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Blumenzucht zum Nulltarif

Technik. - Die niederländische Gemüse- und Blumenzucht in Gewächshäusern hat inzwischen eine lange Tradition. Kein Wunder also, dass die Niederländer einiges unternehmen, um diesen Wirtschaftszweig weiterzuentwickeln. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Wasser- und Energieverbrauch.

Von Remko Kragt | 10.03.2009
    Bei der niederländischen Universität Wageningen, wenige Kilometer von der Stadt Arnheim entfernt, steht seit kurzem ein besonderes Gewächshaus. Schon seine Form fällt auf: das gläserne Verdeck sieht aus wie Schrägdächer auf einem Doppelhaus. Zwei der Dachschrägen aber sind gebogen wie ein Hohlspiegel. Die ganze, etwa zehn mal zehn Meter große Konstruktion steht außerdem auf Rollen, sodass man sie mit der Sonne drehen kann. Den wirklichen Clou aber erkennt man nicht auf den ersten Blick. Es ist eine besondere Filterfolie, mit der die Glasscheiben auf dem Dach überzogen sind. Sjaak Bakker, Gewächshausforscher an der Uni Wageningen, erläutert:

    "In den Sonnenstrahlen gibt es zwei Sorten Licht: das sichtbare Licht mit einer Wellenlänge zwischen 400 und 700 Nanometer brauchen die Pflanzen für ihre Photosynthese. Die Strahlen mit einer höheren Wellenlänge sind nur Wärme, die nicht benötigt wird. Das Gewächshausdach ist deshalb ein Hohlspiegel, der diesen für die Pflanzen unnützen Lichtanteil gebündelt auf eine Photovoltaikzelle reflektiert, mit der wir dann Strom erzeugen können."

    Nur diese Wärme wird von der Folie reflektiert. Das hat erst einmal den Vorteil, dass sich das Gewächshaus im Sommer tagsüber weniger aufheizt. Sie bietet aber auch die Chance, eine neue Energiequelle zu erschließen. Denn der Energiebedarf der Gewächshäuser ist hoch.

    "Die meisten der großen Gewächse brauchen Temperaturen zwischen 17 und 21 Grad. Die Sonnenwärme reicht dafür im Winter und oft in der Nacht nicht aus. Man braucht also eine zusätzliche Heizung. Außerdem muss man auch im Winter lüften um Schimmel zu vermeiden. Man muss dann bei offenen Fenstern heizen, dadurch geht wiederum Energie verloren."

    Rund zehn Prozent des niederländischen Gasverbrauchs geht auf die Konten der Gewächshausbetreiber. Das treibt nicht nur deren Betriebskosten hoch. Die große Anzahl der Gasheizungen belastet mit ihrem Kohlendioxid-Ausstoß auch die niederländische Umweltbilanz. Die Forschung an den Gewächshäusern zielt deshalb in eine ähnliche Richtung, wie sie von den Null-Energie-Häusern her bekannt ist.

    "Die ganze Forschung zielt darauf ab, Gewächshäuser zu entwickeln, die möglichst dicht gehalten werden können. Wärme und Feuchtigkeit werden dann über Wärmetauscher abgeführt, sodass man sie lagern und wieder verwenden kann. Mit der Wärme geschieht das beispielsweise so, dass unterirdisches Wasser im Sommer aufgewärmt wird, sodass man es im Winter wieder herauf pumpen kann. So kann man Wärme für eine ganze Saison lagern."

    Und eben diese Pumpen können mit dem auf dem Dach erzeugten Strom angetrieben werden. Aber neben der Kühlung und der Stromerzeugung schlagen die Wissenschaftler eine dritte Fliege mit einer Klappe. Die Photovoltaikzelle wurde besonders schmal konstruiert, damit sie möglichst wenig Schatten wirft. Die Wärmestrahlung wird deshalb stark gebündelt, die Zelle wird dadurch sehr heiß. Sie muss mit Wasser gekühlt werden, das wiederum als warmes Wasser abfließt und ebenfalls für kältere Stunden und Tage mit eingelagert werden kann. Die Wissenschaftler hoffen, dass sie den Verbrauch fossiler Brennstoffe in Gewächshäusern erheblich senken oder eines Tages sogar ersetzen können. Aber noch ist das Zukunftsmusik. Auch deutsche Wissenschaftler sind gespannt und auch ein bisschen skeptisch. Einerseits wisse man ja noch nicht, wie die Pflanzen auf die Veränderungen reagieren, warnt etwa Hans Jürgen Tantau von der Universität Hannover.

    "Das ist die eine Seite. Und die andere Seite, die im Endeffekt wahrscheinlich sogar noch kritischer ist, ist immer wieder die Ökonomie. Denn diese Maßnahmen müssen nachher für den Gärtner wirtschaftlich sein, die müssen sich rechnen."

    Und dieses Ziel werde frühestens in fünf Jahren erreicht, glaubt Sjaak Bakker – wenn die Energiepreise weiter steigen und die Technik weiter entwickelt werden kann.