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"Bloß wegen Björk?"

Es kann nicht schaden, einen Roman von Halldor Laxness gelesen, die Musik von Björk schon mal gehört zu haben oder die nordischen Sagen, Vulkane, Geysire und unberechenbares Wetter zu lieben. Wer sich als Ausstauschstudent für die zugleich nördlichste und westlichste Hauptstadt des europäischen Kontinentes entscheidet, gilt vermutlich bei seinen Kommilitonen als Exot. Aber Reykjavik ist nicht nur die extravagante Alternative zum Mainstream. Island selbst ist ebenso reizvoll wie das Studium an der kleinen Universität, und tatsächlich kommen die meisten Austauschstudenten aus Deutschland, gleichauf mit den Finnen.

Von Ulrike Burgwinkel |
    Die meisten Leute kommen, weil sie hier Fächer studieren können, die es zu Hause nicht gibt. Die isländische Sprache z.B.die Unterrichtssprache an der Uni. Wir haben eine ganz große Abteilung für ausländische Studierende, das Fach ist sehr beliebt. Und natürlich Erdkunde, vielleicht weil dieses Land ein lebendiges geologisches Labor ist.

    …meint Karitas Kvaran, Direktorin des Office of International Education an der Universität Reykjavik. Rund 7.000 Studenten sind hier eingeschrieben, davon 572 aus 63 fremden Ländern, an der Spitze stehen deutsche Studierende. Ganz so exotisch scheint ein Studium an der kleinen Uni hoch im Norden also doch nicht zu sein. Partnerschaften werden gern gesehen und entsprechend gefördert. Thomas Brinkmann studiert Geschichte und Erdkunde in Berlin

    Meine Uni hat eben eine Partnerschaft mit der Uni Island und ich hab mich einfach beworben.Ich dachte mir, Island ist ein wunderschönes Land und Erdkunde, da war schon immer mein besonderes Interesse Vulkane und Gletscher und was Besseres als Island gibt es nicht.

    Die grundständigen Kurse werden in englischer Sprache angeboten, aber für die fortgeschrittenen Studenten gilt es, Isländisch zu lernen

    Ich gebe zu, ich habe Probleme, die Sprache zu lernen, aber ich habe sofort gesagt : ich will die Sprache lernen und die Uni bietet tolle Kurse an.

    Die Sprache der heutigen Isländer ist immer noch die gleiche, klassische, nordische Sprache des Mittelalters und so können die meisten Inselbewohner tatsächlich die "Edda" im Original lesen, nicht nur Literaturstudenten. Natur und Sprache sind zwei Gründe, die FÜR Island sprechen. Aber das sind noch längst nicht alle. Kleine Lerngruppen, intensive Betreuung, flache Hierarchien ein angenehmes Lernklima, nicht nur, weil man sich generell mit Vornamen anredet und duzt

    Ich find das ganz hervorragend im Vergleich zu Deutschland. Man kann wirklich immer zu den Profs kommen, es gibt keine Sprechzeiten. Man kommt einfach rein und sagt " ich hab das und das Problem" und wenn der Prof gerade am Telefon ist, sagt er " gut, ich ruf dich gleich zurück, da ist ein Student, der braucht meine Hilfe". Und dann helfen sie einem. Wirklich, das ist irre.

    "Irre" würde Pall Valdimarsson, Professor für Maschinenbau an der Uni Reykjavik, das nicht nennen, sondern "normal".

    Ich weiß nicht, ob man so was im Radio sagen darf, aber mein Kosename von den Studenten das ist " der alte Trottel", und das wird direkt zu mir gesagt. Ich würde das gerne an einer deutschen Uni sehen, dass die Studenten gemeinsam einen der Professoren " den alten Trottel" nennen würden. OK. das ist ganz liebevoll gemeint. Ich habe Autorität bei den Studenten und das habe ich aufbauen müssen.

    600 Jahre unter der dänischen Krone haben ihre Spuren hinterlassen, meint Pall Valdimarsson, Aristokratie und Autorität sind eigentlich verpönt. Hierarchie qua Amt gibt es nicht, und Autorität muss sich jeder selbst verschaffen.Die Studenten seien mehr oder weniger Arbeitskameraden, meint er, und nicht nur das

    Die Gruppen sind dermaßen klein, man wird mehr oder weniger mit den Studenten befreundet, man folgt die Karriere durch. Das ist Kontakt, wie er sein soll, und wenn man diesen Kontakt aufbaut, und die Studenten dieses Vertrauen haben, dann kann man erst wirklich auf Zack sein und unmögliche Sachen auf die Beine stellen. Und das machen wir auch. Wir haben sogar einen Bettelbrief von einer amerikanischen Uni namens Stanford bekommen, ob wir nicht noch mehr Studenten schicken konnten.

    Pall Valdimarsson war übrigens der erste isländische Student, der in Karlsruhe studiert hat, 1978.

    Ich ging dahin als ein Probekaninchen, um zu versuchen, wie es funktionierte. Das hieß für mich, mit meiner damaligen 4-jährigen Ingenieursausbildung, dass ich 13 Anerkennungsgespräche in Karlsruhe machen musste und basierend auf diesen Ergebnissen wurde dann so ein Kursuspaket definiert und das lief dann reibungslos, unbürokratisch und hat uns gesichert, dass Karlsruhe ist die zweitgrößte Ausbildung für isländische Ingenieure nach Kopenhagen weltweit.

    Also : keine Einbahnstraße! Auch wenn Island ein ungewöhnliches Austauschland ist und leider ein ziemlich teures dazu : allein wegen der Professoren, wie Pall Valdimarsson einer ist, kann EIN Semester auf der Insel mehr bedeuten als viele andere, woanders.