl von Arealen. Das sind Gebiete, die auf spezifische Funktionen spezialisiert sind und die untereinander kommunizieren müssen, um das Erkennen von einem bekannten Gesicht oder von einem gefährlichen Tier zu verwirklichen. Und wenn man abzählt, wie viele Schritte neuronaler Verarbeitung nötig sind, um von einem Sinneseindruck zu einer Verhaltensreaktion zu kommen, dann ist das in einer Größenordnung von mehreren Dutzend. In einer sehr kurzen Zeit heißt das aber, dass jede einzelne Station in der Großhirnrinde ihre Aufgabe in sehr geringer Zeit vollführen muss. Und das sind typischerweise Zeiten, in denen ein oder mehrere Aktionspotentiale gar nicht ausgelöst werden."
Inzwischen haben Forscher an der Universität Bochum das Göttinger Modell mit Erfolg in der Praxis getestet. In den Experimenten verhielten sich die Nervenzellen tatsächlich genauso, wie es Fred Wolf und seine Kollegen vorhergesagt haben. Allerdings gilt das vermutlich nur für höhere Organismen: damit das Gehirn der Säugetiere – und vor allem das des Menschen – seine enorme Denkleistung vollbringen kann. Hodgkin und Huxley hatten die Untersuchungen zu ihrem Modell an Nervenfasern von Tintenfischen durchgeführt - und die funktionieren wahrscheinlich tatsächlich nach dem alten Modell.