Blockbuster als Lehrmittel Harry Potter schlägt den jungen Werther
Die Blockbuster des Mainstreamkinos sind bei Teenagern beliebt, weil sie "versuchen, fiktionale Erzählungen zu finden, in denen sich die Jugendlichen wiederfinden können“, sagte Medienforscher Werner Barg im Dlf. Im Buch "Blockbuster Culture" zeigt er, warum populäre Filme Orientierungshilfe bieten.
Werner Barg im Corsogespräch mit Achim Hahn | 26.03.2019
Das Themen-Alphabet reicht von Architektur, Bytes und Comics über Film und Mode bis Zukunftsmusik. Ohne Etiketten wie "U", "E", "Post" oder "Proto" analysiert und diskutiert das tagesaktuelle Magazin Phänomene der Gegenwartskultur. Corso ist alles andere als reine Nacherzählungsberichterstattung oder Terminjournalismus, der nur die Chronistenpflicht erfüllt. Das Popkulturmagazin dreht die Themen weiter, um Mehrwert und Neuigkeitswert zu bieten. Kulturschaffende sind regelmäßig zu Gast im Studio und stehen im Corsogespräch Rede und Antwort. "Corso - Kunst & Pop" spielt musikjournalistisch ausgewählte Songs, die aktuell sind und nationale sowie globale Trends abbilden. Denn Musik ist Information - und Popkultur ist ohne Popmusik nicht denkbar.
Figur mit Identifikationspotential: Der Film "Harry Potter" - hier bei einer Premiere in Japan (EPA /dpa (David Coll Blanco))
Der Medien- und Filmwissenschaftler Werner Barg untersucht in seinem neuen Buch "Blockbuster Culture", warum Jugendliche besonders von Comic- oder Fantasy-Verfilmungen des Mainstream-Kinos fasziniert sind. Zwar nehme nach Studien der Kinobesuch von Jugendlichen insgesamt ab, bei Blockbustern gebe es aber einen sehr hohen Jugendanteil, fand Barg heraus. Letzterer umfasse in der Altersspanne der 14- bis 29-Jährigen fast 40 Prozent.
Der Sog der Faszination
Um diesen Sog der Faszination zu erzeugen, "spielen heute sehr viel Spezialeffekte, eine bombastische Musik und insgesamt der Versuch, fremde Welten zu zeigen und in einer modernen Form fantastische Märchen zu erzählen eine Rolle", erklärte Werner Barg im Corsogespräch.
Dabei würden sehr viele Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen angesprochen: "Zum Beispiel die Orientierung in neuen Werten; der Körper verändert sich. Wie geht man mit der eigenen Körperlichkeit um? Man muss sich in der Identität selbst finden. Wie sehen Zukunftsvorstellungen aus, wie löse ich mich von der Erwachsenenwelt ab - schroff oder harmonisch?" Das fände sich in vielen Blockbauster-Filmen wieder, wie zum Beispiel "Spiderman". "Blockbuster-Filme versuchen, fiktionale Erzählungen zu finden, in denen sich die Jugendlichen wiederfinden können."
Bloß eine Moral von der Geschicht'
Es gehe dabei um Erzählstrukturmuster wie zum Beispiel die Heldenreise, die dann von den Zuschauern auf ihr eigenes Leben übertragen würden. Man dürfe aber nicht zu offensichtlich quasi eine "Moral von der Geschicht'" vermitteln. Im Kern seien das aber auch eher konventionelle Lösungsstrategien, die Bejahung traditioneller Rollenbilder oder affirmativer Gesellschaftsbilder, die die Filme für die Entwicklungsaufgaben anböten. Auch gäbe es in den Blockbustern, die hauptsächlich aus den USA kämen, auch ganz bestimmte, oft gewalt-verherrlichende Lösungsstrategien mit bisweilen extremen Nationalpathos.
"Es gibt aber auch sehr stark kritische Botschaften in den Blockbuster-Filmen." Zum Beispiel enthalte "Avatar", der größte Blockbuster aller Zeiten, eine Reihe sehr kritischer Botschaften. Zum Beispiel, wie die Menschen auf diesem fiktiven Planeten mit der Natur umgingen. "Es gibt aus meiner Sicht auch eine Auseinandersetzung mit dem Attentat vom 11. September."
Das Fazit seines Buches sei unter anderem, dass er hoffe, "das Pädagogen und Lehrer durch dieses Buch vielleicht nicht nur 'Die Leiden des jungen Werthers' im Unterricht behandeln, sondern vielleicht auch mal einen 'Spiderman' oder 'Die Tribute von Panem'."
Werner C. Barg: "Blockbuster Culture - Warum Jugendliche das Mainstream-Kino fasziniert" Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2019. 168 Seiten, 17 Euro.