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Blubbernder Klimawandel

Umwelt. - Im dauernd gefrorenen Boden der Arktis, dem Permafrost, sind riesige Mengen abgestorbene Pflanzen gespeichert. Solange der Permafrost gefroren bleibt, können Mikroorganismen das organische Material nicht zersetzen. Doch im Zuge des Klimawandel taut der Boden langsam auf, die Mikroorganismen tun ihr Werk - und es entstehen die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan. Gerade die Methanemissionen scheinen bislang unterschätzt worden zu sein.

Von Monika Seynsche | 13.02.2008
    Bei jedem Schritt drücken sich die Schuhe ein paar Zentimeter in den grasbedeckten Boden. Unter den Sohlen quillt Wasser hervor. Joe von Fischer geht in Gummistiefeln und brauner Jacke zum Rand eines flachen Sees. Er hält einen Stock in der Hand.

    " Ich stochere jetzt mit dem Stock im Seeboden herum, und Sie können die Luftblasen sehen, die dabei aus dem Schlamm aufsteigen. Diese Luftblasen sind etwa zur Hälfte mit Methan gefüllt. "

    Joe von Fischer ist Ökologe an der Colorado State University und steht mitten in der Tundra Nordalaskas. Die ebene Graslandschaft erstreckt sich bis zum Horizont. Wenige Dezimeter unter seinen Gummistiefeln beginnt der dauernd gefrorene Boden der Arktis. Nur die obersten Bereiche dieses Permafrostbodens tauen im Sommer auf. Durch den Frost im Untergrund kann das Wasser nach der Schneeschmelze nicht versickern, staut sich im Oberboden und sammelt sich in Tausenden von Seen, die die Landschaft wie einen Schweizer Käse durchlöchern. Das viele Wasser macht denjenigen Organismen das Leben schwer, die im Boden sitzen und abgestorbene Pflanzen und Tiere zersetzen.

    " In dem wassergesättigten Boden kommen sie kaum an Sauerstoff heran. Denn der gelangt nur sehr langsam von der Atmosphäre in den Boden. "

    Deshalb können dort nur die Organismen überleben, die keinen Sauerstoff brauchen. Sie ernähren sich von den Pflanzenresten und Kohlendioxid. Und dabei produzieren sie Methan. Ein sehr wirkungsvolles Treibhausgas.

    Feuchtgebiete wie dieses bedecken große Teile der gesamten Arktis. Deswegen sind die natürlich entstehenden Methankonzentration in der nördlichen Arktis höher als in jeder anderen Region des Planeten. Aber eines ist seltsam: Die größten Mengen Methan entstehen in der Arktis im Winter und im Frühling. Also genau dann, wenn der Boden komplett gefroren ist und die Mikroorganismen nichts tun können. Woher also kommt in dieser Jahreszeit das ganze Methan? Die einzigen Stellen, an denen die Mikroorganismen dann noch arbeiten können, sind die ungefrorenen Seeböden.

    " Früher haben die meisten Leute die Methanemissionen aus Seen einfach gemessen, indem sie Wasserproben nahmen und schauten, wie viel Methan im Wasser gelöst ist. "

    Die Antwort war: nicht viel, erzählt Katey Walter von der Universität von Alaska in Fairbanks. Aber als sie sich einige Seen in Sibirien genauer anschaute, wurde sie stutzig: Selbst im tiefsten Winter, wenn die Seen von einer mehrere Meter dicken Eisdecke bedeckt waren, fand sie Löcher im Eis. Ein stetiger Strom von Luftblasen aus dem Seeboden hielt diese Stellen das ganze Jahr über offen. Die Ökologin bastelte provisorische Fallen, um die Luftblasen aufzufangen.

    " In Sibirien hatten wir nicht viel Ausrüstung dabei, also bauten wir unsere Luftblasenfallen aus Kunststofffolie und alten Plastikflaschen und verteilten sie mit Gewichten in den Seen. "

    In die Fallen ging Methan. Und zwar in Mengen, die Katey Walter und ihre Kollegen überrumpelten.

    " Die Seen der Arktis waren nicht auf unsere Liste der großen globalen Methanquellen, denn im Wasser selbst ist kaum Methan gelöst. Aber wenn man die Luftblasen berücksichtig, die aus dem Seeboden aufsteigen, sieht das ganz anders aus. Bei unseren Seen waren die Blasen für 95 Prozent der Methanemissionen verantwortlich. "

    Ihren Ergebnissen zufolge sind die Methanemissionen aus den sibirischen Seen vermutlich bis zu fünfmal so hoch wie bisher angenommen. Und je stärker sich das Klima erwärmt, und je mehr Permafrostboden taut, desto mehr neue Seen entstehen. Das gilt für Sibirien, genauso wie für Alaska und alle anderen Regionen der Arktis. Und nichts davon sei in den heutigen Klimamodellen enthalten.