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Blutiges Körperballett

Jennifer Lopez als Ganoven-Kumpanin in einem eleganten Martial-Arts-Thriller, ein Heavy-Metall-Fan als Ersatzvater und ein junger Inuit in Grönland, der die Traditionen seiner Vorfahren kennenlernt. Bemerkenswerte und sehenswerte neue Filme erwarten den Zuschauer in dieser Woche.

Von Hartwig Tegeler |
    Na ja, es ist schon passend, dass Jason Statham als Parker, Berufsganove ohne Skrupel, einen Cowboyhut trägt. Ein Typ mit dieser Lebensphilosophie ...

    "Zivilisierte Menschen sollen Regeln befolgen. Ich sorge nur für Ordnung."

    Der Verstoß gegen sie hatte blutige Folgen ... die Prognose von Jennifer Lopez als Zufallskumpanin dieses Parker trifft´s präzise:

    "Sie werden sie alle umbringen, oder? - Das haben Sie gesagt."

    "Parker", Taylor Hackfords filmische Adaption der gleichnamigen Figur des Krimischriftstellers Donald E. Westlake, ist die Story von einem, den die Kumpane nach einem Bruch betrogen haben, […]

    "Also, Parker, ich brauche die ganze Kohle für das nächste Ding."

    […] und der nun blutige Rache nimmt. Parker ist Wiedergänger einer dieser mythischen Rachefiguren aus einem Western. Einzelgänger, der sein eigenes Gesetz schreibt. Taylor Hackfords Film - ansonsten nicht sonderlich aufregende Genrekost - ist zwar sehr brutal, aber in dieser eigentümlichen Martial-Arts-Eleganz dieses Action-Films, in der die Schwerkräfte scheinbar überwunden werden, erinnert Jason Statham an Jackie Chan oder Buster Keaton. So makaber es klingen mag: "Parker" ist blutiges Körperballett. Und Jason Statham muss richtig ackern, sich schinden ... ja, wir sehen ihm bei der Arbeit zu.

    "Parker" von Taylor Hackford - zwiespältig, aber durchaus empfehlenswert.


    Text: Ein Grund-Thema im Kino: Die alte Welt verschwindet und mit ihr die Tradition. Auch in Grönland, spätestens, wenn die Klimaerwärmung die Existenz der Robbenjäger vernichtet. Die Folgen für die indigenen Völker ... der Ältere erzählt Inuk, dem Jüngeren, von diesem Weg, den viele gehen:

    "In meiner Verzweiflung habe ich angefangen zu trinken. Als ich immer mehr getrunken habe, ging meine Frau mit meinem Sohn weg. Und kam nie wieder."

    Mike Magidsons Film "Inuk" erzählt von einem jungen Grönländer, der seinen Vater verloren hat, dessen Mutter Säuferin wurde, und der sich ganz hinter die Kopfhörer seines Walkman zurückgezogen hat. Das Jugendamt schickt ihn und ein paar andere Jugendliche in den Norden, zu den Jägern, die noch die Robben jagen können. Ikuma, der Jäger, […]

    "Ich bin nicht sein Kindermädchen."

    […] will keine Jugendlichen bei der Jagd. Doch er braucht das Geld, das er für den Erziehungsausflug bekommt […]

    "Wenn wir noch lange warten, sind die Robben verschwunden."

    "Inuk" erzählt von einer Bildungsreise, die der junge Inuit zu den alten Traditionen hin unternimmt. Inuk, der Junge, wird die Bewährungsprobe bestehen. Und wir bekommen in "Inuk", dem Film, grandiose Bilder dieser Landschaft des ewigen Eises zu sehen, das ja vielleicht auch nicht mehr so ewig ist. Leider bietet die Erzählerstimme im Off die eine oder leider auch die andere Prise Pathos zuviel. Etwas weniger von diesem Tonfall […]

    "Unsere Vorfahren haben daran geglaubt ..."

    […] wäre mehr gewesen.

    "Inuk" von Mike Magidson - empfehlenswert.


    Inuk hat seinen Vater verloren, TJ, Hauptfigur im Film "Hesher - Der Rebell", seine Mutter bei einem Autounfall. TJs und sein Vater Paul haben keinen Halt mehr in ihrem Leben, kriechen bei der Großmutter unter. Paul lebt vollgedröhnt mit Psychopharmaka auf dem Sofa. Doch plötzlich, wie aus heiterem oder vielleicht nicht so heiterem Himmel, ist da […]

    "[TJ:] Warum bist du hier? - [Hesher:] Ich wohn´ jetzt hier, akzeptier´ das!"

    […] ist da plötzlich dieser Rüpel Hesher, gespielt von Joseph Gordon-Levitt.

    "[Hesher:] Wo steht eure Waschmaschine? - [Heavy-Metall-´Tusch´]"

    "Hesher" ist amerikanischer Slang-Ausdruck für einen Hardcore-Heavy-Metall-Fan.

    "[Vater:] TJ, wer ist das? - [Hesher:] Ich bin Hesher, ein Freund von deinem Sohn."

    Was natürlich eine Lüge ist. Hesher, diesen Kotzbrocken, darf man sich so vorstellen: lange, strähnige, fettige Haare, Oberkörper meistens nackt.

    "[Vater:] TJ, wer ist das? - [Hesher:] Ich bin Hesher, ein Freund von deinem Sohn."

    Was natürlich eine Lüge ist. Oder am Ende doch nicht? Hesher ist in jedem Fall eine Provokation, aber spätestens, wenn er das Auto des Typen anzündet, der TJ in der Schule quält, da ist dem 13-Jährigen nicht mehr so eindeutig klar, ob dieser Typ nicht auch etwas bietet, was TJ aus seiner Verzweiflung holen könnte.

    Ich wollte einen ehrlichen Film machen, sagt Regisseur Spencer Susser, der die Folgen von Tod zeigt; wie man damit umgeht; wie es sich anfühlt, wenn man zurückbleibt.

    Wenn man Hesher genau zuhört, merkt man, dass er eigentlich eine Art Engel ist, sagt Spencer Susser, einer, der die Wände von Trauer und Schmerz einreißt, die TJ und sein Vater um sich herum gebaut haben. Dieser Hesher, dieser Heavy-Metall-Rüpel, dieser Engel, wird für TJ zur Projektionsfläche für alle Aspekte seiner Trauer. Auch für die lodernde Aggression über den Verlust. Mit rührseligen Hollywood-Klischees über Trauerverarbeitung hat das nichts zu tun.

    "Hesher" von Spencer Susser - bei uns als DVD-Premiere erschienen - herausragend.