Dienstag, 19. März 2024

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Blockbuster als Lehrmittel
Harry Potter schlägt den jungen Werther

Die Blockbuster des Mainstreamkinos sind bei Teenagern beliebt, weil sie "versuchen, fiktionale Erzählungen zu finden, in denen sich die Jugendlichen wiederfinden können“, sagte Medienforscher Werner Barg im Dlf. Im Buch "Blockbuster Culture" zeigt er, warum populäre Filme Orientierungshilfe bieten.

Werner Barg im Corsogespräch mit Achim Hahn | 26.03.2019
Japanische Jugendliche warten auf dem Roten Teppich auf Daniel Radcliffe
Figur mit Identifikationspotential: Der Film "Harry Potter" - hier bei einer Premiere in Japan (EPA /dpa (David Coll Blanco))
Der Medien- und Filmwissenschaftler Werner Barg untersucht in seinem neuen Buch "Blockbuster Culture", warum Jugendliche besonders von Comic- oder Fantasy-Verfilmungen des Mainstream-Kinos fasziniert sind. Zwar nehme nach Studien der Kinobesuch von Jugendlichen insgesamt ab, bei Blockbustern gebe es aber einen sehr hohen Jugendanteil, fand Barg heraus. Letzterer umfasse in der Altersspanne der 14- bis 29-Jährigen fast 40 Prozent.
Der Sog der Faszination
Um diesen Sog der Faszination zu erzeugen, "spielen heute sehr viel Spezialeffekte, eine bombastische Musik und insgesamt der Versuch, fremde Welten zu zeigen und in einer modernen Form fantastische Märchen zu erzählen eine Rolle", erklärte Werner Barg im Corsogespräch.
Dabei würden sehr viele Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen angesprochen: "Zum Beispiel die Orientierung in neuen Werten; der Körper verändert sich. Wie geht man mit der eigenen Körperlichkeit um? Man muss sich in der Identität selbst finden. Wie sehen Zukunftsvorstellungen aus, wie löse ich mich von der Erwachsenenwelt ab - schroff oder harmonisch?" Das fände sich in vielen Blockbauster-Filmen wieder, wie zum Beispiel "Spiderman". "Blockbuster-Filme versuchen, fiktionale Erzählungen zu finden, in denen sich die Jugendlichen wiederfinden können."
Bloß eine Moral von der Geschicht'
Es gehe dabei um Erzählstrukturmuster wie zum Beispiel die Heldenreise, die dann von den Zuschauern auf ihr eigenes Leben übertragen würden. Man dürfe aber nicht zu offensichtlich quasi eine "Moral von der Geschicht'" vermitteln. Im Kern seien das aber auch eher konventionelle Lösungsstrategien, die Bejahung traditioneller Rollenbilder oder affirmativer Gesellschaftsbilder, die die Filme für die Entwicklungsaufgaben anböten. Auch gäbe es in den Blockbustern, die hauptsächlich aus den USA kämen, auch ganz bestimmte, oft gewalt-verherrlichende Lösungsstrategien mit bisweilen extremen Nationalpathos.
Wir haben noch länger mit Werner Barg gesprochen – hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
"Es gibt aber auch sehr stark kritische Botschaften in den Blockbuster-Filmen." Zum Beispiel enthalte "Avatar", der größte Blockbuster aller Zeiten, eine Reihe sehr kritischer Botschaften. Zum Beispiel, wie die Menschen auf diesem fiktiven Planeten mit der Natur umgingen. "Es gibt aus meiner Sicht auch eine Auseinandersetzung mit dem Attentat vom 11. September."
Das Fazit seines Buches sei unter anderem, dass er hoffe, "das Pädagogen und Lehrer durch dieses Buch vielleicht nicht nur 'Die Leiden des jungen Werthers' im Unterricht behandeln, sondern vielleicht auch mal einen 'Spiderman' oder 'Die Tribute von Panem'."
Werner C. Barg: "Blockbuster Culture - Warum Jugendliche das Mainstream-Kino fasziniert"
Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2019. 168 Seiten, 17 Euro.