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Bodennutzung
Erosion von Böden nimmt dramatisch zu

Nur ein Bruchteil der Flächen weltweit ist für die Landwirtschaft geeignet. Ein großer Teil der nutzbaren Flächen wird auch schon intensiv bewirtschaftet - und das mit möglicherweise fatalen Folgen, warnen Experten. Denn wegen ungeeigneter Bodenbearbeitung erodieren die Böden immer mehr.

Von Dieter Nürnberger | 11.02.2016
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg).
    Für die langfristige Qualität der Böden muss schädliche Düngung reduziert werden, sagt der WWF. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Aus Sicht der Autoren des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität in Bonn sind die soeben hier in Berlin vorgestellten Ergebnisse sehr wohl alarmierend. Die Landdegradierung - wie es in der Fachsprache heißt - nehme demnach inzwischen dramatische Ausmaße an. Der Lebensraum von rund 3,2 Milliarden Menschen sei davon betroffen.
    Insgesamt haben 30 Wissenschaftler weltweit zur Veränderung der Qualität der Böden geforscht. Das passierte auch dank modernster Satellitentechnik - und ausgenommen waren hier natürlich die urbanen Zentren und beispielsweise auch Wüsten. Eine zentrale Schlussfolgerung dieser Studie ist denn auch, dass bislang weltweit zu wenig für eine nachhaltige Landnutzung getan wurde und werde. Joachim von Braun vom Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn ist Herausgeber der Studie.
    "Die Ergebnisse sind dramatisch. 33 Prozent der Weiden der Welt und 25 Prozent des Ackerlandes erscheinen als zunehmend degradiert. Es gibt also einen signifikant negativen Trend. Die Kosten dieser Degradation liegen pro Jahr bei rund 300 Milliarden Euro."
    Diese rund 300 Milliarden Euro sind die Kosten für die Weltgemeinschaft. Sie entstehen dadurch, dass auf diesen Böden nur noch wenig oder auch gar nichts mehr angebaut werden kann. Das sorgt für Verluste in der Landwirtschaft, aber auch bei der Biodiversität.
    Schlechte Entwicklung bei der Qualität der Böden stoppen
    Das Vorwort zu dieser Forschungsarbeit hat Klaus Töpfer, der frühere Bundesumweltminister und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, geschrieben. Auch er spricht von alarmierenden Ergebnissen:
    "Boden ist eine nicht erneuerbare Ressource. Sie brauchen für einen Zentimeter neuen Bodens, wenn er aus der Natur heraus entsteht, gute 2000 Jahre. Der Boden ist einer der wichtigsten Kohlenstoffspeicher, den wir haben. Kohlenstoff ist auch für die Produktivität der Böden relevant. Ein Boden muss lebendig sein, dann bindet er Kohlenstoff und dann ist er auch fruchtbar."
    Aus Sicht der Wissenschaftler und Experten gilt es nun, diese schlechte Entwicklung bei der Qualität der Böden zu stoppen. Eine Empfehlung ist zuallererst, die vielen negativen Einträge auf die Böden zu reduzieren. Hier sei auch die konventionelle Landwirtschaft gefordert, sagen Experten. Das betreffe die Lage vor Ort in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, aber selbstverständlich auch in Europa. Es gehe darum, dass für die langfristige Qualität der Böden schädliche Düngung verringert werde, es gehe um Fruchtfolgen, die besser abgestimmt werden müssten. Mathias Meißner vom WWF, dem World Wide Fund for Nature, kommentiert die Forschungsergebnisse wie folgt.
    "Wir sehen eine oftmals verfehlte Politik der Stickstoffdünger-Subventionen beispielsweise. Es geht darum, kurzfristig Erträge zu erreichen, aber langfristig trägt dies zu einer Zerstörung der Fruchtbarkeit der Böden bei. Für Europa brauchen wir eindeutig eine Agrarpolitik, die wirklich die Bodenfruchtbarkeit als ein Produkt der landwirtschaftlichen Produktion betrachtet. In diesem Zusammenhang sollten auch Förderrichtlinien geändert werden."
    Wichtig für Bekämpfung von Fluchtursachen
    Die Autoren schreiben, dass sich Investitionen in die Böden auf jeden Fall lohnen würden: Jeder US-Dollar, der heute in die Erhaltung als Lebensgrundlage investiert werde, spare in Zukunft fünf US-Dollar an Folgekosten ein.
    Und ein Aspekt blieb heute bei der Vorstellung auch nicht unerwähnt: Schlechte Böden seien oft der Grund, warum Menschen ihre Heimat verließen. Noch einmal Klaus Töpfer, der frühere Bundesumweltminister:
    "Wir können sagen, die größten Probleme gibt es dort, wo die Zahl der Menschen weiterhin deutlich ansteigt. Das sind die Regionen, wo die Ärmsten der Armen leben - in Afrika, auch auf dem indischen Subkontinent. Ganz klar: Wenn es um die Bekämpfung von Fluchtursachen geht, ist das ein wichtiger Punkt. Wenn Menschen ihre Nahrungsmittel nicht mehr selbst erzeugen können, dann werden sie fragen, wo können wir hingehen?"