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Bob-Schlitten
Mehr Speed durch gebogene Kufen

Der Erfolg beim Bobfahren ist stark vom Material abhängig: von der Form des Gefährts zum Beispiel oder vom Fahrwerk. Ein Berliner Fachinstitut hat die Kufen der Eiskanalgeschosse vor den Olympischen Winterspielen verändert - mit der Hoffnung auf neue Spitzengeschwindigkeiten.

Von Volker Mrasek | 17.02.2014
    Und los geht es!"
    Vom Start weg zählt jede Hundertstelsekunde beim Bobfahren. Wer am Ende die Fronthaube vorne hat – darüber entscheiden auch Material und Ingenieurskunst.
    "Der Bob mit seiner aerodynamischen Verkleidung. Sein Fahrwerk. Und letztendlich die Kufe, die ja die Kontaktstelle zum Eis bildet."
    Der Maschinenbau-Ingenieur und Informatiker Ralf Gollmick arbeitet schon seit über 30 Jahren am FES in Berlin. Am Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgerätenn Nationale Olympiaerfolge im Bobsport wurden am FES mitgeebnet. Zum Beispiel die von André Lange. Der deutsche Bob-Pilot stand zwischen 2002 und 2010 wiederholt ganz oben auf dem Treppchen.
    "Der hat seine vier Olympiasiege alle mit FES-Kufen errungen, aus unserem Haus."
    Auch vor den aktuellen Winterspielen in Sotschi waren die Berliner Experten wieder voll im Einsatz für das Prestigeprojekt Olympia.
    "Das ist eine Härteprüfmaschine..."
    ... um die Bobs der deutschen Athleten noch windschnittiger zu machen. Und die Kufen noch gleitfähiger. Darum ging es auch FES-Entwicklungsingenieur Volker Gdanitz:
    "Das ist nur ein Stück einer Bobkufe. Auf diesem Prüfkörper liegt praktisch eine Last auf, die dann eingedrückt wird in das Werkstück. Je nach Härte des Werkstücks ist die Tiefe des Eindrucks unterschiedlich tief. Diese Tiefe mißt die Maschine. Auf zehntausendstel Millimeter. Und daraus wird dann die Härte bestimmt."
    Zu optimieren gibt es immer etwas für die Sportgerätetechniker.
    "Wenn man jetzt Kufen fahren würde, die zehn Jahre alt wären, würde man gut 'ne halbe Sekunde verlieren."
    Ein Bob steht auf vier Stahlkufen. Jede einzelne wiegt bis zu sechs Kilogramm, ist über einen Meter lang, aber nur 14 Millimeter breit – also schmal wie ein Füllfederhalter.
    "Die Optimierung erfolgte hauptsächlich im Geometriebereich."
    In ihrem Querschnitt ist die Bob-Kufe auf ihrer Unterseite abgerundet. Mal hat das Profil dabei eine perfekte Kreisform, mal ist es ein wenig elliptisch und tendiert in Richtung Kegel. In dem Fall hat die Kufe einen kleineren Radius und ist, wenn man so will, ein bißchen spitzer. Dadurch lastet mehr gewicht auf einer kleineren Fläche.
    In Sotschi haben die Athleten Sätze mit unterschiedlichen Radien dabei. Um auf die Witterung beim Wettkampf reagieren zu können, wie Ralf Gollmick erläutert:
    "Stellen Sie sich eine verreifte Bahn vor. Da würde man dann einen sehr kleinen Radius wählen, um durch diesen Reif durchzukommen und noch auf gleitfähiges Eis dann wieder zu kommen."
    So viel zum Querprofil der Bob-Kufe.
    "Einfahrt Kurve 13. Auch hier nicht ganz ungefährlich."
    Die Kufen haben außerdem eine bestimmte Längsgeometrie. Sie liegen nicht komplett auf dem Eis auf wie ein Ski auf der Schneepiste. Sondern sie sind vorne und hinten leicht nach oben gekrümmt– so wie die Holme eines Schaukelpferds. Deshalb liegen die Kufen bei der Fahrt übers Eis nicht komplett auf, sondern nur eine Handbreit. Obwohl sie so lang sind. Wäre es anders, würden die Bobs an Fahrt verlieren.
    "Zielkurve. Wow! Und hier vorbeigedonnert."
    "Also, der Bob kann diese Bahn ja an verschiedenen Stellen sozusagen schneiden. So könnte man es sich geometrisch vorstellen."
    Auch die Kurven im Eiskanal haben Krümmungsradien. Und keiner gleicht dem anderen. Man könnte also sagen: Bobs auf gekrümmten Kufen brettern durch eine gekrümmte Bahn, die ihre Radien ständig wechselt. Dafür müssen die Kufenbauer die optimale Auflagefläche finden – eine, mit der man gut durch alle Kurven kommt. Und bei der der Bob nicht zu viel Druck aufs Eis bringt.
    Aus diesem Grund machen Spezialisten wie Ralf Gollmick Krümmungsanalysen von Bobstrecken. Auch für die Bahn in Sotschi gibt es eine.
    "Sotschi ist deutlich anders als Vancouver ... "
    ... wo die Winterspiele 2010 stattfanden ...
    "Die hat zum einen viele Bergaufteile. Und hat auch, wenn man diese Krümmungsanalyse sich anschaut – unterscheidet sie sich von Vancouver. Die Mühe soll sich dann jeder selber machen, das herauszufinden."
    Die deutschen Entwickler haben sich diese Mühe gemacht und die Längsgeometrie ihrer Bobkufen speziell an den Kurs in Sotschi angepasst. Was sie genau mit den Stahlschienen angestellt haben, bleibt natürlich ihr Geheimnis.
    "Wenn man jetzt hier so guckt., könnte man jetzt das Geheimnis der Auflagelänge erkennen. Ich leg' die mal hier auf diesen Rohling. In diesem Millimeter-Bereich kann man natürlich unglaublich variieren. Und da liegt eben wirklich das Geheimnis. Das ist auf jeden Fall maßgeschneidert. Für die Sportler. Und natürlich auch für solche Ereignisse wie Sotschi, speziell jetzt an die Wettkampfstätten angepaßt."
    Im November gab es eine Trainingswoche für alle Nationalteams. Da waren auch die FES-Forscher auf der neuen Olympia-Bob-Bahn.
    "Und da konnten wir diese Kufen auch schon testen. Mit einem positiven Ergebnis."
    "Neuer Bahnrekord!"