Archiv


Blues und Baumwollfelder

Das Mississippi-Deltas wird noch heute geprägt durch Blues und Baumwollfelder, durch die einstige Sklaverei und Rassentrennung. Wo, wenn nicht hier, sind die Anhänger des ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten, Barack Obama, zu finden? Was sich die Bewohner des Deltas kurz vor der Wahl von "ihrem" Kandidaten erhoffen - ein Streifzug durch die Mississippi-Stadt Indianola.

Von Knut Benzner |
    Das Delta. Der Blues. Das Leben. Die Vergangenheit. Die Gegenwart. Wie im Zeitraffer zieht die Geschichte dieser geschundenen Gegend am Besucher vorbei. Auf einer Allee nach Indianola hinein - links ein Friedhof, rechts ein Sumpf, einfache Holzhäuser, dann die Sunflower Avenue, der Sunflower ist ein im Sommer ausgetrockneter Fluss. An der Bahn - das Museum. Das B. B. King and Delta Interpretive Museum.

    Das Hauptgebäude - ein restauriertes Lagerhaus aus Backstein, dahinter das eigentliche Museum. Baumwolle ist König hier, erinnert sich B. B. King in einem der vielen Filme, die gezeigt werden, und in einer Schautafel denkt eine 13-Jährige, Betty Lou Hanson, an das Gestern zurück: Wir waren froh, manchmal zur Schule zu dürfen - denn wenn wir in der Schule waren, mussten wir nicht auf's Feld. Es war dunkel, wenn wir Morgens auf's Feld gingen - und es war dunkel, wenn wir Abends nach Hause konnten.

    30 Meilen bis zum Fluss, zur Mutter aller Flüsse, das ist die Bedeutung des Mississippi in der Sprache der Choctaw. Jenseits des Museums, ein paar Schritte über die Strasse: ein Kinderladen. 30, 35 schwarze Kinder im Alter von eins bis zwei zwitschern um die Wette. Beatrice McClain, eine der Kindergärtnerinnen, in Indianola geboren und aufgewachsen, steht neben ihnen. Haben sich die Zeiten verändert?

    "Ja, das haben sie."

    Und ihre Freundin Leila Coleman: Ja. Sie, die sie hier gewesen seien in den Zeiten, wie sie waren, wüssten, dass sie sich gewandelt hätten.

    Am 4. November sind die Wahlen. Sind Beatrice und Leila registriert?

    "Ja natürlich. Ein Afro-Amerikaner ist Kandidat und wir sind hundert Prozent für ihn, für Barack Obama."

    "Ich bin aufgeregt, denn vor 45 Jahren habe ich vor dem Fernsehgerät gesessen und Martin Luther King gesehen, und auf den Tag genau 45 Jahre später ist Obama zum Präsidentschaftskandidaten ernannt worden. Mit so etwas hätte ich in meinem Leben nie gerechnet."

    "Von Zeit zu Zeit sendet uns Gott jemanden."

    Der Staat Mississippi ist der ärmste der USA: The lost south, der verlorene Süden, wird er manchmal genannt. Das jährliche Durchschnittseinkommen pro Kopf liegt knapp 10.000 US-Dollar unter dem des nationalen. Mississippi rangiert unter allen Bundesstaaten auf dem 50. Platz, also auf dem letzten.

    Das Delta.

    David Jordan, State Senator, Senator im Parlament im Staate Mississippi, 74. Sohn eines Sharecroppers, eines Teilpächters.

    "Ich bin freudig erregt, ich habe dieses Unglück überwunden. Doch der Kampf geht weiter, denn viele andere haben das nicht."

    Und Obama?

    "Wir brauchen einen Wechsel. Die Menschen leiden. Wir brauchen einen Wechsel."

    Aber nicht, weil Barack Obama Afro-Amerikaner, sondern weil er ein guter Amerikaner ist.
    Ein guter Amerikaner, dessen Kandidatur für ihn selbst, so sehen es die Menschen im Delta, eine Gefahr bedeutet. Denn sie haben die Furcht, die unausgesprochene, doch die spürbare, dass ihm etwas passiert. Konkret: ein Attentat.

    Ein tödliches Attentat auf ihren Mann. Als Präsident der Vereinigten Staaten wohlgemerkt, nach der gewonnenen Wahl. Dass Obama sie gewinnt, daran besteht im Delta kaum Zweifel.

    Was allerdings dann passieren mag, diese Gedanken drängen die Menschen wie etwas Unvorstellbares und Unsagbares beiseite.

    B. B. King, der große Bluesmusiker, der zu Lebzeiten ein eigenes Museum bekommen hat, ist in der Präsidentschaftsfrage diplomatisch:

    "Ich würde gerne sagen: Gott schütze Euch. Aber einige denken vielleicht, ich glaube nicht. Also sage ich es so, wie ich es von einem Indianer gehört habe: Der große Geist, der sich um uns alle sorgt, danke dem großen Geist und danke Euch. Und noch mal: Gott schütze Euch."