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Bodensee
Gefährliches Plastik in Binnenseen

Plastik sorgt für große Probleme in den Weltmeeren. Auch in Binnenseen ist das Material zu finden, oft in Form kleiner Partikel, die aus Zahnpasta oder Duschgel stammen. Die Folgen für Menschen und Tiere sind noch unklar.

Von Thomas Wagner | 15.01.2014
    Durch den friedlich dahinplätschernden Bodensee lässt sich Florian Faure, Umweltwissenschaftler der Schweizerischen "Ecole polytechnique fédérale de Lausanne", nicht beirren. In Bottighofen am Schweizer Ufer entnimmt er immer und immer wieder Wasserproben. Das, was er sucht, wird aus seiner Sicht zu einem zunehmenden Problem des Gewässerschutzes: Plastikmüll.
    "Mikroplastik kann durch den Zerfall größerer Plastikteile entstehen. Aber auch synthetische Kleidung verliert bei jedem Waschen winzige Plastikfasern. Aber auch in Kosmetikprodukten wie Duschgel oder Zahnpasta, die wir täglich benutzen, befinden sich Mikroplastik."
    Oftmals nur Bruchteile von Millimetern groß. Manchmal bewegt sich die Länge eines Mikroplastik-Partikels sogar nur im Nanobereich. Sei es beim Duschen, beim Waschen, beim Zähneputzen oder sonst wie: Mikroplastik gelangt tagtäglich ins Abwasser - und darin sieht Herbert Löffler, Biologe am Institut für Seenforschung in Langenargen am Bodensee, ein Problem:
    "Diese Nano-Partikel, die werden mit großer Wahrscheinlichkeit die Kläranlagen passieren."
    Und gelangen in den Bodensee, aus dem über dreieinhalb Millionen Menschen ihr Trinkwasser beziehen. Was dann passiert, wissen die Experten noch nicht. Aufschlüsse soll daher ein Forschungsprojekt geben, das die Schweizer Wissenschaftler aus Lausanne derzeit gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen aus Langenargen angehen. Immerhin: Einen Anfangsverdacht gibt es bereits, weiß Biologe Herbert Löffler:
    "Es gibt eine Studie der Universität Bayreuth, die am Gardasee gemacht wurde. Und dort gibt es Hinweise darauf, dass Nano-Partikel in die Nahrungskette gelangen."
    Ähnliche Hinweise auf Mikroplastik im Wasser haben die Experten der "École polytechnique fédérale de Lausanne" bei ersten Untersuchungen auch im Genfer See gefunden. Taucht aber das Phänomen Plastikmüll in Binnenseen in der Schweiz und in Italien auf, gibt es nach Meinung der Experten allen Grund, auch in deutschen Gewässern genauer nachzusehen. Denn, so Herbert Löffler:
    "Man könnte sich natürlich vorstellen, dass Wasserorganismen, seien das Wasservögel, Wasserflöhe oder Fische, versehentlich solche Partikel aufnehmen, weil sie mit Nahrungspartikel verwechselt werden und unter Umständen es dann zu Ernährungsstörungen kommen kann, unter Umständen zur Anreicherung in der Nahrungskette."
    Hier allerdings ist Vorsicht geboten: Bodensee-Fische werden gerne auch vom Menschen verspeist; etliche Mikroplastik-Partikel in Nano-Größe gelten aber als gesundheitsgefährdend. Aus diesem Grund habe man das Forschungsprojekt "Mikroplastik" im Bodensee auf den Weg gebracht. Zu übertriebener Panikmache, so Biologe Herbert Löffler, bestehe allerdings kein Anlass.
    "Beispielsweise wurden bei der Trinkwasseraufbereitung aus Bodenseewasser keine Auffälligkeiten beobachtet, wobei man sagen muss: Wir machen diese Untersuchung bisher nicht speziell mit dem Fokus ‚Mikroplastik‘ und ‚Nanopartikel‘."
    Bisher nicht, in Zukunft aber schon: Ganz gezielt untersuchen die deutschen und die Schweizer Wissenschaftler die Wasserproben aus dem Bodensee auf Plastikteilchen und erforschen deren mögliche Auswirkungen. Längst ist aber bekannt, dass Mikroplastik in rauen Mengen in den Meeren vorhanden ist, vor allem in Küstennähe - mit allen unerwünschten Folgen.
    "Bei Meeren gibt es offenbar Anreicherungsvorgängen und riesige Felder, die eine hohe Dichte an Plastikfälle aufweisen."
    Ob winzige Plastikpartikel nun im Meer oder im Binnengewässer vorkommen - problematisch sei diese Entwicklung auf jeden Fall, sagt der Biologe Herbert Löffler vom Institut für Seenforschung. Erst im kommenden Frühjahr allerdings werden erste Untersuchungsergebnisse für den Bodensee vorliegen. Ganz generell müssten aber, so Löffler, zum einen die Verbraucher mehr als bisher daraufhin sensibilisiert werden, erst gar nicht so viel Mikroplastik-Müll wie bisher ins Abwasser gelangen zu lassen.
    "Zum anderen ist dann sicherlich auch irgendwann die Politik gefordert, sich Gedanken zu machen, ob diese Nanopartikel in den Kosmetikprodukten tatsächlich sein müssen."