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Blutiges Coltan

Tantal spielt beim Bau von Mikrochips eine wichtige Rolle. Doch der Abbau von tantalhaltigem Erz, Coltan genannt, hat eine Schattenseite: Das Erz kommt vor allem in Bürgerkriegsstaaten in Afrika vor. Es gibt legal abgebautes Coltan und Illegales - doch die Unterscheidung fällt bisher schwer. Helfen könnte ein Herkunftsnachweis für Tantal.

Von Michael Engel | 28.06.2010
    Erze bestehen immer aus verschiedenen metallischen und nichtmetallischen Komponenten - sogenannte "Körnungen" - die aber erst unter dem Mikroskop sichtbar werden. Letztlich liefern diese Körner alle Informationen auch über die Herkunft der Erzprobe, sagt Dr. Frank Melcher von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Unter dem Spezialmikroskop sieht die polierte Erzoberfläche aus wie eine Intarsienarbeit – jedoch knallbunt. Die Farben, so der Geologe, sind wichtige Indikatoren für die Bestimmung der Fundstelle.

    "Wir sehen zum Beispiel in dem linken oberen Bild viele blaue Farben. Blaue Farben heißt: Kassiterit – Zinnstein. Dieses Konzentrat kommt aus einer Lokalität in Ruanda. Während die rechte Lokalität, die Farben, die wir da sehen, sind eher rötlich-bräunlich. Und die ist wieder typisch für eine andere Gegend."

    Der Wissenschaftler spricht von einem "chemischen Fingerabdruck", der Hinweise auf die Herkunft der Erzproben geben kann.

    "Wir klassifizieren auf so einer Oberfläche 20.000 Einzelkörner. Es ist also wirklich eine repräsentative Analyse einer solchen Lokalität. 20.000 Körner werden klassifiziert! Und das gibt uns dann wieder einen Hinweis auf die Zugehörigkeit einer bestimmten Lagerstätte."

    Mit der neuartigen Analysetechnik lassen sich Gruben sogar innerhalb eines Landes lokalisieren. Dazu musste eine Datenbank mit Coltan-Signaturen praktisch aller Abbaugebiete erstellt werden. Nur wenn ein neues Bergwerk erschlossen wird, Erz mit einer unbekannten Signatur, könnte es Probleme mit dem chemischen Fingerabdruck geben. Dr. Gudrun Franken, Leiterin des Bereichs "Bergwirtschaft, Bergbau und Umweltschutz":

    "Hintergrund ist natürlich der Konflikt im Ostkongo, der Millionen von Menschen betrifft, die dort im Ostkongo leben, die von der Gewinnung dieser Minerale leben. Aber von diesen Mineralen und der Gewinnung dieser Minerale Wolfram, Zinn und Tantal und auch Gold finanzieren sich Rebellengruppen im Ostkongo, finanzieren dort sozusagen Waffen und einen anhaltenden Konflikt im Ostkongo. Und Ziel dieser Zertifizierungsmaßnahme ist im Prinzip, diese Finanzierungsquelle zu stoppen."

    Nur zehn Coltan-verarbeitende Unternehmen gibt es weltweit – darunter auch in Deutschland. Insbesondere diese Betriebe, aber auch die von ihnen profitierende Elektronik- und Computerindustrie müssen sich seit Jahren Vorwürfe gefallen lassen - darunter von "Germanwatch" und "Global Witness" - sie förderten mit der Produktion von Hightech-Elektronik die Bürgerkriege in weiten Teilen Afrikas.

    "Im Moment ist der Hauptanreiz der Reputationsverlust, den die Firmen haben. Gerade die internationalen Firmen, die natürlich sehr um ihren Ruf fürchten. Und diesen Ruf zu verlieren, das ist im Moment die Hauptmotivation. Und im Moment auch der einzige Sanktionsmechanismus."

    Die Elektronikbranche – so Dr. Gudrun Franken – hat großes Interesse an dem Verfahren. Doch frühestens in einem Jahr ist die Technik reif für die Praxis. Mit dem Herkunftsnachweis allein ist das Problem des "blutigen Coltans" leider nicht gelöst. Nicht selten arbeiten nämlich Kinder und Zwangsarbeiter in den Gruben - unter Bedingungen, die an Sklaverei erinnern.