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Blütenreiner Umweltschutzreport als ''Persilschein''

Umweltpolitik. – Bereits mit der rüden Abfuhr an das von seinem Vorgänger unterzeichnete Klimaprotokoll von Kyoto demonstrierte US-Präsident George W. Bush, dass Umweltpolitik nicht im Fokus seiner Interessen liegt. Damals wurden alle Hinweise auf den menschgemachten Beitrag zur Klimaerwärmung von Vertretern der Bush-Administration systematisch heruntergespielt. Dieselbe Strategie aus Bagatellisieren und Abwiegeln, so klagen Kritiker, sei jetzt auf den gestern veröffentlichten US-Umweltschutzbericht angewandt worden. So seien kurzerhand alle Hinweise auf Gesundheits- und Umweltgefahren durch den Klimawandel aus dem Papier gestrichen worden.

    Offenbar entsprach die ursprüngliche Fassung des aktuellen Umweltschutzberichtes der US-Regierung in so vielen Punkten nicht den Vorstellungen der Bush-Administration, dass sich die Mitarbeiter der zuständigen Bundesumweltbehörde" (EPA) mit einem internen Schreiben zu den weitgehenden Änderungen an dem Papier zusätzlich absicherten. Darin halten die Experten ausdrücklich fest, dass durch die zahlreichen Änderungen wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel völlig ignoriert würden. Während so düpierte Mitarbeiter unter vorgehaltener Hand den frisierten Bericht eine einzige Peinlichkeit nennen, spielt Christie Todd Whitman, Leiterin der EPA, die "Modifikationen" herunter: "Ich wollte nicht den ganzen Bericht wegen ein paar Formulierungen verlieren", so Whitman vor laufenden Kameras. Offenbar blieb der ehemaligen Gouverneurin von New Jersey auch gar keine andere Wahl. So berichten Insider, das Bush-Team habe auf der Streichung kritischer Passagen bestanden und gedroht, andernfalls den gesamten Report im Reißwolf enden zu lassen.

    Zwar verwahrte sich Christie Whitman dagegen, die EPA habe sich derartigem Druck gebeugt. Zweifel daran bleiben jedoch bestehen, besonders vor dem Hintergrund, dass Whitman ihr Amt Ende der Woche aufgeben wird – im offiziellen Sprachgebrauch "aus privaten Gründen". Während die höchste US-Umweltschützerin tapfer auf einen bislang nie da gewesenen Stand an wissenschaftlichen Kenntnissen zur Luftverschmutzung und dem Stand der Trinkwasserversorgung verweist, fielen Fakten in einem anderen Kapitel zu "Globalen Fragen" offenbar einfach unter den Tisch. Während es im Ur-Report mit Hinweis auf Ergebnisse von US-amerikanischen und europäischen Forschern noch hieß: "Klimawandel hat globale Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt", liest sich die geglättete Version deutlich leichter: "Klimawandel könnte tief greifende Auswirkungen haben". Für weitergehende Aussagen gebe es noch zu viele Ungewissheiten und zu wenig Beweise, so das "aktualisierte" Papier weiter. Auch fiel die Grafik einer vier Jahre alten Studie, die den weltweiten Temperaturanstieg in den letzten 1000 Jahren veranschaulicht, dem Streichen zum Opfer. Neu dazu kam indes die Zusammenfassung einer Untersuchung des Petroleum Instituts, das die Zahlen anzweifelt, ohne dafür allerdings konkrete Beweise zu liefern. Selbst ein Bericht des Nationalen Forschungsrats der USA, der den weltweiten Temperaturanstieg als "ungewöhnlich und höchstwahrscheinlich auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen" bezeichnet, verschwand aus dem Umweltschutzbericht.

    Allerdings blieb den EPA-Angestellten erspart, selbst die Änderungen vornehmen zu müssen, erklärt Andrew Revkin, Redakteur der New York Times, der den Skandal ans Tageslicht brachte. Diese Arbeit hätte vielmehr ein Mitarbeiterstab des Weißen Hauses vorgenommen, so Revkin. US-Umweltschutzorganisationen sind angesichts solcher Eigenmächtigkeit außer sich: "Diese Dokumente belegen unmissverständlich, dass die Administration bereit ist, wissenschaftlich glaubhafte Beweise zu Umweltbedrohungen zu zensieren, nur weil sie nicht in das politische Konzept passen", meint Jeremy Symons von der National Wildlife Federation. Auch Andrew Revkin sieht die Schönung des Umweltberichts in der engen Verstrickung von Politik und Wirtschaft begründet: "Diese Regierung ist sehr eng mit der Kohle-, und Ölindustrie verbunden. Selbst wenn die Erkenntnisse über den Klimawandel wissenschaftlich untermauert werden, hält die Energieindustrie natürlich überhaupt nichts davon." So sehen denn auch Umweltschützer George W. Bush letztlich unter dem direkten und starken Einfluss von Lobbygruppen, der dazu geführt habe, das Kyotoprotokoll zu kippen, dann Kohlendioxid nicht mehr als Schadstoff zu betrachten und schließlich den kompletten Umweltschutzbericht nach Belieben umzuschreiben.

    [Quelle: Gunnar Schultz-Burkel]