Heute ist Bob Dylans Bedeutung für die Pop-Musik kaum zu ermessen. Als Songwriter erschloss er vom Protestsong bis zu halluzinatorischen Bewußtseinsströmen neue Genres, als höchst eigenwilliger Vokalist bewies er, dass Sänger keine schöne, d.h. glatte Stimme benötigen, um erfolgreich zu sein, und als Musiker beeinflusste er Stile wie den elektrischen Folk-Rock und den Country-Rock. Dylans überragende Wirkung wurde bereits in den 60er Jahren deutlich, insofern er die Pop-Musik der Ära intellektualisierte und literarisierte: So verdankt sich der textliche Tiefgang späterer Beatles-Songs eindeutig Dylan. Sein Einfluss hielt jedoch, hält immer noch, durch diverse Generationen an. Seine besten Alben sind Klassiker, und viele seiner Songs, wie etwa "All along the Watchtower", gehören längst zum Standardrepertoire des Rock.
Zu Dylans sechzigstem Geburtstag, der in allen Medien und Kanälen weltweit und sehr zu recht gefeiert wird, geben nun auch zwei deutsche Publizisten ihre Ständchen in Buchform ab. Doch leider zeigen sich weder der Feuilletonist Willi Winkler noch der Sozialwissenschaftler Günter Amendt ihrem Gegenstand gewachsen. Amendt, glühender Dylan-Verehrer, liefert mit dem schmalen Bändchen "Back to the Sixties" (Günter Amendt: Back to the Sixties. Bob Dylan zum Sechzigsten. Konkret Literatur Verlag. Hamburg 2001. 160 Seiten. DM 28,-) lediglich eine Sammlung seiner gelegentlich peinlich hagiographischen Rezensionen zu Dylans Alben ab, erweitert um ein paar Vor- und Nachbemerkungen sowie das Manuskript einer ausführlichen Radiosendung über Dylan. Dabei ist es Amendt besonders darum zu tun, seinen Star vor der Umarmung durch eine Kultur zu retten, mit der Dylans Werk angeblich nicht kompatibel sei.
Angesichts der anhaltenden Gerüchte, Bob Dylan stehe auf der Vorschlagsliste für den Literatur-Nobelpreis, bemerkt Amendt in subkultureller Standfestigkeit, mancher Dylan-Liebhaber scheine nun "die beabsichtigte Heimholung seines Idols in den Olymp der bürgerlichen Hochkultur als Auszeichnung des eigenen Beharrungsvermögens und Bestätigung seiner jahrelangen Gefolgschaft zu begreifen. Quasi als Kompensation für erlittene Demütigungen. Wird der Meister kanonisiert, sind auch seine Jünger gesalbt. Danach kann sich nur sehnen, wer in dieser Welt zu Hause ist oder ihr zuzugehören trachtet." Demnach ist Günter Amendt nicht in dieser Welt zu Hause.
Wer sich als Person hinter der Ikone Bob Dylan versteckt, ob es einen anderen, nicht öffentlichen Dylan gibt, gehört seit jeher zu den liebsten Rätselfragen der Fan-Gemeinde. Der Londoner Musikjournalist Christian Williams hat ein Mosaik aus Dylans Selbstaussagen zusammengesetzt (Christian Williams Hg.): Bob Dylan. In eigenen Worten. Palmyra Verlag. Heidelberg 2001. 172 Seiten. DM 29.80), aus dem hervorgeht, dass dieser Mann eine Rolle spielt und sich dessen klar bewusst ist. "Wer Bob Dylan ist? Ich bin nur Bob Dylan", sagt er, "wenn ich Bob Dylan sein muss. Die meiste Zeit bin ich einfach nur ich selbst. Es ist so, wie Rimbaud gesagt hat: ‚Ich ist ein Anderer.'"
Mit der grossformatigen Hochglanzopulenz eines Coffee-Table-Books trumpft Willi Winklers "Bob Dylan" auf - und betreibt mit dem Untertitel "Ein Leben" übelsten Etikettenschwindel (Willi Winkler: Bob Dylan. Ein Leben. Alexander Fest Verlag. Berlin 2001. 208 Seiten. DM 48,-). Wer nämlich hier mit einer Dylan-Biographie rechnet, wird herbe enttäuscht. Die von Winkler beigebrachten Daten und Fakten sind in jedem besseren Rock-Lexikon verfügbar, und zwar ohne die verblasene Prätention, mit der Winkler wider Willen aus dem musikalischen Elephanten Dylan eine irrlichternde Mücke macht. Die alberne Grundidee des Buchs besteht darin, Dylans Leben und künstlerische Wege und Abwege mit dem Leben Jesus von Nazareths zu parallelisieren, ausgehend von dem matten Kalauer, dass beide als Söhne eines Zimmermanns geboren seien. Was für eine ironische Zeitungsglosse ausreichen möchte, verkommt über die Strecke von Winklers schlecht recherchierten und zumeist wahllos assoziierten Ausführungen zur blanken Peinlichkeit. Winkler outet sich als enttäuschter Fan, der in seiner Pubertät dank Dylan allerlei intellektuelle Initiationserfahrungen machte, es seinem Idol nun aber übel nimmt, Zeit seiner fast vierzigjährigen Karriere nicht auf dem Niveau stehen geblieben zu sein, das der Meister in den späten sechziger Jahren erreichte.
Bob Dylans Werk weist, wie könnte es anders sein, auch einige Tiefpunkte auf, hat aber Schrifttum wie das Winklers und Amendts absolut nicht verdient. Im Ganzen ist dies Werk schlichtweg inkommensurabel. Seine Größe besteht vermutlich nicht zuletzt darin, dass es in Würde altert, ohne an ästhetischer Relevanz zu verlieren. Das vorerst letzte Album "Time Out of Mind" hat diese Dignität jedenfalls nachdrücklich bewiesen. "Ich höre mir mein altes Zeug nie an", sagt Bob Dylan. "ich möchte nicht an mich selbst erinnert werden oder einen Einfluss auf mich ausüben. Ich will weiter, und zwar immerzu ..."
Weitere Informationen unter: http://www.dradio.de/dlr/sendungen/langenacht/010519.html
Zu Dylans sechzigstem Geburtstag, der in allen Medien und Kanälen weltweit und sehr zu recht gefeiert wird, geben nun auch zwei deutsche Publizisten ihre Ständchen in Buchform ab. Doch leider zeigen sich weder der Feuilletonist Willi Winkler noch der Sozialwissenschaftler Günter Amendt ihrem Gegenstand gewachsen. Amendt, glühender Dylan-Verehrer, liefert mit dem schmalen Bändchen "Back to the Sixties" (Günter Amendt: Back to the Sixties. Bob Dylan zum Sechzigsten. Konkret Literatur Verlag. Hamburg 2001. 160 Seiten. DM 28,-) lediglich eine Sammlung seiner gelegentlich peinlich hagiographischen Rezensionen zu Dylans Alben ab, erweitert um ein paar Vor- und Nachbemerkungen sowie das Manuskript einer ausführlichen Radiosendung über Dylan. Dabei ist es Amendt besonders darum zu tun, seinen Star vor der Umarmung durch eine Kultur zu retten, mit der Dylans Werk angeblich nicht kompatibel sei.
Angesichts der anhaltenden Gerüchte, Bob Dylan stehe auf der Vorschlagsliste für den Literatur-Nobelpreis, bemerkt Amendt in subkultureller Standfestigkeit, mancher Dylan-Liebhaber scheine nun "die beabsichtigte Heimholung seines Idols in den Olymp der bürgerlichen Hochkultur als Auszeichnung des eigenen Beharrungsvermögens und Bestätigung seiner jahrelangen Gefolgschaft zu begreifen. Quasi als Kompensation für erlittene Demütigungen. Wird der Meister kanonisiert, sind auch seine Jünger gesalbt. Danach kann sich nur sehnen, wer in dieser Welt zu Hause ist oder ihr zuzugehören trachtet." Demnach ist Günter Amendt nicht in dieser Welt zu Hause.
Wer sich als Person hinter der Ikone Bob Dylan versteckt, ob es einen anderen, nicht öffentlichen Dylan gibt, gehört seit jeher zu den liebsten Rätselfragen der Fan-Gemeinde. Der Londoner Musikjournalist Christian Williams hat ein Mosaik aus Dylans Selbstaussagen zusammengesetzt (Christian Williams Hg.): Bob Dylan. In eigenen Worten. Palmyra Verlag. Heidelberg 2001. 172 Seiten. DM 29.80), aus dem hervorgeht, dass dieser Mann eine Rolle spielt und sich dessen klar bewusst ist. "Wer Bob Dylan ist? Ich bin nur Bob Dylan", sagt er, "wenn ich Bob Dylan sein muss. Die meiste Zeit bin ich einfach nur ich selbst. Es ist so, wie Rimbaud gesagt hat: ‚Ich ist ein Anderer.'"
Mit der grossformatigen Hochglanzopulenz eines Coffee-Table-Books trumpft Willi Winklers "Bob Dylan" auf - und betreibt mit dem Untertitel "Ein Leben" übelsten Etikettenschwindel (Willi Winkler: Bob Dylan. Ein Leben. Alexander Fest Verlag. Berlin 2001. 208 Seiten. DM 48,-). Wer nämlich hier mit einer Dylan-Biographie rechnet, wird herbe enttäuscht. Die von Winkler beigebrachten Daten und Fakten sind in jedem besseren Rock-Lexikon verfügbar, und zwar ohne die verblasene Prätention, mit der Winkler wider Willen aus dem musikalischen Elephanten Dylan eine irrlichternde Mücke macht. Die alberne Grundidee des Buchs besteht darin, Dylans Leben und künstlerische Wege und Abwege mit dem Leben Jesus von Nazareths zu parallelisieren, ausgehend von dem matten Kalauer, dass beide als Söhne eines Zimmermanns geboren seien. Was für eine ironische Zeitungsglosse ausreichen möchte, verkommt über die Strecke von Winklers schlecht recherchierten und zumeist wahllos assoziierten Ausführungen zur blanken Peinlichkeit. Winkler outet sich als enttäuschter Fan, der in seiner Pubertät dank Dylan allerlei intellektuelle Initiationserfahrungen machte, es seinem Idol nun aber übel nimmt, Zeit seiner fast vierzigjährigen Karriere nicht auf dem Niveau stehen geblieben zu sein, das der Meister in den späten sechziger Jahren erreichte.
Bob Dylans Werk weist, wie könnte es anders sein, auch einige Tiefpunkte auf, hat aber Schrifttum wie das Winklers und Amendts absolut nicht verdient. Im Ganzen ist dies Werk schlichtweg inkommensurabel. Seine Größe besteht vermutlich nicht zuletzt darin, dass es in Würde altert, ohne an ästhetischer Relevanz zu verlieren. Das vorerst letzte Album "Time Out of Mind" hat diese Dignität jedenfalls nachdrücklich bewiesen. "Ich höre mir mein altes Zeug nie an", sagt Bob Dylan. "ich möchte nicht an mich selbst erinnert werden oder einen Einfluss auf mich ausüben. Ich will weiter, und zwar immerzu ..."
Weitere Informationen unter: http://www.dradio.de/dlr/sendungen/langenacht/010519.html