Amerika im Krieg oder Krieg gegen Amerika, so lauteten die Titel der Fernsehsondersendungen und die Schlagzeilen der Presse nach den Attentaten des 11. September. Eine Nation im Schockzustand war zu besichtigen. Eine Nation, die auf einmal durch Angriffe von außen verwundbar schien, eine Situation, auf die das Land nicht im geringsten vorbereitet war. Von einem zweiten Pearl Harbour war die Rede, doch im Gegensatz zur Situation im Zweiten Weltkrieg war der Feind nicht so klar zu erkennen. Eine neue Dimension schien sich aufzutun: wie wehrt man sich gegen ein Netzwerk internationaler Terroristen? Für die US-Regierung war die Antwort relativ schnell klar:
Al Qaida und Osama bin Laden standen schon vor dem 11. September unter der Beobachtung des CIA. In der Darstellung von Bob Woodward hatte CIA-Direktor George Tenet Vorahnungen und Informationen zuhauf, die aber die Katastrophe nicht verhindern konnten. Ohne lange nach den Motiven für die Anschläge zu fragen, war es für die Bush-Administration bald beschlossene Sache, dass die Verantwortlichen, wo auch immer sie sich befanden, aufgespürt und notfalls getötet werden sollten. In den Sitzungen des engeren Kreises wurden die Planungen schnell konkret.
Der Präsident kam auf das Problem der Al-Qaida-Terroristen und ihren Unterschlupf in Afghanistan zurück. Seit bin Laden im Mai 1996 seine Basis aus dem Sudan nach dort verlegt hatte, hatten die Taliban Al Qaida erlaubt, ihr Hauptquartier und ihre Ausbildungslager im Land aufzuschlagen.
Wir müssen Al Qaida den Unterschlupft nehmen, sagte Tenet. Den Taliban sagen, dass wir mit ihnen fertig sind. Die Taliban und Al Qaida seien im Grunde ein und dasselbe. Rumsfeld sagte, sie sollten jedes Machtmittel benutzen, nicht nur die militärischen, sondern auch rechtliche, finanzielle, diplomatische Mittel und die CIA. Tenet bemerkte, Al Qaida habe zwar ihr Hauptquartier in Afghanistan, operiere aber weltweit, auf allen Kontinenten. Wir haben ein 60-Länder-Problem, sagte er. "Schießen wir sie der Reihe nach ab", sagte der Präsident.
Ausführlich und nahezu minutiös schildert Bob Woodward die Entscheidungsfindung im Weißen Haus. Wobei Entscheidungsfindung eigentlich das falsche Wort ist, denn die Entscheidung stand ja von vornherein fest: Angriff auf Afghanistan mit dem Ziel, das Taliban-Regime abzusetzen und die Stützpunkte der Al Qaida zu vernichten. Nur die Mittel und Wege werden diskutiert, wobei sich immer wieder ein Graben zwischen Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld auf der einen und Außenminister Colin Powell auf der anderen Seite auftut. Während Powell für internationale Zusammenarbeit plädiert, fordern die Falken im Kabinett einseitiges amerikanisches Handeln. Und sie setzen sich bei einem Präsidenten durch, der schnelle Ergebnisse sehen will. Die Meinungen des Rests der Welt, im Weißen Haus sind sie nur dann von Bedeutung, wenn militärische Belange davon tangiert werden.
Rice wandte sich den Alliierten zu, die sich darum drängten mitzumachen.(...) Sie wollte sie nicht alle in voller Montur dastehen haben, ohne zu wissen, wohin mit ihnen. "Die Australier, die Franzosen, die Kanadier, die Deutschen wollen helfen", sagte sie. Alles, was sie tun können. Die Australier haben Spezialeinheiten in Tampa, Franks Hauptquartier. "Wir sollten versuchen, sie einzusetzen." (...) Rumsfeld riss sich zusammen. "Wir wollen sie, wenn möglich, einbeziehen." Aber Rumsfeld wollte nicht aus kosmetischen Gründen irgendwelche anderen Einheiten dabeihaben. Irgendein deutsches Bataillon oder eine französische Fregatte könnte nur stören.
Durch seine Methode, auch dort die direkte oder indirekte Rede zu verwenden, wo es gar keine überprüfbaren Zitate geben kann, erweckt Woodward den Eindruck, hautnah dabei gewesen zu sein – nicht nur bei den Debatten im nationalen Sicherheitsrat, sondern auch bei Vier-Augen-Gesprächen. Doch auf den Leser wirkt das oft eher ermüdend und auch unglaubwürdig. Ob Donald Rumsfeld, ob Dick Cheney, Condoleeza Rice, Colin Powell und George Bush selbst: Jenseits ihrer unterschiedlichen Charaktere und Ziele erscheinen sie im jeweils besten Licht. Zweifel sind erlaubt: Waren die Protagonisten wirklich immer so voller Sachkenntnis, wie dargestellt? Waren sie immer spontan mit den richtigen Zahlen zur Stelle, hatten sie immer die Alternative B zum Plan A parat, wussten sie wirklich immer so genau Bescheid, beispielsweise über die Topographie Afghanistans? Nur ab und an blitzt so etwas wie das wirkliche Leben durch, ausgerechnet bei Präsident George W. Bush, der Woodward einige ausführliche Interviews gewährte. Es ging um die Eroberung von Masar durch Truppen des mit den Amerikanern verbündeten afghanischen Warlords Dostum.
Bush rief sich acht Monate später ins Gedächtnis: "An eine Sache erinnere ich mich wirklich, es ist das Zusammentreffen dieses Burschen Soundso von der Nordallianz mit einem gewissen Wie-auch-immer, sie stürmen das Tal hinauf, wie hieß es denn gleich.
Bob Woodward stellt die Dinge dar, wie sie ihm nahegelegt werden. Er hinterfragt sie nicht, wertet sie aber auch nicht. Er beschreibt die permanente Angst des Weißen Hauses vor weiteren Anschlägen, die ständigen Warnungen, die eintreffen, die Milzbrand-Affäre. Was an diesen Warnungen wirklich dran war - nämlich nichts -, erfährt man nur ab und zu; dass die Milzbrand-Anschläge nicht auf das Konto von Al Qaida gingen, überhaupt nicht. Trotzdem ist Bob Woodwards Buch interessant und aufschlussreich. Denn es zeigt die Denkweise der Bush-Regierung, die Übertragung der Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Mentalität, wie sie sich im amerikanischen Rechtsalltag widerspiegelt, auf die internationale Politik. Aufschlussreich die Wild-West-Rhetorik des "Wir kriegen die Kerle", beängstigend die Effizienz und Zielstrebigkeit der Umsetzung. Ein tief verunsichertes und vielleicht sogar paranoides Land versucht präventiv, all diejenigen mit Gewalt los zu werden, die ihm vielleicht irgendwann einmal gefährlich werden könnten. Auf Verbündete legt es dabei keinen Wert, es sei denn, sie helfen ihm vorbehaltlos, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen. Seine Waffen sind ein riesiger, mit allen modernen Möglichkeiten ausgestatteter Militärapparat und die CIA, deren Befugnisse während des Afghanistan-Krieges erheblich ausgeweitet wurden. Laut Woodward gab diese dort 70 Millionen Dollar aus. Kriegführung im 21. Jahrhundert: Ein Spezialkommando der CIA bot einem der afghanischen Kriegsherren 50.000 Dollar, wenn er sich von den Taliban lossagte. Als dieser sich Bedenkzeit erbat, ließen die Special Forces eine Präzisionsbombe in der Nähe seines Hauptquartiers einschlagen. Tags darauf unterbreitete die CIA ein neues Angebot: 40.000 Dollar. Der Warlord willigte ein. Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt, heißt es, doch wo beginnt der Krieg und wo endet er? Folgt man dem Epilog des Buches "Bush at war", dann war der Schlag gegen die Al Qaida in Afghanistan erst der Anfang, der Feldzug gegen den Irak ist bereits beschlossene Sache, UN hin oder her. Und auch das kann nicht das Ende gewesen sein, wenn man sich die innere Logik dieser Denkweise ansieht.
Am 5. Februar 2002 versammelten sich etwa 25 Männer, die drei verschiedene Einheiten der Special Forces und drei paramilitärische Gruppen der CIA repräsentierten, außerhalb von Gardes im Osten Afghanistans, ungefähr siebzig Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt. Es war sehr kalt, und sie trugen Trekkingkleidung. Keiner hatte eine Uniform an. Viele trugen Bärte. Die Männer standen oder knieten an diesem verlassenen Ort vor einem Hubschrauber. Im Hintergrund war eine amerikanische Flagge aufgerichtet. Ein Haufen Felsgestein war zu einem Grabmal über einem hier bestatteten Trümmerrest des World Trade Center arrangiert. Irgend jemand machte ein Foto. Einer der Anwesenden sprach ein Gebet. Dann sagte er: "Wir weihen diesen Fleck als ewiges Denkmal den tapferen Amerikanern, die am 11. September gestorben sind, damit alle, die Amerika Schaden zufügen wollen, wissen, diese Nation wird nicht einfach dastehen und zusehen, wie der Terror siegt. Wir werden Tod und Gewalt in alle vier Himmelsrichtungen tragen, um unser großes Land zu verteidigen.
Al Qaida und Osama bin Laden standen schon vor dem 11. September unter der Beobachtung des CIA. In der Darstellung von Bob Woodward hatte CIA-Direktor George Tenet Vorahnungen und Informationen zuhauf, die aber die Katastrophe nicht verhindern konnten. Ohne lange nach den Motiven für die Anschläge zu fragen, war es für die Bush-Administration bald beschlossene Sache, dass die Verantwortlichen, wo auch immer sie sich befanden, aufgespürt und notfalls getötet werden sollten. In den Sitzungen des engeren Kreises wurden die Planungen schnell konkret.
Der Präsident kam auf das Problem der Al-Qaida-Terroristen und ihren Unterschlupf in Afghanistan zurück. Seit bin Laden im Mai 1996 seine Basis aus dem Sudan nach dort verlegt hatte, hatten die Taliban Al Qaida erlaubt, ihr Hauptquartier und ihre Ausbildungslager im Land aufzuschlagen.
Wir müssen Al Qaida den Unterschlupft nehmen, sagte Tenet. Den Taliban sagen, dass wir mit ihnen fertig sind. Die Taliban und Al Qaida seien im Grunde ein und dasselbe. Rumsfeld sagte, sie sollten jedes Machtmittel benutzen, nicht nur die militärischen, sondern auch rechtliche, finanzielle, diplomatische Mittel und die CIA. Tenet bemerkte, Al Qaida habe zwar ihr Hauptquartier in Afghanistan, operiere aber weltweit, auf allen Kontinenten. Wir haben ein 60-Länder-Problem, sagte er. "Schießen wir sie der Reihe nach ab", sagte der Präsident.
Ausführlich und nahezu minutiös schildert Bob Woodward die Entscheidungsfindung im Weißen Haus. Wobei Entscheidungsfindung eigentlich das falsche Wort ist, denn die Entscheidung stand ja von vornherein fest: Angriff auf Afghanistan mit dem Ziel, das Taliban-Regime abzusetzen und die Stützpunkte der Al Qaida zu vernichten. Nur die Mittel und Wege werden diskutiert, wobei sich immer wieder ein Graben zwischen Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld auf der einen und Außenminister Colin Powell auf der anderen Seite auftut. Während Powell für internationale Zusammenarbeit plädiert, fordern die Falken im Kabinett einseitiges amerikanisches Handeln. Und sie setzen sich bei einem Präsidenten durch, der schnelle Ergebnisse sehen will. Die Meinungen des Rests der Welt, im Weißen Haus sind sie nur dann von Bedeutung, wenn militärische Belange davon tangiert werden.
Rice wandte sich den Alliierten zu, die sich darum drängten mitzumachen.(...) Sie wollte sie nicht alle in voller Montur dastehen haben, ohne zu wissen, wohin mit ihnen. "Die Australier, die Franzosen, die Kanadier, die Deutschen wollen helfen", sagte sie. Alles, was sie tun können. Die Australier haben Spezialeinheiten in Tampa, Franks Hauptquartier. "Wir sollten versuchen, sie einzusetzen." (...) Rumsfeld riss sich zusammen. "Wir wollen sie, wenn möglich, einbeziehen." Aber Rumsfeld wollte nicht aus kosmetischen Gründen irgendwelche anderen Einheiten dabeihaben. Irgendein deutsches Bataillon oder eine französische Fregatte könnte nur stören.
Durch seine Methode, auch dort die direkte oder indirekte Rede zu verwenden, wo es gar keine überprüfbaren Zitate geben kann, erweckt Woodward den Eindruck, hautnah dabei gewesen zu sein – nicht nur bei den Debatten im nationalen Sicherheitsrat, sondern auch bei Vier-Augen-Gesprächen. Doch auf den Leser wirkt das oft eher ermüdend und auch unglaubwürdig. Ob Donald Rumsfeld, ob Dick Cheney, Condoleeza Rice, Colin Powell und George Bush selbst: Jenseits ihrer unterschiedlichen Charaktere und Ziele erscheinen sie im jeweils besten Licht. Zweifel sind erlaubt: Waren die Protagonisten wirklich immer so voller Sachkenntnis, wie dargestellt? Waren sie immer spontan mit den richtigen Zahlen zur Stelle, hatten sie immer die Alternative B zum Plan A parat, wussten sie wirklich immer so genau Bescheid, beispielsweise über die Topographie Afghanistans? Nur ab und an blitzt so etwas wie das wirkliche Leben durch, ausgerechnet bei Präsident George W. Bush, der Woodward einige ausführliche Interviews gewährte. Es ging um die Eroberung von Masar durch Truppen des mit den Amerikanern verbündeten afghanischen Warlords Dostum.
Bush rief sich acht Monate später ins Gedächtnis: "An eine Sache erinnere ich mich wirklich, es ist das Zusammentreffen dieses Burschen Soundso von der Nordallianz mit einem gewissen Wie-auch-immer, sie stürmen das Tal hinauf, wie hieß es denn gleich.
Bob Woodward stellt die Dinge dar, wie sie ihm nahegelegt werden. Er hinterfragt sie nicht, wertet sie aber auch nicht. Er beschreibt die permanente Angst des Weißen Hauses vor weiteren Anschlägen, die ständigen Warnungen, die eintreffen, die Milzbrand-Affäre. Was an diesen Warnungen wirklich dran war - nämlich nichts -, erfährt man nur ab und zu; dass die Milzbrand-Anschläge nicht auf das Konto von Al Qaida gingen, überhaupt nicht. Trotzdem ist Bob Woodwards Buch interessant und aufschlussreich. Denn es zeigt die Denkweise der Bush-Regierung, die Übertragung der Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Mentalität, wie sie sich im amerikanischen Rechtsalltag widerspiegelt, auf die internationale Politik. Aufschlussreich die Wild-West-Rhetorik des "Wir kriegen die Kerle", beängstigend die Effizienz und Zielstrebigkeit der Umsetzung. Ein tief verunsichertes und vielleicht sogar paranoides Land versucht präventiv, all diejenigen mit Gewalt los zu werden, die ihm vielleicht irgendwann einmal gefährlich werden könnten. Auf Verbündete legt es dabei keinen Wert, es sei denn, sie helfen ihm vorbehaltlos, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen. Seine Waffen sind ein riesiger, mit allen modernen Möglichkeiten ausgestatteter Militärapparat und die CIA, deren Befugnisse während des Afghanistan-Krieges erheblich ausgeweitet wurden. Laut Woodward gab diese dort 70 Millionen Dollar aus. Kriegführung im 21. Jahrhundert: Ein Spezialkommando der CIA bot einem der afghanischen Kriegsherren 50.000 Dollar, wenn er sich von den Taliban lossagte. Als dieser sich Bedenkzeit erbat, ließen die Special Forces eine Präzisionsbombe in der Nähe seines Hauptquartiers einschlagen. Tags darauf unterbreitete die CIA ein neues Angebot: 40.000 Dollar. Der Warlord willigte ein. Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt, heißt es, doch wo beginnt der Krieg und wo endet er? Folgt man dem Epilog des Buches "Bush at war", dann war der Schlag gegen die Al Qaida in Afghanistan erst der Anfang, der Feldzug gegen den Irak ist bereits beschlossene Sache, UN hin oder her. Und auch das kann nicht das Ende gewesen sein, wenn man sich die innere Logik dieser Denkweise ansieht.
Am 5. Februar 2002 versammelten sich etwa 25 Männer, die drei verschiedene Einheiten der Special Forces und drei paramilitärische Gruppen der CIA repräsentierten, außerhalb von Gardes im Osten Afghanistans, ungefähr siebzig Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt. Es war sehr kalt, und sie trugen Trekkingkleidung. Keiner hatte eine Uniform an. Viele trugen Bärte. Die Männer standen oder knieten an diesem verlassenen Ort vor einem Hubschrauber. Im Hintergrund war eine amerikanische Flagge aufgerichtet. Ein Haufen Felsgestein war zu einem Grabmal über einem hier bestatteten Trümmerrest des World Trade Center arrangiert. Irgend jemand machte ein Foto. Einer der Anwesenden sprach ein Gebet. Dann sagte er: "Wir weihen diesen Fleck als ewiges Denkmal den tapferen Amerikanern, die am 11. September gestorben sind, damit alle, die Amerika Schaden zufügen wollen, wissen, diese Nation wird nicht einfach dastehen und zusehen, wie der Terror siegt. Wir werden Tod und Gewalt in alle vier Himmelsrichtungen tragen, um unser großes Land zu verteidigen.